"Don't make me think"
a common sense approach to web usability

#: 1/ Der Anti-Nielsen

Buchcover
Cover
Die beiden Schlagwörter sind eng miteinander verbunden: "Usability" und Jakob Nielsen. Ersterer beschreibt die "Brauchbarkeit" einer Website. Wie leicht kann ein Besucher sie bedienen? Der zweite Begriff ist der Name des Mannes, der wie kein anderer diese Sparte in die Köpfe der Medien-Gestalter eingehämmert hat. Die Brutalität die in dem Wort "eingehämmert" liegt, ist durchaus gewollt. Wo ein Nielsen in schriftlicher Form seine Meinung geäussert hat, wächst kein Gras mehr, gibt es kein Grau zwischen Schwarz und Weiß.
Nielsen polarisiert durch Vereinfachungen ("Flash 99% bad") und Schlagwörter. Das sorgt zwar dafür das über die Materie gesprochen wird (und Nielsen für teures Geld Reden halten kann). Es sorgt leider auch dafür das sich vieles Falsches in den Köpfen festsetzt, weil die Menschen 1:1 die prägnanten Kurzformeln übernehmen, ohne sie zu hinterfragen.
Steve Krug ist bei weitem nicht so bekannt wie Jakob Nielsen. Nicht der einzige Grund, weswegen er für mich den "Anti-Nielsen" verkörpert. Auch Steve Krug schreibt über Usability, allerdings weitaus zurückhaltender und sympatischer. Hier werden keine Faustregeln zu Absolutismen erklärt, hier wird kein Kreuzzug beschworen.
Krug erläutert erst seine Herangehensweise an die Analyse einer Website. Nicht nach festen Formeln, sondern viel mehr durch das gezielte Stellen von Fragen und Beobachten. Oberste Leitsatz für eine gute "Usability": "Don't make me think". Laß mich nicht erst darüber nachgrübeln welchen Button ich jetzt klicken muss.
Derart in die allgemeine Philosophie (aufgrund der Herangehensweise von Krug verbietet sich hier der Begriff "Richtlinie" oder "Regeln") eingeführt, werden einige wichtige Elemente einer Site von Krug daraufhin abgeklopft: Navigation und Homepage.
Im letzten Drittel geht es dann um das Durchführen von Usability-Tests in dem man einfach 2-3 Leute von der Straße oder Nachbarschaft abgreift und vor dem Monitor pflanzt. Von Herrn Krug aber in aller Ausführlichkeit und mit allen wirklich notwendigen Details versehen.
Das Buch liest sich sehr schnell und flüssig, enthält viele Illustrationen. Es ist sehr einfach, freundlich, teilweise sogar humorig geschrieben.
Und wie ist der Nährwert? Da kommen wir an den diffizilen Punkt. Ohne Zweifel, der Anfänger wird auf jeder Seite Essentielles lernen. Nicht ganz so simpel stellt es sich für den fortgeschrittenen Web-Designer dar, der, so wie ich, fünf Jahre mit offenen Augen durchs Web gegangen ist, und auch schon den einen oder anderen theoretischen Text gelesen hat. Das erste Drittel befindet sich fast ausschließlich bereits gehörtes. Hier und da eine Metapher, ein Gleichnis was man beim nächsten Konzept wieder verwerten kann.
Dann kommt das mittlere Drittel. Auch hier eigentlich banale Dinge, aber teilweise mit anderem Ansatz versehen und für mich ein "eye-opener". Wie kann ich eine Webseite "betrachten" um Schwachpunkte zu bemerken. Es wird auch teilweise die Wichtigkeit von Dingen betont, die einem vorher so nicht bewusst waren.
Das letzte Drittel wird dann sehr "nutzwertig", weil es einzig und alleine um den Aufbau eine semiprofessionellen Usability-Test geht. Das mag so nicht jeder brauchen, ist aber sehr umfassend beschrieben, bis hin zu einem Beispieldialog wie man die Konversation mit einer Testperson anfängt, um das "Eis zu brechen".
Der Schwachpunkt des Buches liegt in dem "um-den-heißen-Brei-herumreden" bei einigen interessanten Punkten, namentlich der Navigation. Krug deutet Probleme von Navigationen an, liefert aber keine Lösungen.
Das Buch wird in der Webgemeinde sehr gelobt. Entsprechend waren meine Erwartungen und daran gemessen, sind sie auch enttäuscht worden. Jeder muß für sich entscheiden ob ihm das Buch knapp 35,- EUR wert sind. Für Einsteiger und Anfänger kann es mit Sicherheit bejaht werden. Fortgeschrittene wiederum werden die Ausgabe von 35,- EUR leichter verschmerzen können...
Sehe ich mich um und betrachte den derzeiten Stand des von Agenturen betriebenen Webdesigns in Deutschland, wird es Zeit für einen "Marshall-Plan" und dem Abwurf von Krug-Büchern aus "Bücher-Bombern" über Hamburg-St.Pauli, Berlin Mitte und Munich Area.

#: 2/ Die Daten

Don't make me think! -- A Common Sense Approach to Web Usability

von Steve Krug
New Riders Publishing/circle.com Library, Indianapolis, USA, Oktober 2000
ISBN: 0-7897-2310-7
Preis: 35,- US$

#: 4/ Die Essentials

Don't make me think!

Buttons

Entscheidend ist nicht die Zahl der Klicks, sondern der Aufwand (suchen, erkennen, verstehen, ansteuern). "Laß mich nicht nachdenken was ich tu". Dabei spielen z.B. für Buttons eine Rolle...
  • Beschriftung
  • Als Button (optisch) erkennbar
  • Funktionalität (was muß an Featuren angeboten werden)

Webseiten

Webseiten sollten anbieten:
  • klare visuelle Hierachie
  • logisch zusammenhängende Gruppen -> visuell zusammenhängende Gruppen
  • optische Verschachtelungen um Strukturen und Zusammengehörigkeit anzuzeigen
  • Keine Scheu vor Konventionen. Konventionen sind Konvention, weil sie funktionieren
  • Kein "Noise". Versuchen an Grafik und Text nur das Notwendige zu bringen, um die Flut der hereinbrechenden Eindrücken gering zu halten. Bzgl. des Textes lautet die Krug-Formel: Text schreiben, dann Text um die Hälfte kürzen und dann noch einmal um die Hälfte kürzen.

Selbsttest

Um zu testen ob eine Seite funktioniert, führt Krug den "Trunk Test" durch. Mit blitzelnden oder halb-geschlossenen Augen soll man versuchen folgende Bereiche einer Seite zu identifizieren:
  • Site ID (Wessen Website ist es?)
  • Seiten-Titel
  • Sektionen/Hauptnavigationen
  • Was sind meine Optionen, was kann ich tun, wo kann ich hin?
  • "You are here". Wo ungefähr in der Sitestuktur befinde ich mich?

Homepage

Daraus lassen sich Anforderungen für die Homepage ableiten, bei der man neigt zuviel unterbringen zu wollen.
  • "What is this?", "What can I do here?", "What do they have?" -- Kurz: der Sinn der Site. Dazu gehört eine klare Identifikation der Site und eine Verdeutlichung ihrer "raison d'être". Zwei wichtige Elemente dafür, sind die "Tagline", sozusagen der Claim/Slogan der Site und der Begrüßungstext, der nicht kurz genug gehalten werden kann.
  • Wo geht es hier weiter, was kann ich als nächstes tun?
Weitere Buchrezensionen zum Thema:
Jeffrey Veen "Hot Wired" und "Art & Science of Web Design"

<<= wortAuf-Index

 

Kai Logo