[20h46] Sport -- Erst wurde der grauhaarige, wuschelige Trainer gefeuert, dem wir den besten Fußball 2002 zu verdanken hatte. Am Wochenende verließ uns einer der ganz wenigen Sympathen auf den Trainerstuhl, und heute abend melden die Ticker den Abgang von
Gerhard Berger als Motorensportdirektor bei BMW.
Man mag über den Fahrer Berger halten was man mag, als Motorensportchef war er mit Sicherheit das Beste und witzigste was der F1 in den letzten Jahren passiert ist (Montoya natürlich ausgenommen).
Der Rücktritt wurde nun gerade mal einige wenige Tage vor der Saisoneröffnung in Melbourne bekanntgegeben. Große Frage: gibt es einen Zusammenhang mit den bescheidenen Tests die BMW hingelegt hat? Gerade Berger hat vor einigen Tagen recht unverhohlen Williams dafür kritisiert, dass BMW wieder einen guten Motor geliefert hat, aber Williams wieder das Chassis versaut hat. Es sieht für BMW (und damit für Montoya) wohl wirklich nicht gut aus.
Desweiteren stellt sich dann die Frage: Quo vadis? Wird BMW Williams aufkaufen, oder in Eigenregie einen Rennstall aus den Boden stampfen?
Immerhin geht nun endlich die F1 wieder los, und die sowohl end- als auch fruchtlosen Diskussionen über das neue Reglement, haben ein Ende. Das spekulative Wehklagen ob der vermeidlichen Entwertung des Qualifyings (durch Doppelveranstaltung und Tankverbot bis zum Rennsonntag) ist dabei mit Sicherheit eine der hohlsten Nebeneffekte der Diskussionen gewesen. Offen gesagt: mir geht das Qualifying aber derartig am Hintern vorbei, wenn dafür im Gegenzug die Rennen aufgejazzt werden...
Ferrari wird wahrscheinlich weiterhin dominieren, dafür ist "das Paket", wie wie Experten sagen, "das Paket" einfach zu gut. An Nummer zwei werden sich der Permanenz-Joviale Norbert Haug und der an Freud'schen Komplexen leidende Ron Dennis setzen. Mit einigen Abstand dann erst BMW und Renault.
[15h06] Web -- Es wird Zeit für eine
gepflegte Hinrichtung. Die neue
Macromedia-Site ist ein wunderbares Beispiel dafür wie tief die Eimer sein können in denen man nach Scheiße greift. Und Macromedia hat mit der neuen Site ganz tief in den Kothaufen gegriffen.
Nur um es richtig einzuordnen: Macromedia provides the industry-leading software that empowers developers and designers to create and deliver those effective, compelling, and memorable experiences to customers, partners, and employees -- on the Internet, on fixed media, on wireless, and on digital devices. Was uns Macromedia mit diesem, für Internet-Zwecke recht langen und holprigen Satz sagen will: Macromedia sind die Media-Bescheidwisser.
Klopfen wir die Realität ab. Bereits vor etwas mehr als einem Monat sollte die Beta-Version der Site online gehen, aber der Test wurde in allerletzter Minute abgeblasen. Nun präsentiert sich die neue Site. Quicke Feststellung: es handelt sich dabei um ein nicht-validierendes Codemonster, dass langsam lädt und zudem derzeit, glaubt man den letzten Zahlen, bei knapp 40% aller Mac-Usern nicht korrekt angezeigt wird, weil man anscheinend nicht gegen Konqueror und Safari getestet hat.
Was kommt das für ein bescheidener Qualitätsanspruch zu Tage? Was sagt uns das über die eingesetzte Software? Über die Art und Weise wie Macromedia seine Kunden behandelt?
Nehmen wir eine Seite heraus, z.B. die textlastige
"Company"-Seite. Selbst bei einer derartigen simplen Seite schludert Macromedia ohne Ende.
Die Seite validiert nicht, von DOCTYPEs hält Macromedia nicht viel, aber dafür wird BODY mit "Leftmargin" und artverwandten Attributen vollgepustet. Nicht nur dass diese Attribute inzwischen sich gut mit CSS ersetzen lassen (Ausnahme NN4.x), sie sind bei dem Layout auch gar nicht notwendig, da es nach allen Seiten hin hinreichend Rand gibt.
Dafür ballert Macromedia die Seite voll mit kleinen HTML-Bugs um den User in Grund und Boden zu tracken. Alleine auf der Company-Seite zähle ich drei solcher 1 Pixel großer "Bugs".
Konzeptionell muss sich Macromedia fragen lassen, was man sich bei der Navigation gedacht hat. Die Hauptnavigation oben sind in Form von zwei Image-Maps ausgeführt. Kann man so machen, muss man nicht, denn Macromedia könnte in seinen eigenen Usability-Material nachlesen, dass der User bei Rollover gerne ein optisches Feedback hätte, was so bei Image-Maps nur sehr aufwändig herzustellen ist.
Wenn Hauptnavigation als Image-Maps, was reitet dann einen, eine Subnavigation als Flash anzubieten, die funktionell nichts anderes macht als Rollover anzubieten? Warum nimmt man die Nachteile in Sachen Accessibility, Usability und Performance in Kauf, nur um die Subnavigation dynamisch
aus einer Textdatei zu generieren. Stellen Dreamweaver und Coldfusion keine anderen, verträglicheren Mechanismen zur Verfügung?
Codetechnisch macht auf der Seite vieles keinen Sinn. Beispiel: Einige, aber nicht alle Tags sind in der XHTML-Sytax mit angehängten Slash ausgeführt. Wohlgemerkt: viele, aber nicht alle LINK-Tags. Viele, aber nicht alle BR-Tags. Viele, aber nicht alle IMG-Tags.
Die Diskussion über semantischer Auszeichnung ist an Macromedia offensichtlich spurlos vorbeigeweht, wie sonst noch die Verwendung des B
-Tags statt des STRONG
-Elementes erklären? Dabei hat Dreamweaver sogar eine Voreinstellung die explizit die Verwendung von STRONG
bzw. EM
statt B
und I
bevorzugt (Preferences
> General
)
Dass auf der Seite in einem IMG-Element ein ALT-Attribut fehlt, ist eine Petitesse. Betrachtet man allerdings sich die ALT-Attribute näher, stellt sich einem die Frage, ob Macromedia den Zweck dieses Attributes wirklich verstanden hat? Einige Spacer-GIFs haben ein Leerzeichen im ALT-Attribut. Blinde bekommen also permanent "SPACE" um die Ohren gerufen. Ein anderer Spacer ist mit "Icon or Spacer" ausgezeichnet. Eine horizontale Linie wird mit ALT="____________"
versehen. Beim Blinden kommt also "underscore underscore underscore underscore" an.
Grundsätzlich darf auch gesagt werden: Tabellen alleine aus Layout-Gründen noch vier Ebenen tief zu verschachteln (wenn ich es richtig gezählt habe), ist weitaus weniger progressiv als Macromedia den Anschein geben möchte.
Nächster Halt: die
"Products"-Seite mit dem Namen "Software". Hola, hier haben wir einen progressiven XHTML1.0 Transitional Doctype (leider aber nicht mit der aktuellsten URI...). Aber gleichzeitig ein Haufen veralteter bzw. laut Doctype nicht erlaubter Elemente und Attribute. Hier wird anscheinend weit weniger Sorgfalt angelegt, als bei den Favicons die auf jeder Seite sicherheitshalber gleich zweimal eingebaut werden.
Übrigens sind die Seiten von Macromedia mit Hilfe von Dreamweaver-Templates aufgebaut. Die Templates sind ebenfalls auf der Site, z.B. das
Haupttemplate. Insbesondere das Zusammenspiel zwischen Templates und Server-side Includes scheint mir nicht ganz uninteressant zu sein.
Das verwendete CSS ist Geschmackssache. Gerade bei so einer großen Site würde ich davon abraten die Stylesheets mit derartig vielen Hacks für IE5/Mac anzuhäufen und derartig ein pixelgenaues Layout zu produzieren.
Der im übrigen im CSS häufig anzutreffende Name "Dylan" oder "Dylan 65" ist der Macromedia-interne Arbeitstitel der neuen Site gewesen.
Zur "Experience" der Site, die wir bei aller Code-Korinthenkackerei nicht vergessen wollen.
Ich mag keine Site, deren Homepage trotz ADSL mich erstmal mit zirka fünf Ladebalken begrüßt. Nur damit einige Sekunden später inhaltsleere Kinder mich anglotzen. Das ist "Brochureware" in Reinkultur. Ich finde zudem das Layout zu komplex: ein hochklappbarer Newsticker, eine runterklappbare Sitemap, ein hochklappbarer Imageteaser, drei herunterklappbare Navigationselemente (Produkte, Solutions, Site of the Day) und ein aufklappbarer Soundmanager. Das erinnert mich an die Attitüde vieler NewMedia-Agenturen, die weniger ein stringentes Design und Konzept hinlegen, sondern erst einmal all ihre Spielsachen ausbreiten müssen.
Leider sind die Elemente alle kaum mit erklärenden Tooltipps versehen.
Meine ersten Eindrücke unterfüttern auch meine Bedenken die ich gegen zu dynamische Sites habe: die Ladezeiten. Beim Klick auf die "Sitemap" (den kleinen, namenlosen Pfeil oben links) hat es handgestoppte vierzehn Sekunden gedauert, bis sich die neue Textnavigation aufgebaut hat. Weitere Navigationspunkte haben jeweils drei Sekunden zum Neuaufbau und Anzeige gebraucht.
Mangelnde Stringenz. An jeder Ecke wartet ein neues Navigationselement. Gab es noch auf der Homepage handgemacht Flash-Pulldown-Menüs, erwarten einen auf der
DesDev-Homepage mit CSS aufgepeppte HTML-FORM-PullDowns die zudem völlig unüblich nicht mit bei Auswahl auf eine neue Seite springen, sondern den expliziten Klick auf einen Grafikbutton erwarten.
Das Warten auf eine der neuen "
Rich Internet Applications" wie z.B. für die "
Membership" dauert satte 31 Sekunden bis zur Anzeige der ersten Formularfelder. Wohlgemerkt: mit ADSL-Leitung von 2MBit!
Jerry Knight, einer der Designer von Macromedia.com, argumentiert pro "
Rich Internet Application": "
Often times, the "page paradigm" of today's web is inappropriate for the tasks it supports. As an alternative to current web applications, Rich Internet Applications offer the ease of use more typical of a desktop application." (
DesDev-Bereich). Gegenfrage: man betrachte sich die
Membership-Application, und sage mir bitte wo dort konzeptionell NICHT weiterhin auf die Page-Metapher zurückgegriffen wird? Nur weil wir jetzt den ganzen Krempel in eine Flash-Anwendung packen, heißt es noch lange nicht, das wir uns von der Page-Metapher entfernen!
Apropos: mir erschliesst sich auch nicht, warum mir auf einer HTML-Seite mit Scrollbalken eine Flash-Anwendung angezeigt wird, die ihren gesamten Content ihrerseits mit einem Flash-Scrollbalken scrollbar macht. Soviel also zum Abschied der Page-Metapher: Scrollbalken-Orgie.
Es lassen sich zahlreiche weitere Probleme finden. Hauptproblem: Speed, Speed, Speed. Die Geschwindigkeit ist auf der gesamten Site, also leider auch in dem Bereich den man zur schnellen Informationsbesorgung braucht, dem Support-Bereich, u-n-e-r-t-r-ä-g-l-i-c-h. Im
Support-Bereich verwirrt man den User durch mit Zahlen durchnummerierte Bereiche die eine Reihenfolge nahelegen ("Erstens", "Zweitens"), aber nicht Alternativen kennzeichnen ("Entweder diesen oder diesen Bereich wählen"),
Zusammenfassend: die Site ist eine Katastrophe. Alle Fehler die NewMedia-Agenturen in den letzten Jahren gemacht haben, haben bei Macromedia.com eine neue Heimat gefunden. Alle Bemühungen sich z.B. durch den Einkauf von Jakob Nielsen ein besseres Usability-Image zuzulegen, wurden um Jahrhunderte zurückgeworfen. Ich bin ziemlich entsetzt...
[12h31] Irak -- Wenn ich es heute morgen, etwas schlaftrunken noch, richtig mitbekommen habe, könnten die Würfel im UN-Sicherheitsrat inzwischen gefallen sein. Der
Canard Enchainé, ein investigatives Satire-Wochenblatt, soll gemeldet haben, das Villepin in parteiinternen Kreisen schon angekündigt hat, kein Veto ziehen zu wollen.
Die USA ziehen, lt. Canard Enchainé nur so mit den Dollarscheinen um die Häuser. Ägypten soll auf die 3 Milliarden US$ Kredite und Entwicklungshilfe einen Bonus von einer weiteren Milliarde bekommen, um in Arabien PR-Arbeit zu leisten. Regierungszeitschriften in Ägypten sind bereits in den letzten Tagen in ihren Leitartikeln umgeschwenkt. Jordanien soll eine Milliarde US$ Militärhilfe gegen Durchflug und -fahrt-Erlaubnis bekommen.
Die drei afrikanischen Mitglieder des Sicherheitsrates Angola, Guinea und Kamerun, haben inzwischen Besuch vom reichen Onkel bekommen. Angola wird mit dem Versprechen geködert, dass US-Mineralölkonzerne in naher Zukunft massiv in Angola investieren wollen.
Auf dem Treffen der Franko-afrikanischen Länder letzte Woche in Paris, sollen die Delegationschefs von Angola, Guinea und Kamerun nur Minuten nach französischen Gesprächen lange Telefonanrufe von Rummsfeld und Rice bekommen haben.
Mexiko wird als zu abhängig von US-amerikanischen Im- und Exporten eingeschätzt um sich wirklich gegen die USA zu stellen. Chile wurden Subventionen und Zollvergünstigungen versprochen. Pakistan soll bei wohlfeilen Verhalten ein hübsches Sümmchen Militärhilfe bekommen, andernfalls haben die USA angekündigt den Erzfeind Indien bevorzugt behandeln zu wollen.
Unterdessen
meldet die BBC dass sich der
Vatikan vehement gegen die Kriegspläne wehrt und möglicherweise der
Papst einen überraschenden Auftritt vor der UNO plant.
Russland wiederum streut
lt. BBC interessante Signale. Für mich liegt die eigentliche Sensation nicht darin dass Russland lt. einem Statement des Außenministers Ivanov
eventuell Veto einlegen will. Für mich liegt die Überraschung darin dass Russland
eine Stimmenthaltung ausschließt ("
Abstaining is not a position Russia can take, we have to take a clear position and we are for a political solution").