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Cover von Preacher: Book One

Die Serie „Preacher“ ist vermutlich eher durch die inzwischen eingestellte TV-Serie und nicht durch die Comic-Vorlage (1995 – 2000) bekannt, obwohl sie besser sein soll.

Hier geht es um das Trade Paperback der Hefte #1 – #12, dass in „Book One“ zusammengefasst ist und für Amazon Prime-Kunden im Kindle kostenlos lesbar ist.

Die Serie ist nicht spoilerfrei zu erzählen und selbst mit Spoiler derart hanebüchen, dass es verwundert, dass es überhaupt Leute gegeben hat, die 66 Hefte lang durchgehalten haben (Kostprobe: Wikipedia).

Jesse Custer ist der „Preacher“, ein Prediger in einer texanischen Kleinstadt, in den eines Tages plötzlich ein übernatürliches Wesen namens „Genesis“ einfährt, Kind eines Engels und eines Dämons.

Mit der Geburt von Genesis, beschloss Gott den Himmel zu verlassen und sich auf die Erde zurück zu ziehen.

Die Serie ist ein langer Road Movie, der Custer auf der Suche nach Gott quer durch die USA begleitet. Mit dem ersten TBP erfahren wir mehr über Custer und wie er vom Womanizer zum Priester wurde und wer seine Begleiter Tulip und Cassidy sind.

Dieser ganz grobe Plot-Abriss gibt eine grobe Ahnung, wie abgedreht die Stories sind und erahnen, wieviele „WTF“-Momente es in jedem Heft gibt.

Die WTF-Momente werden noch zahlreicher aufgrund zahlreicher ekeliger Charaktere, Plot-Details oder den Zeichnungen von Steve Dillon. Ein Beispiel: einer der Protagonisten ist „Arseface“, dessen Namen daher rührt, dass er beim Versuch dem Selbstmord seines Idol Kurt Cobain nachzueifern, sich mit der Schrotflinte alles aus dem Gesicht wegballert … aber nicht stirbt. Er wird gerettet, aber sein Gesicht besteht nur noch aus zwei Augen und einem Mund, der wie ein gigantischer Anus aussieht.

Beispielseite
Eine Beispielseite für eine lustlos weggezeichnete Laber-Seite. Hintergründe? Fuck off. Die Protagonisten die im Auto einfach dahin gerotzt werden.

Es ist sehr viel, was Ennis und Dillon in den Topf rein schmeißen und dieses Feuerwerk ermüdet auf Zeit. Gleichzeitig gibt es teilweise ewig lange Laberstrecken, die sich wie ein Drehbuch zu einer RTL-Vorabendserie anhören und von Dillon schwach und lustlos weggezeichnet werden.

Dann hat die Serie aber auch wieder Phasen, in der diese Ansammlung von Ekel, Gewalt und Wut ein kohärentes Paket sind und eine ungeheure Wucht entfalten. Der zweite Storybogen des Trade Paperbacks, die Rückkehr von Jesse Custer zu seiner Familie in Louisiana, gehört zu diesen Plots, die wie ein Schlag in der Magengrube sind.

Aber insgesamt schleppt die Serie im ersten TBP zu viel Füllmaterial (die Plotline in Ney York!) mit sich herum.

Inhaltlich ist es einzigartig, aberwitzig und überdreht. Aber auch effektheischerisch. Die Zeichnungen können nicht mithalten. Am Ende ist es nicht meins und daher ist es bei diesem einen TBP geblieben.

3 von 5 Sternen.

Comic: „The Walking Dead: The Alien“

Cover des Comics

„Panel Syndicate“ wurde vor einigen Jahren als ein eBook-Verlag von Comic-Autoren und -Zeichner gegründet. Zwei Besonderheiten zeichnen den Verlag aus. Es gibt keinen Verkaufspreis für die kopierschutzfreien eBooks, sondern eine „Name your price“-Politik – zahle was du willst. Und der Verlag scheint konsequent auf ein displayfreundliches Querformat, statt dem vom Papier gewohnten Hochformat zu setzen.

„The Walking Dead: The Alien“ ist eine Story aus dem Walking Dead-Kosmos, angesiedelt in Barcelona.

Aufwachen in Barcelona

„The Alien“ steht dabei nicht für „Außerirdischer“, sondern für den „Fremden“, Jeff, einen Ex-Studenten aus den USA, der mit Aushilfsjobs durch die Welt tingelt und beim Ausbruch Quarantäne in Barcelona gestrandet ist.

Jeff gerät in Zombie-Kalamitäten ehe ihn die heimische Claudia da raus rettet. Claudia und Jeff beschließen, aus Barcelona zu flüchten.

Aufwachen in Barcelona

Robert Kirkman, Erfinder von „Walking Dead“ sowie die an der Walking Dead-Franchise beteiligten Verlage haben ihr Placet für diese inoffizielle Erweiterung von Walking Dead gegeben.

Es ist von Marcos Marin sehr angenehm gezeichnet. Brian K. Vaughan zieht die Story sehr straight durch (allerdings empfand ich Panel 11 als merkwürdig sexistischen Ausrutscher in einem sonst sehr souveränen Comic).

Marin gibt dem Comic eine gute Textur – sowohl was das katalanische Flair angeht, als auch das schönes Spiel mit Schwarz-Weiß bzw positiven und negativen Flächen. Interessant ist das Layout. Bei manchen Panel-Aufteilungen hatte ich das Gefühl, dass sie im Querformat aufgrund der sehr viel längeren horizontalen Strecken nicht so funktionieren, wie im Hochformat.

Wenn es denn etwas gibt, was man dem Comic ankreiden kann, dann ist es die Atemlosigkeit in Zeichnung und Story. Auf nur 32 Seiten (inkl. Nachwort und Skizzen) bekommt die Atmo wenig Raum zur Entfaltung und entwickelt daher nicht die Wucht, die in ihr drin steckt. Der Comic verkauft sich damit unter Potential. Aber Vaughan und Marin sind in meinem Radar angekommen.

Es ist das was es ist: ein kurzer, höchstprofessioneller One-Shot zu einem Preis, den man selbst wählen kann. Man wird unterhalten, aber der Comic ist zu kurz um einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen.

4 von 5 Sternen.

Comic: “Long Rain”

Cover des Comics

Dies ist ein nur 23 Seiten langer Comic, entstanden nach einer Kurzgeschichte von Ray Bradbury von 1950 „The Long Rain“.

Der Tipp auf den Comic ist über eine Empfehlung von Kieron Gillen reingekommen. Artyom Topilin (T: @artyomtopilin, I: artyomtopilin) ist ein Zeichner u.a. aus dem Superhelden-Umfeld, den ich bislang nicht kannte. Da der Comic auch auf russisch erschienen ist, liegt es nahe, dass Topilin mindestens russischer Abstammung ist.

Das passt auch ganz gut zur Kurzgeschichte von Ray Bradbury, über eine Gruppe von Raumfahrern, die auf einem Planeten gestrandet sind, auf dem es seit tausenden von Jahren ununterbrochen regnet. Die Raumfahrer sind auf der Suche nach einer Basis, wo sie Unterschlupf finden können.

Die Kurzgeschichte hat jene Tonalität, die man auch von etlichen osteuropäischen SF-Filmen kennt: sehr introvertiert, melancholisch, düster und die Grenzen zwischen Realität und Irrsinn sind fließend.

Topilin liefert auf den nur 23 Seiten eine eigenständige Interpretation der Bradbury‘schen Geschichte, die vollends überzeugt – sowohl in der Ästhetik, als auch in der Erfindung des Settings. Der Kurz-Comic kann über Gumroad als eBook (PDF) gekauft werden.

4 von 5 Sternen.

P.S.: Gumroad wird mir als Plattform für Comics immer sympathischer. Nicht dass sie technologisch besonders herausragend wäre. Aber sie erfüllt ihren Zweck u.a. Comic-Zeichner*innen eine Bezahlplattform für verschiedene Formate zu geben: Kurzgeschichten, Skizzen, eigenständiger Vertrieb längerer Comic-Geschichten. Es senkt die Hemmschwelle von „Link im Newsletter“ bis zum Kauf des Comics. Das ist gut. Auch gut: Gumroad gibt die Möglichkeit, über den Mindestpreis hinaus, noch mehr on the top zu bezahlen.

Comics: „Geisha” und „Love Fights“ von Andi Watson

Ich habe keine Ahnung wer Andi Watson ist (Wikipedia). Kieron Gillen hat vor einigen Wochen in seinem Newsletter hingewiesen, das Watson einen Teil seines Back-Catalogues als eBooks auf Gumroad selber vertreibt und Gillen ist geschmackssicher genug, dass man als Neugieriger mal einen Blick darauf werfen sollte.

Geisha (1998)

Cover Kapitel 1 von Geisha

„Geisha“ nimmt als Zutaten einige bekannte SF-Motive um daraus, sowohl inhaltlich, als auch zeichnerisch, etwas eigenes zu schaffen. Geisha ist eine junge Androidin, die von ihrem „Vater“ wie ein normales Mädchen groß gezogen wurde und daher, wie ein normales Mädchen, sehr menschlich wirkt. Geisha will Künstlerin werden. Aber als Androidin wird ihre Kunst nicht für voll genommen. Die Einkommenssituation ist eher karg. Daher arbeitet sie in der Securityfirma ihres Vaters als Bodyguard und soll ein weltbekanntes Mannequin beschützen.

Beispielseite aus Geisha

Die Zeichnungen sind eine Fusion von Asien und Europa. Aus der Manga-Welt erkennt man das dynamische Seitenlayout wieder, so wie einige Tricks, wie eine hohe Zeichengeschwindigkeit erreicht wird: Fokussierung auf Dialoge und Menschen bzw. Gesichter. Hintergründe werden nur sparsam eingestreut. Der Sprung zu einem europäischen Strich geschieht dank der Manga-Zeichensprache, die versucht, sich auf das Essentielle zu konzentrieren, aber von Watson mit Hilfe des Pinsels? Feder? Leben und Individualität eingehaucht bekommt.

Was sich hier schon andeutet, ist eine der Stärken von Andi Watson: trotz der zeichnerischen Reduktion, die Gesichter der Protagonisten sprechen zu lassen.

Dass mich Geisha trotzdem nicht geflasht hat, lag am Setting und der damit verbundenen Erwartungshaltung. So effizient Watsons Strich ist, seine Stories sind eher „geschwätzig“ statt straight und strukturiert. Das SF-Setting wirkt, nicht nur zeichnerisch, wie überflüssiges Beiwerk. Der Konflikt von Geisha als Android, also Kunstmenschen und Geisha als Malerin, also Kunst-Mensch, verliert sich in der allgemeinen Geschwätzigkeit des Comics. Dem Comic wäre nicht sehr viel abgegangen, wenn man ihn in der heutigen Zeit hätte spielen lassen. Diese Beliebigkeit zeigt das Manko des Comics auf.

Geisha von Andi Watson, bei Andicomics/Gumroad als eBook erhältlich (149 Seiten, 1,50 Pfund)

3 von 5 Sternen.


Love Fights (Volume One & Two, 2003)

Cover von „Love Fights (Volume One)“

Und was bei Geisha nicht geklappt hat, hat bei „Love Fights“ auf 328 Seiten wunderbar geklappt. Die Geschwätzigkeit und Unstrukturiertheit ist geblieben. Wir ham‘ auch wieder Science-Fiction. Aber statt der Frage nach Kunst von Kunstmenschen, gibt es eine Romantic Comedy als Screwball-Komödie im Superhelden-Millieu. Hier passt die Tonalität zum Genre.

Es spielt in einer Welt, in der Superhelden zum Alltag gehören, inklusive ihrer medialen Vermarktung in TV, Film und Gossip-Magazinen. Superhelden-Comics sind in dieser Welt Dokumentationen wahrer Begebenheiten.

Jack ist Comic-Zeichner von „The Flamer“, einem zunehmend unhippen Superhelden. Bei einer Zufallsbegegnung verknallt er sich in Nora, Assistentin bei einem Gossip-Blatt. Nora wittert ihre Chance zum beruflichen Aufstieg, als sie an einem Scoop dran ist: der Flamer hat bei einem Seitensprung ein Kind mit Superheldenkräften gezeugt.

Damit ist ein roter Faden vorgeben, der quer durch den Comic Auslöser für eine Zahl von Intrigen und irrwitzigen Zwischenfällen und Beziehungskrisen sorgt, als wäre es eine Hollywood-Komödie von Billy Wilder – mit der gleichen Sogkraft habe ich den Comic verschlungen.

Beispielseite aus Love Fights

Ähnlich wie sich das Storyhandling gegenüber Geisha weiter entwickelt hat, wirken die Zeichnungen von Andi Watson in Love Fights noch mehr auf den Punkt gebracht. Der Strich noch reduzierter. Die Meisterschaft mit einem Minimum an Strichen die unterschiedlichsten Charaktere zu zeichnen, ist großartig. Es ist erstaunlich, wie wenig man braucht, um eine Figur mit Wiedererkennungswert auszustatten. Vor allem im zweiten Band hat sich Watson sowas von eingroovt in seine Figuren, dass seine Zeichnungen nur so vor Selbstsicherheit sprühen. Mimik und Gestik sind auf den Punkt.

Einer etwaigen Monotonie entkommt er durch den Einsatz von drei Grundfarben und unterschiedlichen Texturen bei den Strichen und Flächen.

Die beiden eBooks strotzen nur so Spielfreude. Watson hat Spaß am Sujet und seinen Protagonisten gehabt. Das merkt man den Zeichnungen und der Story an. Dabei ist eine Kreuzung entstanden, die einzigartig ist.

Love Fights von Andi Watson, bei Andicomics/Gumroad als eBook. Zwei Bände (je 164 Seiten). Je Band 1,50 Pfund.

5 von 5 Sternen.

Reading List 2020.01.17

  • WebDev: Promiscuous Cookies and Their Impending Death via the SameSite Policy Troy Hunt, 3.1.2020.

    Der Blogeintrag verdeutlicht vor allem die Komplexität des Themas „Drittpartei-Cookies“, die mit den anstehenden Umstellungen in Chrome eskalieren werden.

    Ich gebe zu, dass ich nicht viel mehr verstanden habe, als ab Februar das Gehör für etwaige Kundenprobleme mit Tracking und anderen Cookies-Nutzungsformen zu sensibilisieren. Der Text von Hunt legt nahe, dass man selber mal einen Tag zum Austesten der unterschiedlichen Szenarien auf einer eigenen Website nutzen sollte.

  • WebDev: Effective Mental Models for Code and Systems, Cindy Sridharan, 30.12.2018

    Sridharan geht einen anderer Weg für eine Art „Clean Code“. Ihr geht es um die Bekämpfung des Erzfeindes von fehlerfreien Code: die Komplexität des Codes.

    Halte deinen Code lesbar und erleichtere dadurch anderen Codern den Einstieg ins Projekt, damit diese ihr mentales Modell der Problemlösung, auf jenen, bereits vorhandenen Code anwenden können.

    Lesbarer Code ist einfach zu Debuggen. Einfach zu debuggender Code ist einfach zu Testen. Einfach zu testender Code ist einfach zu Erweitern. Einfach zu erweiternder Code ist einfach zu unterhalten.

    Sridharan bricht mit dem Uncle Bob‘schen Dogma des Clean Codes, wo es das Paradigma des „sich selbst dokumentierenden Code“ geht, weil es mentale Modelle (das „Warum“) nicht abbildet. Da bin ich bei ihr. Den Weg über Kommentare halte ich aber für unbrauchbar, weil Kommentare schnell veralten, wenn sich der Code verändert.

    Passender finde ich die Vorgehensweise, die ich im Oktober entdeckte: extensives Beschreiben in den Commit-Messages, was wiederum im Coding-Werkzeug der Wahl, über die Annotations einsehbar ist und aufgrund des Commits auch fest in einer Timeline und mit einer konkreten Umsetzung verankert ist.

  • Science/UI: Navy-Schiff-Kollision durch schlechte UI, Twitter-Thread von ProPublica, 28.12.2019

    Anhand zahlreicher Grafiken zeichnet ProPublica nach, wie es 2017 zu einer Schiffskollision kam, bei der zehn Seemänner ums Leben kamen: eine schlechte, missverständliche Benutzeroberfläche der Steuerung, führte dazu, dass keiner mehr wusste, welche der Stationen nun eigentlich Kontrolle über das Ruder hatte.

  • Science: Finding new physics will require a new particle collider, Economist ($?), 2.1.2020

    Artikel über die Ratlosigkeit der Wissenschaftler, in welche Richtung die Elementarteilchen-Forschung gehen soll. Man hoffte nach dem Higgs boson mit dem Genfer Teilchenbeschleuniger LHC weitere fehlende Puzzleteile zu finden. Stattdessen herrscht seit 2012 Stagnation. Damit sind die fehlende Erklärungen für Gravität, Dark Matter, Dark Energy und den geringen Anteil an Anti-Materie inzwischen zu Problemen der etablierten Elementarteilchen-Modelle geworden.

    Man weiß noch nicht einmal, ob das Higgs boson selber ein Elementarteilchen ist oder sich weiter zerlegen kann oder ob das Higgs boson wirklich das vorausberechnete Higgs boson ist oder nur einfach etwas anderes, was nur zufällig die gleiche Masse hat.

    Das ist auch ein finanzielles Problem, weil langsam milliardenschwere Planungen für die nächste Generation der Teilchenbeschleuniger starten muss, aber „die Wissenschaft“ sich nicht auf den nächsten Typen einigen kann.

  • Science: A Burning Nation, Led By Cowards, Angus Hervey, 10.1.2020

    Ein wütendes Pamphlet des australischen Wissenschaft-Journalisten Harvey („Future Crunch“) über die Brände in Australien und der konservativen Regierung um Scott Morrison. Es macht den Disconnect der Klimakatastrophen-Leugner deutlich.

  • Städtebau: Woven City, Toyota’s Prototype City of the Future, Kottke, 9.1.2020

    Toyota hat auf der CES die Vision einer Stadt der Zukunft vorgestellt. Diese Form der Idealisierung lässt mich immer glauben, dass die Planer nicht ernsthaft über „Stadt“ nachdenken, sondern nur ein riesiges Sim City spielen.

    Keiner hat es eilig. Es gibt keine Dienstleister, nur irgendwelche Roboter. Der enorme Flächenbedarf für die drei unterschiedlichen Verkehrsmodi: kein Problem. Lufttaxis und Kurier-Drohnen fliegen mit zirka zehn Km/h durch die Lüfte. Keine Papierkörbe, keine kackenden Hunde. ÖPNV findet in Form von autonomen Autos und Bussen statt – was nicht viel mit den realen Problemen einer Metropole zu tun hat. Stadtentwicklung wird zu einem rein technologischen Problemen und soziologische Probleme klein gehalten – weswegen die Entwicklung auf der grünen Wiese bevorzugt wird, statt sich an real existierenden Städten zu versuchen.

    Es wirkt wie eine Ansammlung von Bullshit-Bingo, wie schon Googles Waterfront-Projekt in Toronto.

  • Kultur: Asimov‘s Empire, Asimov‘s Wall, Alec Nevala-Lee, 7.1.2020

    Und wenn du glaubst, du hättest im Rahmen von #MeToo schon alle Verhaltensstörungen überwiegend männlicher Provenienz, kennengelernt, kommt ein Artikel über Isaac Asimov, der dich in den Browsern brechen lässt. Jener Asimov, der (so meine Erinnerung) komplett keimfreie Bücher schrieb, legte über Jahrzehnten gegenüber Frauen ein Verhalten an den Tag, bei dem man(n) sich fragt, warum er mit so eine Nummer in den 50ern durchgekommen ist und warum erst jetzt darüber geschrieben wird.

  • Business: „10/01/20: Finleap Connect, Finanz Informatik, XPay, FI-TS, Maple Bank“, Finanz-Szene.de, 10.1.2020

    Anlässlich eines kleinen Reigen von IT-Pannen der „Finanz Informatik“ (FI-TS), dem IT-Dienstleister der den Sparkassen nahe steht, schreibt Finanz-Szene: „[Die FI-TS-Kunden sind…] eben doch nicht so eng verbandelt, als dass man sich im Zweifel nicht auch mal nach einem anderen (zumal preiswerteren?) Dienstleister umsehen könnte. Die Wut auf die FI-TS jedenfalls ist groß dieser Tage. Und die Kunden geben sich – was ein Alarmsignal ist – keinerlei Mühe, diese Wut zu verbergen.

    Ohne die Expertise des Branchendienstes anzweifeln zu wollen, aber in meinen Ohren hört sich das nach einem Unterschätzen der Aufwände für eine Migration des Bankensystems an. Z.B. im Falle der Hamburger Sparkasse, die 2019 von einer Eigenentwicklung auf die FI-TS gewechselt ist. Was war dass da noch gleich? Drei Jahre Planung mit zwei Jahren Umsetzung für die Migration, Kosten in dreistelliger Millionenhöhe?

    Wie es halt so bei alten Software-Systemen ist: du schleppst Daten etlicher Jahrzehnte mit dir mit und im Laufe der Zeit geht dir mit jedem verrenteten Mitarbeiter, das Know How flöten.

    Know-How-Management ist eines der grundsätzlichen Probleme unserer Gesellschaft. Keiner dokumentiert gerne. Keiner dokumentiert vollständig. Keiner liest gerne Dokumentation. Keiner geht weitere Wege, wenn er nicht auf Anhieb in der Dokumentation fündig wird.

Comic: „Peter Cannon: Thunderbolt”

Alternativ-Cover des ersten Peter Cannon: Thunderbolt-Heftes
Alternativ-Cover von Peter Cannon: Thunderbolt #1

Peter Cannon: Thunderbolt“ (PC-T) ist eine fünf Hefte umfassende Storyline von Gillen und Wijngaard (Hardcover-TPB erscheint Januar 2020).

Drei Anmerkungen zum Einstieg:

  • Die Storyline funktioniert nur als Ganzes. Es macht keinen Sinn, die Hefte einzeln zu betrachten.
  • Zum Genuss der vollen Dimension (no pun indended) der Storyline sollte man „The Watchmen“ von Alan Moore/Dave Gibbons kennen
  • Man beraubt sich der Hälfte des Spaßes, wenn man nicht die korrekte Anordnung der Doppelseiten hat. In der Comixology-Variante sind die falschen Seitenpaare als Doppelseite zusammengebündelt und man muss sich auf dem iPad mit dem Finger behelfen, um jeweils die richtigen Seitenpaare auf dem Screen zu haben.

Peter Cannon gehörte zum Superhelden-Kanon des Verlages Charlton Comics. Moore/Gibbons wollten 1986 ursprünglich Charlton-Superhelden für DCs „Watchmen“ verwenden. Doch DC, zwischenzeitlich im Besitz der Charlton-Lizenzen, wollte die Figuren nicht dafür freigeben. Moore/Gibbons mussten sich neue Figuren ausdenken und nahm u.a. Peter Cannon als Vorlage für Ozymandias.

Der Ausgangspunkt von PC-T ist eine Übernahme des „Watchmen“-Plots: eine vorgetäuschte Invasion von Außerirdischen. Diese übermächtige Schein-Bedrohung soll die zerstrittene Welt einen und damit für Wohlstand und Frieden sorgen. Cannon erkennt anhand des Studiums von alten Schriftrollen, dass der Drahtzieher niemand anderes als er selbst ist: ein Peter Cannon („Thunderbolt“) in einer Parallelwelt. Cannon geht mit Superhelden-Kollegen auf die Reise durch die Dimensionen.

Ohne „The Watchmen“ zu kennen, bekommt man eine Story, die clever mit Comic-Stereotypen und gestalterischen Formalitäten spielt. Weil Story, Layout, Zeichnung, Kolorierung und Lettering so clever ineinander spielen, bekommt man bereits auf dieser ersten Ebene, ein gutes Paket zusammengeschnürt. Inhaltlich dürften er/sie/es aber ähnlich ratlos davor stehen, wie vor den ersten Bänden von Grant Morrisons „Doom Patrol“.

Beim Versuch sich PC-T anzunähern, passiert schnell das, was im Englischen als „going down the rabbit hole“ bezeichnet wird – man steigt immer tiefer ein, entdeckt immer Neues und sucht nach immer mehr Anspielungen und Metaphern.

Gillen spielt mit dem Medium. Das ist zuvorderst bei den Zeichnungen zu erkennen. Die Grenze zwischen Medium und Leser*in, die Fourth Wall, wird aufgehoben.

Die folgende Doppelseite zeigt wie fünf Superhelden und Cannon am Boden liegen, innerhalb von aufgemalten Bodenmarkierungen, bevor sie die Reise durch die Parallelwelten antreten. Die sechs Superhelden angeordnet wie auf sechs Panels, die wiederum Bestandteil eines Panels werden, welches Thunderbolt um die Ohren fliegt.

Doppelseite von PC-T mit zwei 9-Panel-Raster
Wie PC-T auf einer Doppelseite mit dem 9-Panel-Raster spielt

Die Superkraft mit der Cannon sich und seine Kompagnons durch die unterschiedlichen Parallelwelten bringt, ist der „Formalismus“ (yep, I shit you not). Bei dem Einsatz von „Formalismus“, durchbricht Gillen/Cannon den Comic-Formalismus des strengen Layout-Rasters und wechselt die Zeichenstile.

Eine Doppelseite mit der Reise durch Parallelwelten
Eine Doppelseite mit der Reise durch Parallelwelten. Mit sechs Zellen eines 9-Panel-Rasters durch ein 9-Panel-Raster fliegen

Das strenge Layout-Raster in eines der Erkennungsmerkmale von „The Watchmen“, welches fast komplett in einem 9-Panel-Seitenraster gezeichnet ist.

Eine Doppelseite mit der Reise durch Parallelwelten
Klassisches 9-Panel-Raster von Watchmen

Wo in Watchmen Ozymandias vor einer Monitorwand sitzt, wird in PC-T die Monitorwand selber zum 9-Panel-Raster und es ist Thunderbolt, der dieses Raster durchbricht.

Panel mit Ozymandias vor einer Monitorwand
Ozymandias vor einer Monitorwand
Seite mit Thunderbolt vor einer Monitorwand
Thunderbolt, außerhalb des 9-Panel-Rasters, vor seiner Monitorwand

Man kann es als grundsätzliche Prämisse von PC-T bezeichnen, dem Medium Comic anhand von „ Watchmen“ den Spiegel vor zuhalten – „Watchmen“, im gleichen Jahr wie Frank Millers „The Dark Knight Returns“ erschienen und markiert mit Dark Knight einen Meilenstein in der US-Comic- und Superhelden-Landschaft.

Gillens PC-T zollt Watchmen nicht nur seinen Tribut. Das ganze Spiel mit der Superkraft „Formalismus“ ist auch eine Aufforderung, sich durch Watchmen die nächsten Fesseln auferlegen zu lassen. Und so wechseln sich in der Storyline Anspielungen auf Watchmen mit der bewussten Antithese ab.

Letzte Bildzeile von Watchmen
Letzte Bildzeile in „Watchmen“: „I leave it entirely in your hands…“ sagt der Redakteur zum Verschwörungstheoretiker, der in die Leserpost greift, wo u.a. die explosiven Tagebuchaufzeichnungen von „Rorschach“ liegen
Vorletzte Seite von PC-T
Vorletzte Seite von „Peter Cannon: Thunderbolt“: „I leave it entirely in your hands…“ sagt Cannon nach dem Kuss.

Thunderbolt ist in PC-T zwar eine Variante von Peter Cannon in seiner eigenen Dimension und seine Kleidung erinnert stark an Watchmens Ozymandias. Aber Thunderbolts Palast mit seiner Uhrmechanik-Ästhetik und das Symbol auf seiner Stirn, erinnern eher an Watchmens blauen Dr. Manhattan.

Panel mit Thunderbolt in seinem Palast
Thunderbolt und sein Palast
Panels mit Dr. Manhattans Atom-Symbol auf der Stirn
Dr. Manhattan brennt sich sein „Atom“-Symbol auf die Stirn
Panel mit Dr. Manhattan auf dem Mars
Dr. Manhattans Uhrwerks-Palast auf seinem Mars-Exil

Gillen und Wijngaard übernehmen nicht nur Bildelemente, sondern gleich ganze Bildzitate. Der Rausschmiss von Peter Cannon durch Peter Cannon/Thunderbolt ist eine komprimierte Version der legendären Bildsequenz zu Beginn der Watchmen, als der Watchmen Edward Blake/The Comedian aus seinem Penthouse geschmissen wird und zu Tode stürzt.

Seite in der Peter Cannon von Thunderbolt in die Tiefe geschmissen wird
Der Sturz von Peter Cannon in einer 5-Panel-Sequenz.
”Excess brutality“ von Rorschach
”Excess brutality“ von Rorschach
”Excess brutality“ von Rorschach
”Excess brutality“ von Rorschach
Die drei Panels, verteilt auf einer Seite, mit dem Todessturz von Edward Blake

Etliche Seiten später ist auch das Pendant, die Rückkehr von Peter Cannon, ein Bildzitat. Diesmal sogar mit identischer Panelaufteilung und ähnlichen oder gleichen Panel-Inhalten, wie das Pendant von Watchmen, wo Rorschach in das Appartement von Edward Blake einsteigt, um zu seinem Tod zu ermitteln.

Seite mit der Rückkehr von Peter Cannon in den Palast von Thunderbold
Peter Cannons Rückkehr und die Balance einerseits die Vorlage zu zitieren, andererseits den eigenen Zeichen- und Kolorierungsstil beizubehalten
Rorschach steigt durch das Fenster in das Penthouse von Edwards Blake ein
Gleiche Panelaufteilung 33 Jahre vorher, in Watchmen.

Etwas abstrakter wird die Formsprache von Watchmen Rorschach aufgegriffen – so benannt nach der Maske die er trägt und an den Rorschach-Test erinnert. Gillen/Wijngaard greifen die Formsprache von Rorschach-Muster auf ihrer Art auf…

Panel mit Watchmen Rorschach
Die Muster auf Rorschachs Maske sind stets in Bewegung, bleiben aber symetrisch.
Panel mit den Resten von „The Test“: Blutspritzer angeordnet in einem Rorschach-Muster
Ein Superheld weniger.

Teilweise werden auch nur kleine Handlungsmuster genommen, um an Watchmen zu erinnern, wie z.B. Rorschachs sadistischen Verhörmethoden…

”Excess brutality“ von Rorschach
Rorschach und seine Verhörmethoden zu Beginn von Watchmen
„Excess brutality“ von Thunderbolt
Thunderbolt: „Excess brutality – I invented it“ und schon geht der erste von zehn Fingern dahin.

So kopflastig PC-T konstruiert ist, so kann man sich schon an dem Offensichtlichen ergötzen: das ausgefeilte Layout, die Zeichnungen, die Kolorierung und das Lettering. Die Perfektion und die Sensibilität erschließt sich auch ohne das Wissen um die Meta-Ebene. Aber mit der Meta-Ebene, wird man ein zweites und ein drittes Mal zu PC-T zurückkehren, möglicherweise auch im Doppelpass mit „Watchmen“, um all die Seitenpfade zu entdecken und zu verstehen.
Es ist wieder ein Computerspiel, dass man nach dem ersten Durchspielen, weitere Male spielt, um alle Nebenquests aufzulösen.

4 von 5 Sternen.

Was war. KW#51

Joa. Ich kriege das regelmäßige Blogschreiben immer noch nicht hin. Nun gut. Mein Recap der letzten drei Wochen.

Things I worked on.

Frisch aus dem Urlaub zurückgekehrt, fing es für mich beim Kundenprojekt „t5“ wieder an. Die drei Wochen standen bereits im Zeichen des Jahresabschlusses und des Januars. Es gab viel Stundenzettel-Voodoo, wie er leider bei Konzernen inzwischen usus ist (inkl. Buchungs-Deadline alle Dezember-Stunden bereits Mitte Dezember). Dazu Vorausplanung für den Januar wg. Urlaub des Projektmanagers.

Eine Eigenart des Projektes sind die mitunter frugalen Spezifikationen – ablesbar an Tickets, bei denen ich im ersten Step eine sechszeilige Aufgabenbeschreibung auf über 100 Zeilen aufblähe. Bei Tickets mit größerem Scope, habe ich es mir angewöhnt, erst einmal im Kopf alle Edge Cases durchzuspielen. Und Edge Cases eskalieren schnell, wenn man drei unterschiedliche Breakpoints, Touch- und No-Touch-Devices und unterschiedliche Content-Mengen berücksichtigen muss.


In diesen drei Wochen und jetzt „zwischen den Jahren“ arbeite ich meine Liste an Kunden-Websites ab, in denen ich Adobe Typekit-Webfonts verarbeitet hatte, um sie nun gegen selbstgehostete Fonts zu ersetzen. Sechs Sites sind bereits angepasst. Vier sind noch auf der Liste.

Während ich bei Groteskschriften zahlreiche Alternativ-Fonts habe, ist das Angebot bei Antiquas deutlich dünner. Die Garamond Pro werde ich nicht annähernd nahtlos austauschen können.

Was mich aber beim Schriftenvergleich sehr geflasht hat: das große „W“ der Garamond und seinen überkreuzenden Diagonalen, die es wie zwei große „V“s wirken lassen. Verglichen mit der Darstellung anderer gewöhnlicher Antiquas, ist es eine komplexe Verzierung, die aber trotzdem nicht überladen wirkt. Wie aufwändig diese Form ist, fällt nicht nur im Vergleich zu anderen Antiquas, sondern auch im Vergleich zum kleinen „w“ auf. Das kommt im normalen Schriftschnitt gewöhnlich daher, während es im kursiven Schnitt den Garamond-typischen, schreibschrift-ähnlichen Schwung hat.

Der Buchstabe „W“ in der Garamond

Die Projekte habe ich zum Anlass genommen, mein Frontend-Boilertemplate, mit dem ich Projekte beginne, zu überarbeiten. Grunt habe ich rausgeschmissen und durch npm-Skripts ersetzt. Bei Sass kommt jetzt Dart-Sass zum Einsatz.


Mein drittes Projekt der drei Wochen war eine Website-Aktualisierung beim Projekt „Grün-Blau“. Einmal im Jahr wird eine Art Jahresabschluss-Statistik sowie eine Gebührentafel für das kommende Jahr veröffentlicht. Aus Zeitgründen habe ich hier jegliche Umbauten unterlassen und 1:1 den aus den Vorjahren etablierten Workflow durchgezogen.

Things I did.

Im Haus habe ich mich dieser Tage verstärkt um das Thema Licht gekümmert. Ich habe drei Stehlampen gegen eine Steh- und eine Tischlampe ausgetauscht – ich bin lichtempfindlich und daher immer noch ein sehr großer Freund von indirekter Beleuchtung.

In der Küche habe ich mit einem LED-Strip ein Defizit kompensiert, das seit dem Bau der Einbauküche (also dem Bezug des Hauses) vorhanden war. Eigentlich ist unter den Oberschränken eine LED-Leiste verbaut und es führen auch Stromkabel an den Übergabepunkt. Faktisch funktioniert sie nicht, was ich Trottel erst nach einigen Wochen überprüft habe. Ich hatte keinen Bock auf Schuldzuweisungen zwischen Elektriker und Küchenmonteure. Ich habe den Elektriker in Verdacht, dass er da einige Kabel verwechselt bzw falsch verlegt hat. Hatte ich letztes Jahr, einen Monat nach Bezug, Lust gehabt, mit dem Elektriker zu diskutieren und ggf. eine Wand aufstemmen zu lassen? Nope.

Nun habe ich einen LED-Strip gekauft und unter die Oberschränke geklebt. Im Schlafzimmer habe ich endlich eine brauchbare Nachttischlampe, die weder das ganze Stockwerk taghell illuminiert, noch ein derart funzeliges Licht liefert, dass ich keine Comics lesen kann. Im Wohnzimmer sind zwei sehr fette Stehlampen gegen gegen eine stabähnliche Stehleuchte ersetzt worden, die viel weniger Platz einnimmt.


Anderthalb Tage mit Magenverstimmung krank gewesen. Hat sich nicht schlimm angefühlt, aber dass ich dann in einem Rutsch elf Stunden durchschlief, ist für mich schon ein Zeichen, dass es mich etwas heftiger erwischt hat.


Endlich die Bremsbeläge am Fahrrad ausgetauscht, nachdem die Beläge vorne schon fast komplett ausgelutscht waren.


Unter der Woche einen der letzten sonnigen Nachmittag ausgenutzt und runter an die Elbe gefahren, um von Teufelsbrück gen Sonnenuntergang ins Treppenviertel zu laufen. Der Himmel so klar, dass man den von Fuhlsbüttel nach Süden gestarteten Fliegern minutenlang nachgucken konnte, bis sie nur noch ein Punkt im Himmel waren. Das Treppenviertel und die Haupteinkaufsstraße von Blankenese schon komplett im Weihnachtsmodus.


Es drängt es mich gerade wieder verstärkt in Richtung Zeichnen. Ich habe ja einen Studienabschluss „Illustration“. Nach dem ich aber anfangs meiner beruflichen Laufbahn, Mitte der 90er Jahre, noch viel mit Animation und Phasenzeichnungen zu tun hatte, ist das Zeichnen inzwischen komplett eingeschlafen und verkümmert.

Ich habe wieder verstärkt Lust, mich ans Zeichnen zu setzen. Dabei gab es zu „Black Friday“ noch einmal einen Schub, als das Standard-Programm für Illustratoren und Zeichner, „Clip Studio Paint“ (auch als „Manga Studio“ bekannt) zum halben Preis, für 22 Euro, vertickt wurde.

Ich habe mein altes Wacom-Zeichentablett heraus gekramt und sogar noch einen funktionsfähigen Treiber gefunden (ich fürchte mit Mac OS Catalina nicht mehr kompatibel). Und ich hatte durchaus viel Spaß. Am Bild zu Death Stranding sass ich die Feiertage über, mehrere Stunden.

Ich muss mich erst wieder aufbauen. Das Finden zu seinen eigenen Stilen passiert im Studium erst im Laufe der etlichen Semester und nach dem man 2–3 Jahre mit Aktzeichnungen und Stilleben Routine gewonnen und einiges ausprobiert hat.

Nach 20 Jahren Pause, muss ich mich wieder in das Zeichnen hinein finden. Das Auge trainieren. Den Kopf das Gesehene filtern und interpretieren lassen. Und das in die Hand einfließen und den Zeichenstift übertragen lassen.

Auch wenn du als Zeichner es mit einem flachen Medium zu tun hast, so hast du es doch mit einer Skulptur zu tun. Deine Hand und dein Stift müssen spüren, was du zeichnest, damit es sich auf den Strich oder die Farbfläche überträgt.

Wenn du mit Vorlagen (wie bei „Parasite“ oder „Death Stranding“) arbeitest, zeichnest du nicht einfach die Striche der Vorlage durch. Du lässt den ganzen Film oder den ganzen Norman Reedus einfließen. Der Fusselbart von Reedus ist auf der Vorlage nicht deutlich zu erkennen. Aber weil du Reedus in Aktion gesehen hast, weißt du, dass dieser Bart ein Schlüssel für seine Optik ist. Reedus‘ zärtliches Verhältnis zu seinem BB, wird nicht in der Vorlage erkennbar. Dies sind Projektionen und Interpretationen, die der Zeichner selbst beim einfachen „Durchpausen“ in die Zeichnung einbringen muss.

Auf dem Weg zurück zum Zeichnen muss ich versuchen all dies, was ich in den letzten 20 Jahren verloren habe, wieder zu finden.

Reading List

  • WebDev: Six Web Performance Technologies to Watch in 2020, Simon Hearne – Static Website-Generatoren in unterschiedlichen Ausprägungen, u.a. auch in Verbindung mit Headless CMS, WASM, Edge Compute (Code-Ausführung nicht vom Server oder Client, sondern Netzwerk-Dienstleister der dazwischen sitzt), Observability (mehr und bessere Metriken zur Performance-Messung), Platform improvements (Performance-Optimierungstechniken werden bereits pfannenfertig im Browser eingebaut, zB Lazy Loading), Web monetisation (geschmeidigeres Bezahlen durch standardisierte Web-APIs), Verbesserungen der DSGVO durch clientseitige Implementierungen.
  • WebDev: Tracking HTTP/2 Prioritization Issues – die unterschiedlichen Interpretationen der Priorisierung von Requests im HTTP/2-Standard scheint dermaßen verzwickt zu sein, dass man sich erst mit HTTP/3 Abhilfe erhofft.
  • Comics: Eine 16seitige Comic-Fassung der griechischen Sage „Illias
  • Politik: „PISA results can lead policymakers astray“, Economist vom 5.12.2019 – Schwankungen im PISA-Score sollten Politiker vor voreilige Schlüsse warnen.
  • Politik: „After half a century of success, the Asian tigers must reinvent themselves“, Economist-Special Report vom 5.12.2019 – Die Asian Tigers sind immer noch vom Export abhängig. Schwächen im Service-Bereich. Gleiche Altersprobleme wie Japan, weil ähnlich starke Geburtenrückgänge.
  • Science: “This 3D-printed Stanford bunny also holds the data for its own reproduction” – Wissenschaftler haben die Druckpläne für einen 3D-Objekt in Mikrokapseln integriert, die wiederum Teil der Druckflüssigkeit für den 3D-Printer sind, dass das 3D-Objekt ausdruckt. Man kann also ein Stück des Objektes abknapsen, eine der Mikrokapseln extrahieren und den enthaltenen Druckplan auswerten, um das Objekt „nachzudrucken“.
  • Science: Ein Browser-Spiel, dass die Basics der „Game Theory“ erklärt … und zwar auf eine Art und Weise, die bzgl. ihrer Lehren für das Leben, durchaus frustrierend ist.
  • Economics: „Reality and hype in satellite constellations…“, 12.12.2019, TMF Associates blog – Tim Farrar zerlegt das Geschäftsmodell von Starlink.

Things I watched.

  • YouTube-Kanal: The Modern Rogue – Professioneller YouTube-Kanal aus den USA mit gemischten Themen, die sich am ehesten mit „zwei Buddies probieren Dinge aus“ subsummieren lassen. Wie kann man Schlösser knacken, der Effekt von Miraculin, wie arbeiten Taschendiebe etc…
  • Sport: etliche Championship-Spiele auf Sportdigital angeguckt. Das Streamabo kostet nur 50,– Euro/Jahr und funktioniert live und on demand. DAZN hat inzwischen sein Fußballangebot aus den Sportdigital-Ligen mehr als halbiert (ca. 1–2 Championship-Spiele/Woche, 1x Eredivisie, 1x A-League) – was wiederum das Sportdigital-Stream-Abo lohnenswert macht.
  • Sport: Einige Rugby-Europapokal-Spiele gesehen und sehr von Leinster und Clermont beeindruckt gewesen.

Things I listened to.

1ter Dezember heißt: von jetzt bis Weihnachten landet Soma FMs „Christmas Lounge in die Heavy Rotation.

Comic: „My Heroes have always been Junkies“

Cover „My Heroes have always been Junkies“

Ed Brubaker schreibt seit den 90er Jahren Comics. Nach dem er sich lange Jahre an Superhelden abarbeitete (u.a. bei Marvel für den grandiosen „Winter Soldier“-Zyklus bei Captain America und einem nicht minder grandiosen Daredevil-Zyklus verantwortlich), ist Brubaker seit drei Jahren in einer Position, in der sich auf sein Lieblingsgenre konzentrieren kann: Crime Comics – mehr die Noir-Richtung als „der Plot nimmt eine überraschende Wendung für eine Schlusspointe“.

Die Ich-Erzählerin der Story ist Ellie, roundabout 20 Jahre alt. In der Eingangsszene steht sie am Strand und blickt ins Meer. Auf der letzten Seite werden wir sie wieder gen Meer blickend, sehen. Dazwischen liegt der Plot, erzählt in Rückblenden.

Ellie ist in einer teuren privaten Entziehungsklinik, wo sie im Gesprächskreis einen gleichaltrigen jungen Typen, Skip kennen lernt. Er flirtet, sie flirtet. Nach Einbruch der Dunkelheit klopft Ellie ans Fenster von Skips Klinikzimmer und bietet Menthol-Zigaretten an, geklaut aus dem Zimmer der Anstaltsdirektorin.

Ellies Story wird von weiteren Rückblenden durchbrochen, in der Episoden aus ihrer Kindheit auftauchen. Ellie hat eine brutale Kindheit gehabt: Vater im Gefängnis, Mutter Diebin und drogenabhängig. Mutter stirbt früh und sie wächst bei einem anderen Mann auf.

Drogen sind der rote Faden in Ellies Leben. Es ist nicht so sehr der eigene Drogenkonsum, über den wir nicht viel erfahren, sondern die Prägung durch die Mutter. Die Mutter stirbt zwar früh, aber die Musik ist aus der Zeit übrig geblieben. Für Ellie werden Musik und Drogen eins. Billie Holidays „Carnegie Hall“-Album wecken bei ihr Erinnerungen, wie ihre Mutter dieses Album hört und dabei traurig aus dem Fenster blickt. Holiday, von ihren Dämonen gejagt und an Drogen verreckt – wie ihre Mutter. Als Kind liest sie sich in etliche Drogen-Storys von Musikern ein, will im Joshua Tree Inn mit ihrem Stiefvater in Zimmer #8 schlafen, weil dort Gram Parsons starb.

Die neckische Story zwischen Ellie und Skip besitzt eine unschuldige Leichtigkeit. Doch die Rückblenden aus ihrer Kindheit hängen wie ein schwerer Schatten über Ellie.

Der weitere Plot ist banal. Die Zeichen sind früh zu deuten. Doch die Story des Buchs ist nicht der Plot – sondern Ellie. Es kommt, wie es kommen muss. Doch trotz der Vorhersehbarkeit und der Kürze des Buches (72 Seiten) nimmt einem das Schicksal von Ellie mit. Eigentlich möchte man weiter bei Ellie bleiben.

Der Comic steht auf zwei kraftvollen Säule: die bedrückenden Fetzen aus Ellies Kindheit und die Zeichnungen von Sean Phillips. Sean Phillips zeichnet sehr statisch. Jedes Bild wirkt wie ein Photo. Die Bilder leben durch Komposition – und die Gesichter. Das Mienenspiel überstrahlt alles, inklusive kleinere Unsicherheiten in Gesten und Körperproportionen. Der komplette Comic lässt sich auch ausschließlich anhand der Gesichter erleben – was für eine emotional derart schwere Story eine Kunst ist.

Es muss auch das Coloring von Seans Bruder Jacob erwähnt werden, dass sehr frei neben dem Inking von Sean co-existiert und den Zeichnungen eine weitere Ebene gibt. Mehr über das Coloring von Sean Phillips‘ Zeichnungen gibt es in einem achtminütigen YouTube-Video von „Strip Panel Naked“.

Der Plot wird von Ellies Lebensgeschichte in den Hintergrund gerückt. Wenn man sich darauf einlässt, lässt einem Ellie nicht mehr los. Das dies auf nur 72 Seiten passiert, ist Brubaker und Phillips hoch anzurechnen.

5 von 5 Sternen.

Buch „The Artificial Man and Other Stories“ von Clare Winger Harris

Buchcover „The Artificial Man and Other Stories“
Clare Winger Harris ist die erste weibliche US-SF-Autorin, die unter eigenen Namen veröffentlichte. Alle ihre Kurzgeschichten, zwischen 1926 und 1930 geschrieben, sind in diesem Buch versammelt.

85 Jahre später, wirkt es komisch, was alles als Fortschritt und Erfindungen für die kommenden Jahrhunderte beschrieben worden ist. Obwohl die weltweit erste TV-Station bereits 1928 on air ging, hat Winger Harris keine Ahnung von der schnellen Verbreitung dieses visuellen Massenmediums gehabt. Viele Kommunikationsgebahren in ihren Stories sind stattdessen deutlich vom Rundfunk geprägt. Während Weltraumfahrt bis zum Neptun kein Problem ist, werden Fernsehübertragungen erst im 24ten Jahrhundert erfunden.

Winger Harris scheint auch recht fest von Leben auf dem Mars und der Venus auszugehen – gleich Ausgangspunkt mehrerer Kurzgeschichten.

Der Schreibstil ist dem Zeitalter gemäß, altbacken und distanziert. Die Personen sind unnahbar und schablonenhafte Charaktere.

Die Geschichten haben im Zentrum meistens eine Idee oder ein Gedankenspiel, die mal mehr, mal weniger spannend ausgeführt werden. Es sind teilweise recht abstrakte (oder abstruse?) Ideen, wie die Veränderung des Aggregatzustand des Universums.

Wo es heute noch Berührungspunkte gibt, wird es schnell spannend. Zuvorderst „The Ape Cycle”, das auch als Inspiration für “Planet of the Apes” dienen könnte und genauso wie “Planet of the Apes” auch als Allegorie auf die vergangene Sklavenhaltung verstanden werden könnte – von Winger Harris aber so straight geschrieben, dass ich mir nicht sicher bin, ob ihr diese Doppeldeutigkeit auch bewusst war. “The Ape Cycle” verstärkte daher den Eindruck, dass man bei den Kurzstories gar nicht erst nach weiteren Deutungsebenen zu suchen braucht – es gibt schlichtweg keine.

In “The Miracle of the Lily” münden die Themen Ökologie und intensive Landwirtschaft für die Fleischproduktion in einen großen Krieg zwischen der Menschheit und den Insekten.

Doch selbst bei noch heute modernen Themen, wirkt die Ausführung der Stories 85 Jahre später, sehr altmodisch und überraschungsfrei. Was am Ende übrig bleibt, ist mit den Augen der Science-Fiction Ende der 20er Jahre auf die heutige Zeit zu schauen und zu merken wie weit wir gekommen – oder nicht gekommen sind.

Ich gehe erst einmal Wasserflaschen kaufen, um für den großen H2O-Diebstahls des ausgetrockneten Mars‘ gerüstet zu sein.

Zwei von fünf Sternen.

People who have learned to answer email on Sunday evenings also need to learn how to go to the movies on Monday afternoons.

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