[16h03] Auch das war der
Sommer'03 (erschießt mich, sollte ich einmal als Bryan Adams-look-a-like die Bühne erklimmen und Schmacht-Rock klampfen). Der Jung-Twen indischer (pakistanisch o.ä.) Herkunft der sich mit ebenso nacktem Oberkörper wie leerem Blick auf den Platz in der Mitte der Rückbank quetschte. Aus seinem Kopfhörer drang High-Speed-Bangra-Musik. Die Dackelaugen und tranceartigen Zuckbewegungen des Kopfes deuteten an, dass die pure Phonzahl die letzten Reste intelligentes Leben aus dieser sterblichen Hülle geblasen haben. Es war einer jener Nachmittage an denen es im Bus knapp vierzig Grad hatte. trotz oder wegen Fahrtwind. Der Türke (o.ä.) rechts vom Inder fühlte sich sichtlich unwohl. In seinen distinguiert-sportiven Klamotten und mit der Apfelschorle-Flasche in der Hand, starrte er immer wieder fassungslos auf den Inder, der sich sowas von überhaupt keine Bohne für seine Umwelt interessierte und nur roboterhaft an seinem Walkman fummelte, dass man sich wunderte dass er seine Ausstiegshaltestelle nicht verpasst hat.
Es war auch der Sommer der weiblichen Emanzipation, der Sommer an dem der Schwabbel massenkompatibel wurde.
Wo Frauen sich bislang unter Mühen in Jeans zwängten, hat man nun einfach die Jeans verkürzt und läßt hemmungslos unseren Freund Schwabbel über die enge Hose hängen. Eine der letzten Männerdomaine, die Speckrolle, ist damit gesprengt. Wo mann verschämt Dennis-Roussos-artige Gewänder schlapp über den Oberkörper hängen lässt, geht frau viel offensiver ran, und zeigt Haut. Wo einst die aus der Hose gequetschte und gedrückte Hautwurst Ekelherpes verbreitete, schwebt der Hauch von lasziven Sex durch die sommerlichen Stadtstraßen. Danke Frauen, dass wir Männer ab sofort die T-Shirts XXL ablegen dürfen. Der Bauchnabel jubiliert, endlich gelangen die im Bauchnabel gesammelten Essensreste und Krümel wieder an die frische Luft, dass Deo hält länger vor.
Ich gebe aber zu, dass dann und wann eine Fallunterscheidung von Nöten ist. Vor einer Woche überkam mich fast der Spontan-Brechreiz als in den Subtropen von Hamburg-Ottensen ein besonders fettes Exemplar Mann vorbeikam. Soweit so gut, das ist nichts verwerfliches. Der komplett nackte Oberkörper gehörte hingegen schon eher zu den diskussionswürdigen Attributen dieses Herren.
Aber nicht nur das. Freund Speckschwarte hatte a) seine Hose hochgezogen, b) seinen Bauch in die Hose abartig reingezwängt. Es gab dabei nicht nur die typische horizontale Rollenbildung. Eine Hautwulst oberhalb der Hose, über den Hosenbund wuppend und eine -- nicht mit den Geschlechtsteilen identische -- Hautwulst unterhalb des Hosenbundes. Vielmehr hatte der Herr die Hose so hoch gezogen, dass der Hosenknopf exakt unterhalb des Bauchnabels war und sich daher auch noch eine vertikale Teilung des Bauches ergab, links und rechts vom Reißverschluß. Das war kein Six-Pack-Bauch, das war die Four-Pack-Hölle.
Zuhause hat mich die 80-Kilo-Markierung auf der Waage angelächelt.
[10h32] Heute ist nichts mehr so wie es am Anfang der Woche war. Es ist verhältnismäßig kühl. Bedeckter Himmel. Heute nacht hat es etwas heftiger geregnet. Mein PowerBook ist immer noch im recht jungfräulichen Zustand. Heute vormittag muss ich den ganzen UNIX-Krempel installieren bzw. einrichten.
Man kann es für Zufall halten, oder man kann auf die Knie sinken und die Arme gen Schöpfer ausbreiten. "Ein Zeichen, ein Zeichen!" Gestern ist noch etwas anderes zu Ende gegangen. Eigentlich nicht wirklich gestern, aber gestern ist der letzte Punkt, die letzte Grenzmarkierung überschritten worden, die ich mir gesetzt hatte.
Man muss schon ein geübter Zwischen-den-Zeilen-Leser sein, um zu ahnen, dass bei mir in den letzten dreineinhalb Monaten eigentlich etwas ganz anderes im Vordergrund stand. Ich war, nein, ich bin immer noch verknallt. Es begann Anfang Mai harmlos und unschuldig mit einem langen, beruflichen Anruf. Am selben Abend, kurz vor elf, kam noch ein Anruf. Sie hätte Probleme beim Abspielen einer QuickTime-Datei, ob ich da was wüsste. In den darauffolgenden achteinhalb Stunden haben wir eher weniger über QuickTime geredet.
Es waren sechs Wochen mit langen und intensiven Telefongesprächen. Blind Date. Irgendwann wurden auch Digital-Photos verschickt. Es war für mich ein Katz- und Maus-Spiel. Kaffeesatzleserei. Sich nicht genügend trauen und was auf die Finger bekommen, sich zu weit vorwagen und was auf die Finger bekommen. Ich war desöfteren das personifizierte Fragezeichen.
Wir haben uns zweimal getroffen, einmal im Westen, einmal in Hamburg. Es war für mich immer eine merkwürdige Melange. Zu merken wie sehr man sie mag (setzen Sie hier bitte Ihre entsprechenden Superlativen), aber gleichzeitig zu spüren, dass sie den letzten Step über die Grenze von Sympathie zur Liebe nicht macht.
Sie hat nicht mit gezinkten Karten gespielt, sondern es am Ende des ersten Treffens deutlich gemacht. Alles was sich danach abspielte war eher mein Hirn. Ich habe versucht die Realität so hinzubiegen, dass ich mir noch Hoffnungen machen konnte. Aber Woche um Woche verringerte sie den Interpretationsspielraum, den ich in ihren Aussagen und Verhalten reinlegen konnte. Ich habe mir immer wieder neue "Markierungen" gesetzt, ab denen ich mir vorgenommen hatte, meine allerletzten Hoffnungen fahren zu lassen. Im Verlaufe der letzten Wochen hat schon längst eine immer stärkere Trennung stattgefunden zwischen dem was ich in meinen Träumen noch wünschte und die Einschätzung meiner Chancen in der Realität. Teilweise fand diese Abspaltungsprozeß zwischen meinen Emotionen und meiner Ratio nicht schnell genug statt. Ich wurde von der Realität 1-2mal überholt und das war bitter.
Permanent haben meine Innereien Debatten ausgetragen. "Was ist schief gegangen?" "Was wäre wenn ich an dem Donnerstag mich anders verhalten hätte?" "Eigentlich war es unfair von ihr..." "Ich habe keine wirkliche Chance gehabt...". Man möchte sich erklären. Man möchte sie am liebsten argumentativ davon überzeugen, dass sie dieses falsch sieht und ich ihr Main-Man des Lebens wäre. Aber die Liebe ist, noch weniger als es schon das richtige Leben ist, nicht der richtige Ort für eine Sabine-Christiansen-Talkshow. Wenn Liebe verargumentiert werden muss, kann's das nicht sein. Zum Glück habe ich grosso modo meine Klappe gehalten.
Seit Wochen sah ich wie sie das Verhältnis immer mehr auf eine normale Freundschaft zurückfährt. Bitter, weil die Erinnerungen an die ersten, außergewöhnlichen Wochen noch zu frisch sind. Der altkluge Satz "früher war alles besser" ist in diesem Fall nicht nur wahr gewesen, sondern auch schmerzend. Das dumpfe Gefühl das ich in personae hinter den von dogfood geschürten Erwartungen zurückbleibe, ist nicht gerade angenehm. Aber es wird so sein wie mit kaputten Zähnen: nach einer Zeit, wenn der schmerzende Nerv abgestorben ist, tut es nicht mehr weh.
Gestern fiel sozusagen noch meine letzte Bastion Hoffnung. Es war nur eine Frage der Zeit, denn bei meiner Ausgangsposition, inkl. der räumlichen Distanz, war es aussichtslos.
Zurück bleibt das schale Gefühl das Entscheidende nicht rübergebracht zu haben. Ich fühle mich wie ein Heizungskörper der ins Leere abgestrahlt hat (sie würde sagen: "
was guckst du wieder so scheel?", neben ihren anderen Lautmalereien wie "
Häh?", "
Nä?", "
Nääääh!", "
Wie dat denn?", "
Wat?"). Natürlich hat sie mir auch etwas gegeben und es war eine schöne Zeit und eine schöne Erfahrung. Hey Cookie, danke! Es bietet sich nun an, das Kapitel abzuhaken (was auch Sinn dieses dogfood-Eintrages war). In der Hoffnung in den letzten Monaten
ein paar Karma-Punkte dazu verdient zu haben. Der Rest wird sich nur noch bei mir im Kopf abspielen. Ich glaube, ich muss jetzt MySQL auf dem PowerBook installieren...