Website einer Multimedia-Agentur
010407, 13h26 Ein Freund hat mich auf den Relaunch einer Multimedia-Agentur-Website aufmerksam gemacht. Wir haben uns dann im Verlaufe des Tages gegenseitig eMails geschickt und uns vor Lachen nicht mehr halten können.
Diese Site, die ich hier nicht nenne werde (...), vereint alles was mich an Websites aufregt (okay, es fehlt das obligatorische PopUp-Fenster das geübte Surfer wegklicken können, bevor der Werbebanner anfängt zu laden).
Web ist flexibel! Ich kann den Bildschirm in diversen Auflösungen haben, ich kann den Browser auf eine Größe aufziehen die ich bevorzuge (ich habe z.B. immer zwei Fenster offen, die sich überdecken um eine Site zu lesen und die andere zu laden). Befehle wie "please resize Your screen to min 1024x768 for optimal preformance " sind erstens schon 1997 "old school" gewesen und deuten zweitens daraufhin das man den JavaScript-Code irgendwo geklaut hat, oder wieso sollte eine deutsche Multimedia-Agentur 'ne englische Fehlermeldung liefern, wenn sonst der ganze Inhalt deutsch ist? Kompetenz durch Klauen?
Was der User als erstes von der Site bemerkt, ist ein "Hijacking" des Browsers: ein neues Fenster wird aufgemacht, dieses zentriert und auf eine bestimmte Größe gebracht. Eine weitere Firmenphilosophie? "Wir machen's, Sie fressen's"?
Die Gründe für dieses Browser-Hijacking werden einem beim Anblick der Eingangsseite klar. Es ist das Screendesign. Und damit das Screendesign garantiert zentriert im Browser erscheint und des Screendesigners schicker Pulli rechts zu erkennen ist, reicht es der Multimedia-Agentur nicht mit Tabellen oder CSS zu arbeiten, stattdessen setzt man insgesamt 3x3 Frames ein. Man hat es offensichtlich nicht besser gewußt. Die Eingangsseite die das Frameset birgt, ist übrigens die einzige Seite auf der Site die mit Dreamweaver wohl erstellt worden ist. Und wie um mit Kompetenz zu protzen wird auch ein doctype eingesetzt. Es ist aber auch das einzige Mal auf der ganzen Site das man überhaupt doctypes benützt hat. Schade nur das man von drei möglichen HTML 4-Doctypes das falsche genommen hat. Framesets haben das Frameset-DTD zu benützen. Das ist so schwer sich eigentlich nicht zu merken, oder? Und wenn man die Site ordentlich überprüft hätte, wäre es auch aufgefallen.
Das mag daran liegen das auf der restlichen Site Golive 5 angesetzt worden ist, und man wunderbar erkennen kann was passiert wenn man jemanden ohne HTML-KnowHow an einen WYSIWYG-HTML-Editor ransetzt. Wie ein kleines Kind das erstmal tief in den Malkasten greift, wird erstmal gleich in die vollen gegriffen. Alles was man an Grafiken hat, wird nicht etwas mühsam ausgeschnitten und in Tabellen oder sonstigen Conatinern verfrachtet, sondern via DIV -Tag absolut auf der Seite positioniert. Der Kauderwelch der dann im Code jeder Grafik vorangestellt ist, sieht ungefähr so aus:
<div id="bg03" style="position: absolute; z-index: 1; top: 296px; left: 0px; width: 256px; height: 144px; visibility: visible">
Ein Highlight des Web-Verständnis zeigt die Agentur sowohl in der Navigation, als auch beim Screendesigner-Pullover-Bild. Dort, über der linken Schulter ist ein Copyright-Vermerk zu sehen. Text der in der Photoshop-Datei mit dem Screendesigner-Pulli drin ist? Nein, es ist einer der Golive-Floating-Boxes (die die obige, komplexe DIV-Befehle erzeugen). Aha! Eine Floating-Box. Okay, kann man machen, wenn man Systemschrift/Text auf einer Grafik positionieren will. Der Text ist ja schließlich, wie Systemschrift, pixelig, also nicht anti-aliased. Beeep. Falsch. Unsere Freunde von der Agentur haben diesen pixeligen Text als Grafik in einer weiteren Schicht über den Pulli gelegt. Von allen Lösungen ist es die mit dem größten Overhead. Wohl zu lange an der 2Mb/s-Leitung gehängt?
Wie mag wohl diese Agentur, deren Tagessatz irgendwo zwischen 1.000 und 2.000 DM liegen dürfte, die Navigation gelöst haben? So wie die Navigation mit ihrer Systemschrift aussieht, könnte das CSS sein? Beep. Falsch. Gilt es doch immerhin so schwere Dinge zu programmieren wie, oh Schreck, Rollovers und Einblendungen! Die Lösung:
<csscriptdict>
<script><!--
CSInit = new Array;
function CSScriptInit() {
if(typeof(skipPage) != "undefined") { if(skipPage) return; }
...20k weiter unten...
<csaction name="B6EB836564" class="ShowHide" type="onevent" val0="topic04"
val1="0">
<csaction name="B6EB836263" class="ShowHide" type="onevent" val0="topic00"
val1="1">
</csactions>
Lupenreiner Golive-JavaScript-Code. Wenn denn eines von Golive in der Webgemeinde seit mindestens drei Jahren bekannt ist, dann: Benütze nicht den aufgeblähten Golive-JavaScript-Code!
Nun lassen wir uns natürlich nicht durch die Glasperlen blenden. Wir Intellektuellen haben schon immer uns mehr für den Inhalt als für die Form interessiert, selbst wenn Programmierfehler die Benutzung des Kontaktformulars auf dem Mac nicht möglich machen (Wohl nicht getestet was? Wieder nur fünf Tage "Quality-Assurance" veranschlagt?!)
Ähem. Inhalte, ja... zig Angestellte, zig Monate Betaphase, neun Frames. Und 5 Inhaltsseiten.
ob B2B oder B2C: Die Kreation<br> [der Agentur xxx] formuliert die gesamte<br> Kommunikation und macht die drei<br> Erfolgsfaktoren Content, Community und<br> Commerce im eBusiness anfassbar, <br> nachvollziehbar, erlebbar.<br>
Achtung! Buzzwords in Sicht! Schlagwort-Alarm! Die eingestreuten <br> sind übrigens fest einprogrammierte Umbrüche. Flexible, was? Weil wir das Web kennen wie unsere Hosentasche, kennen wir den Unterschied zum Print-Design, oder?
Den Schlußsatz überlasse ich der Agentur. Wie es auf ihrer Karriere-Seite heißt:
Wir erreichen unsere Ziele gemeinsam oder gar nicht.
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