Yimou Zhang: Hero
Es dauert meistens keinen ganze Absatz bevor "
Tiger & Dragon" als Referenz erwähnt wird. Das trifft es denn dann auch. Wer "Tiger & Dragon" gemocht hat, wird auch "
Hero" mögen. Wer Magengeschwüre bei den an Fäden über Baumwipfeln schwebenden Akteuren bekommen hat, wird bei "Hero" schreiend aus dem Kino laufen.
Der Namenlose
"Hero" ist die Verfilmung einer chinesischen Saga, aus den Zeiten vor der Großen Mauer, als sieben Völker um die Vorherrschaft in China kämpften. Vorallem ein Herrscher, der König von Qin, fällt durch aggressive Kriegspolitik auf. Die anderen Völker versuchen durch Attentäter den Herrscher zu beseitigen. Da taucht eines Tages ein unbekannter Kämpfer in Schwarz beim König auf und behauptet, er hätte die drei gefährlichsten Attentäter getötet. Der Film erzählt in Rückblenden vom Kampf des "Namenlosen".
Es dauert nicht lange bis König Qin ahnt, dass der unbekannte Kämpfer nichts anderes als ein vierter Attentäter ist. Fortan werden Variationen der Rückblenden gezeigt, die jeweils die subjektive Version der Geschehenisse abgibt.
Reine Liebe: "Fliegender Schnee" und "Zerbrochenes Schwert"
Dieser dramaturgische Kunstgriff macht die Erzählung komplexer und interessanter. Der Film ist, von diesem Kunstgriff abgesehen, sehr rein, stark abstrahiert. Es geht um Liebe, Tod und Macht. Alles drumherum, die Kämpfe, die Ästhetik, unterwerfen sich diesen drei zentralen Punkten. Die Schwertkämpfe erklären nicht warum A gegen B gewinnt, sondern sind Ausdruck und Zuspitzung von Liebe, Tod und Macht.
Selten sieht man einen Film derart konsequent das Erzählen einer Geschichte in den Hintergrund rücken, um sich mit voller Kraft einer Orgie an Farben, Bewegungen, Tönen und Emotionen zu widmen. Es ist diese Reinheit die einem mit voller Wucht erwischt.
"Weiter Himmel" gegen den "Namenlosen"
Gleich die ersten Szenen im Königspalast verschlagen einem ob ihres schieren Gigantismus die Sprache. Die erste Rückblende, der Kampf des Namenlosen gegen "Weiter Himmel" im Hof, zeugt von einer unglaublichen Liebe zum Detail und spricht alle Sinne an. Selten das man Regen so intensiv erfahren hat.
Es gibt zwei absolute Lieblingsszenen für mich, die sogar den Kampf in den Baumwipfeln von "Tiger & Dragon" in den Schatten stellen. Mitten in einem gelblichen Herbstwald treten zwei in Rot gewandete Frauen ("Fliegender Schnee" gegen die Schülerin von "Zerbrochenes Schwert") zu einem Duell an. Es ist bereits in den Stills eine unglaubliche Farbkomposition, aber gekoppelt mit der animierten Laubblättern und den entsprechenden Geräuschen ist es außerhalb jedes Beschreibbaren.
Der König von Qin im Palast
Jede Sequenz in "Hero" ist in bestimmten Grundfarbtönen gehalten. Wer sich einen Eindruck davon machen will, kann sich eine Reihe von Photos auf "
OutNow" ansehen, von deren Site ich mir die Photos auf dieser Seite auch, ähem, geborgt habe. In meiner zweiten Lieblingsszene kommt es zu einem Duell zwischen "Zerbrochenes Schwert" und dem König in dem schwarzen Königspalast. In dem Raum sind große grüne Tücher aufgehängt. Am Ende des Kampfes sieht man in einer Totalen in diesem gigantischen Raum mit einem Schlag alle Tücher zu Boden fallen.
"Hero" ist, u.a.
bei FM4, wegen einer vermeidlichen reaktionären Aussage in die Kritik gekommen. Achtung, Spoiler: Am Ende des Films wird der König am Leben gelassen, weil sich die Attentäter des Satzes bewußt werden: "
Alle unter dem Himmel". Das spielt auf einen starken König an, der die zerstrittenen chinesischen Völker eint. Dieses hat anscheinend viele Filmkritiker zum Schluß verleitet, dass damit im übertragenen Sinne auch eine starke chinesische Partei gemeint sei.
Dabei ist der Film wesentlich ambivalenter, denn der "Namenslose" gibt dem König auch noch mit auf dem Weg, dass er den Frieden zu schaffen hat. Wenn die Kritiker die gleiche Akrebie an den Tag legen würden, könnte man die letzte Ergänzung auch als leise Kritik an den Konfrontationskurs der Partei bzgl. Tibet, Falung Gong oder Drei-Schluchten-Staudamm verstehen...
Reaktionär wird "Alle unter dem Himmel" am ehesten im Zusammenhang mit dem Schlußbild, das die chinesische Mauer zeigt und als Text erklärt das Qin China einigte und die Mauer als Schutz gegen den Einfall der Mongolen errichtete. Hier wird der König als Schutz gegen eine Bedrohung von Außen propagiert, die Verbindung zur kommunistischen Partei liegt nahe. Aber dieses Schlußbild fällt inhaltlich und ästhetisch derart aus dem Rahmen, dass ich mich frage inwieweit Yimou Zhang wirklich da noch seine Finger dran hatte.
Aber das alles erscheint nach den neunzig Minuten nur wie eine Petitesse. Die Reinheit und die Fokussierung des Films geben den Blick frei auf eine Art von Gefühl, wie man sie in dieser Reinheit selber verspüren möchte, frei von Sachzwängen, frei von kleinlichen Streitereien. Ich und du und sonst nichts. Die Welt soll auf zwei Menschen zusammenschrumpfen. Aus dem Kinosaal draussen, ahnt man was man vermisst. Es wird ein weiter Weg dorthin, es ist ungewiss ob man dort ankommt.
Ein letztes Wort zu zwei Personen.
Yimou Zhang, der Regisseur, hat 1992 auch den von mir so
extrem gelobten Film "
Die rote Laterne" gedreht, immerhin von mir mit neun von zehn Punkten ausgestattet. Bereits dieser Film war, gelinde gesagt, sehr farbintensiv, wiewohl eher in rötlichen Tönen.
Für die Farbe in "Hero" war aber eher der Kameramann
Christopher Doyle zuständig, der wiederum just einer der engsten Kollaborateure von
Wong Kar-Wei ist. Auch Wong Kar-Wei legt viel Wert auf den gezielten Einsatz von Farben. Sei es den eher poppigen Farben in "Chungking Express" oder den nostalgischen Grünttönen aus "
Days of being wild".
Ich gebe dem Film 9 von 10 Schriftrollen in meiner
Film-Topliste.
(Alle Bilder von
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