Kyle Baker -- "You are here"

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Fünf Stunden musste ich in Paris totschlagen, zwischen meiner Ankunft am Gare du Nord, und dem Eintreffens meines Onkels zuhause nahe der Porte d'Orleans. Nachdem ich meine Sachen am Gare de Montparnase in die Gepäckaufbewahrung aufgegeben habe, lief ich schnurstracks durch den "Jardin de Luxembourg" um einen US-Comicladen aufzusuchen. Dabei stiess ich sehr zu meiner Freude auf einen alten Bekannten von dem ich lange Zeit nix gehört habe: Kyle Baker.

Ich habe ihn nur kurz als Comic-Zeichner erlebt, aber da hat er ein Feuer abgebrannt, dass es in sich hatte. Zuerst bin ich ihm begnet als er die DC-Serie "The Shadow" übernahm und dort was sehr eigenes gemacht hat. Sein Opus Maximum war aber "Why I hate Saturn". Wäre Jerry Seinfeld Comic-Zeichner, er würde Kyle Baker heissen.


Oscar & Tracy

Kyle Baker machte sich dann rar, hat kleine eigene Projekte auf sehr bizarren Labels gemacht, und ward dann ganz von meinem Radar verschwunden. Gerüchteweise hörte ich, dass er Autor von Sitcoms wäre...

"You are here" macht es einem nicht leicht, den Comic einzuordnen. Je länger Kyle Baker Comics zeichnete, desto statischer wurde sein Seiten-Layout. Hier hat das Layout auch nichts mehr mit Comics gemein, sondern sieht nach Storyboard aus. Verstöärkt wird der Eindruck durch die Bilder, die allesamt digitalisiert wurden. Die Bilder haben die typische leichte Unschärfe, und zudem tauchen einige im Computer bearbeite Fotos und Photoshop-Effekte auf. Das ganze macht eher den Eindruck von Animatics.

Kyle Baker ist auch keiner der sehr gut mit Farben umgehen kann. Bei "Why I hate Saturn" hat er sich aus dem Problem rausgemogelt, in dem er die ganze geschichte in Sepia-Tönen getuscht hat. Hier gibt es aber kein Entrinnen: die Farben sind schlecht, teilweise zum Erbrechen schlecht.

Und doch macht das Buch einen Heidenspass. Denn Zeichnung und Story sind Baker at his best. Die Zeichnungen sind in Gestik und Mimik zwar Zeichentrick ähnlich, aber nichtsdestotrotz teilweise schneidend scharf beobachtet (z.B. wenn Noel besoffen ist).

Das Buch handelt von einem Illustrator und ehemaligen Juwelendieb Noel Coleman, der sich in das esoterisch angehauchte Naturmädchen Helen verknallt hat, und ihr ein Lügenmärchen über seine Vergangenheit aufgetischt hat. Nach einem Jahr Zusammenlebens in Upstate New York, kehrt Noel kurz nach New York in seine Wohnung zurück. Er erhält nicht nur Besuch von sich als Strip-Girls betätigende Freundinnen, und sehr freizügigen Nachbarinnen, sondern auch von seinem Gaunerkumpanen George, als Helen überraschend vor der Tür steht...

Die Story ist wie eine Screwball-Comedy aufgebaut, gewinnt schnell an Fahrt, ehe sie dann am Ende einige überraschende Wendungen gewinnt...

Wenn man sich Zeichung und Colorierung anschaut, stellt man leider fest das Kyle Baker immer noch "nur" ein ungeschliffener Rohdiamant ist. Das er aber immer noch in der Lage ist, so eine Story rauszuhauen, das lässt hoffen...

Kyle Baker "You are here", DC Vertigo 1999, US$19,95, ISBN 1-56389-442-4

 

 

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