[08h52] Film — Ich hatte es vor Monaten nur am Rande mitbekommen.
Wong Kar-Wei hätte nach fünf Jahren einen neuen Film fertiggestellt, einen Science-Fiction-Film namens „2046“ und dazu untenstehendes Photo.
Es hörte sich nach einer Traumkombination an, Wong Kar-Wei mit seinen famosen grafischen Einstellungen und ein SciFi-Thema dass einem alle Freiheiten zur Umsetzung gibt.
Groß war die Freude als ich gestern ins Kino ging, blaß war mein Gesicht als ich es 129 Minuten später verließ. Es wurde zum Abend der enttäuschten Erwartungen.
Im Mittelpunkt steht ein Journalist in Hongkong Ende der Sechsziger Jahre. Der Ich-Erzähler schwelgt seinen geliebten Frauen hinterher, denen er nicht gefolgt ist und die ihm nicht gefolgt sind. Wong Kar-Weis altes Thema von den Zufälligkeiten und der Unentschlossenheit, vom Schiksal und dem sich Treiben-lassen.
Science-Fiction taucht in „2046“ nur in Form von Einblendungen als Roman des Ich-Erzählers auf. „2046“ meint kein Jahr, sondern eine Zimmernummer (wiewohl es auch eine Anspielung auf das Jahr 2046 ist, bis zu dem China eine gewisse Eigenständigkeit Hongkongs garantiert).
Aber das ist kein Problem für mich gewesen. Es ist der gesamte Film der mich langweilte und ich war erstmals im Kino fast so weit das ich aufgestanden und rausgegangen wäre. Nach Wong Kar-Weis Verständnis (siehe
FAZ-Interview) ist „2046“ kein Sequel zu „In the Mood of Love“. Damit druckst er sich aber um das eigentliche Problem herum
„
In the Mood of Love“ war die perfekte Umsetzung von Wong Kar-Weis Themen und nicht mehr steigerbar. Und genau daran zerbricht „2046“. Wong Kar-Wei versucht noch eines drauf zu setzen ohne das man aber das Gefühl hat, das es noch etwas zu sagen gibt. Die Bilder die Wong Kar-Wei zeigt, hat man größtenteils bereits gesehen, er wirkt wie ein Zauberer, dem die Tricks ausgegangen sind und daher zwei Stunden lang nur Karnickel aus dem Zylinder holt. Opern- und Rumba/Bossanova-Musik. Zeitlupen-Aufnahmen, die Rückkehr zu der lindgrünen Farbwelt aus „
Days of Being Wild“ (1988, siehe
dogfood), die gleichen Kostüme wie „In the Mood of Love“. Der ganze Film ist ein einziges Selbstzitat.
Wie wenig Wong Kar-Wei zu sagen hatte, konnte man im Film daran ablesen, dass wie zufällig nach anderthalb Stunden sich plötzlich diverse Puzzleteile zusammenfügte, der Protagonist wunderbar inhaltsschwere, existenzialistische Sätze spricht und der Film zum Landeanflug gen Abspann anzusetzen schien, als Wong Kar-Wei plötzlich anfängt nochmal eine „Warteschleife“ zu fliegen und mit Rückblenden und Erinnerungen aufwartet. Einige Episoden bekommen zwar nun eine inhaltliche Klammer, fügen aber dem Film keinerlei „Mehrwert“ zu. Im Gegenteil, der Eindruck der unerträglichen, monotonen Geschwätzigkeit drängt sich auf.
Ich mag Wong Kar-Wei sehr gerne und sein „
Chungking Express“ gehört für mich zu meinen absoluten Favoriten (auch wenn nicht in meiner
Filmliste verewigt und auf dogfood mal nur mit 8 Punkten gewürdigt), sein Video zu DJ Shadows „
Six Days“ gehört zum besten Musikvideo ever (siehe
dogfood, man hört er plant mit DJ Shadow einen Film). Um so größer ist meine Enttäuschung, weil man Angst haben muss, dass ein großartiger Regisseur sich in seine Stilmittel und imaginäre Welt verliebt hat und fortan nur noch Variationen dieses einen Themas dreht.
Die Science-Fiction-Einsprengsel waren inhaltlich nicht sonderlich überzeugend, aber optisch hätte es ein „Befreiungsschlag“ für Wong Kar-Wei sein können. Das deuten zumindest einige der Szenen an. Die Stadtszenerie wirkte faszinierend verwaschen, als ob mehrere Ebenen transluzent übereinandergeblendet wurden. Gleichzeitig bildete die futuristische Skyline im Abspann eine Art Bankrotterklärung. Links prangt dick und fett das „LG“-Logo als (einzige) Leuchtreklame in der Skyline. So etwas bei einem Perfektionisten der Bildersprache wie Wong Kar-Wei zu sehen, tut weh.
„2046“ wäre ein netter Kurzfilm geworden, ist aber kein guter 2h-Film. Ich will den Film nicht völlig madig machen. Wer „In the Mood of Love“ gesehen hat, wird kein Jota Neues entdecken. Wer „In the Mood of Love“ noch nicht gesehen hat, sollte sich das Kinoticket sparen und stattdessen die DVD von „In the Mood of Love“ kaufen. Der Film ist komprimierter und besser auf den Punkt gebracht. In allen Belangen. Damit nur drei von zehn Punkten in
meinem Filmranking (Alle Bilder von der
französischen Website des Films).