Yimou Zhang: Happy Times

Yimou Zhang, ein Name den ich mir nicht merken kann, der aber trotzdem zu meinen Lieblings-Regisseuren geworden ist. Meine erste Begegnung mit seinem Werk war „Die Rote Laterne“ (siehe dogfood, März 2002). Ein leises, aber unheimlich kraftvolles Kammerspiel um die Konkubinen eines reichen Chinesen. Und für ein Kammerspiel ungewöhnlich stark photographiert.
Etwas lärmender war meine zweite Begegnung mit ihm: „Hero“ (siehe dogfood:wortAuf) wirkt wie der staatlich geförderter chinesisiche Gegenentwurf zu „Tiger & Dragon“: eine für teures Geld produzierte chinesische Sage. Auch hier: mit einer Photographie, wer es gesehen hat, wird es nie mehr vergessen.
2002 kam sein nächster Film heraus, mit Spannung erwartet und einige Enttäuschungen hinterlassend: „Happy Times“. Nach dem Aufwand und dem visuellen Orgasmus von „Hero“ hätte jeder Film enttäuscht. Mit „Happy Times“ scheint Yimou Zhang sich bewusst zurückgenommen zu haben und eine unaufdringliche Verfilmung einer kleinen Geschichte gesucht zu haben.
Zhao ist ein Mitvierziger, Single und wurschtelt im Leben irgendwie vor sich hin. Und er sucht eine Frau. Der Film beginnt wie Zhao im Restaurant mit einer beleibten Frau spricht und man schnell übereinkommt, dass man sich nett findet und heiraten sollte. Die Frau klärt ziemlich schnell, dass Zhou für die Hochzeit mindestens 50.000Yuan ausgeben sollte.
Zhou versucht seinen Kumpel anzupumpen. der hat kein Geld, aber eine Idee. Er führt Zhou auf einen Hügel. Zwischen einigen Bäumen und Büschen zeigt er Zhou einen heruntergekommenen Omnibus. Die Idee: der Hügel ist in der Mittagspause ein beliebter Treffpunkt für Liebespaare. Die haben aber keinen Platz um sich zurückzuziehen. Zhou soll den Bus herrichten und als Platz für Liebende vermieten. Gesägt, getun, getan: Zhou pinselt den Bus Pink an und baut karges Möbliar in den Bus hinein. Es scheint zu laufen.
Optimistisch macht sich Zhou zur Frau. Diese durchaus arrogante Frau hat zwei Kinder. Einen dicken und noch arroganteren, verzogenen Jungen, sowie eine Stieftochter, Wu-Ying, vom Ex zurückgelassen. Die Frau hasst das hagere Mädchen. Es sei blind und daher zu nix nutze, liegt nur auf der Tasche.
Zhou will die Frau beeindrucken und erzählt vom „Hotel“, dass er eröffnet hat und nun läuft wie Hulle. Das bringt die Frau auf die Idee: Zhou möge doch die blinde Tochter in seinem Hotel als Angestellte unterbringen. Uhoh, Zhou fürchtet dass Wu-Ying den Schwindel auffliegen lassen könnte, bis er sich besinnt, dass die Tochter blind sei und man ihr einiges vorgaukeln könne...
Er nimmt Wu-Ying mit, lügt das Blaue vom Himmel zurück, doch kaum am Hügel angekommen, muss er feststellen, dass der Omnibus abgeschleppt worden ist. Er fabuliert irgendwas von „plötzlicher Renovierung“. Zurückbringen kann er sie nicht. Zuhause hat die dicke Frau das Zimmer schon längst umgeräumt und ihre Sachen rausgeschmissen. Zhou bringt sie stattdessen in „der Wohnung eines Angestellten“, seinem eigenen kleinen Appartment unter.
Ihm gelingt es die total verschlossene Wu-Ying zu öffnen. Und in dem Maße wie er anfängt zu begreifen, dass die dicke Frau ihn nur ausnutzt, fängt er an die Stieftochter zu mögen. Und so hält er sein Lügengebäude weiter aufrecht. Nicht um an die Stiefmutter ranzukommen, sondern Wu-Ying Freude zu machen. Das geht soweit, dass er als Hotelersatz mit seinen Kumpels anfängt in einer stillgelegten Fabrik ein gefaktes Hotel zu basteln, damit sie dort als Masseuse arbeiten kann. Wu-Ying will unbedingt Geld verdienen um sich ihre Augen operieren zu lassen. In der Fabrik wird alles so hergerichtet, damit es sich wie ein Hotel anfühlt und anhört.
Freunde von Zhou gehen in das Massage-Zimmer rein, lassen sich von Wu-Ying massieren und drücken ihr Trinkgeld in die Hand, dass Zhou vorher zusammengekratzt hat. Als Zhou das Geld ausgeht, drücken sie ihr Papiergeld in die Hand.
Wu-Ying kommt sehr schnell auf den Schwindel. Das Geräusche-Tonband das aussetzt, die fehlenden Decken, das falsch riechende Papiergeld. Sie lächelt und bleibt trotzdem.
Bevor sich die Stiefmutter von Zhou trennt, übergibt sie ihm noch einen Brief des Stiefvaters. Zhou liest Wu-Ying aus dem Brief vor. Der Stiefvater befindet sich in Shengzen, wo er an der Börse Geld verspekuliert hat. Auf die Frage von Wu-Ying ob der Vater irgendwas für sie schreibt, stutzt Zhou, kann auf dem Brief nichts entdecken, aber fabuliert von einer kleinen Randbemerkung, die er aber nicht vorlesen könne, da er seine Brille nicht mit habe. Morgen würde er den Rest vorlesen.
Zhou setzt sich am Abend hin, schreibt den Brief für Wu-Ying weiter, säuft sich wegen der Trennung von der Stiefmutter die Hucke voll und rennt vor einem LKW. Tot.
Seine Freunde bringen den Brief zu Wu-Ying. Diese ist aber weg, hat nur ein Tonband hinterlassen. Sie bedankt sich für das Theater dass Zhou nur ihrentwegen gespielt habe, aber sie habe beschlossen irgendwie nach Shengzen, zum Vater zu fahren. Als Dank hinterlasse sie ihm ihr erstes Tonbandgerät.
Filmende.
Wer eine stringente Geschichte mit Spannungsbogen und Abgeschlossenheit erwartet, wird enttäuscht. Wer sich an die Hand nehmen und durch die artifizielle Handlung führen läßt, fühlt sich wegen der Reinheit der Gefühle und der leisen Melodramatik an Andersen-Märchen erinnert. Es ist einer jener Filme die man nicht zu jeder Tageszeit und in jeder Gemütsverfassung mögen wird. Wenn man sich aber darauf einlassen kann, findet man viel innere Schönheit.
Ich gebe dem Film 8 von 10 Eis am Stiel in meiner Film-Topliste.
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