Ich nehme mir vor die Kathedrale von St. Denis zu besuchen. Ich bin überrascht wie voll die Metro nach Norden Richtung Vorstadt ist. Anscheinend ist die Universität von St.Denis, Endhaltestelle der Métro, recht groß. Eine Station vorher steige ich aus. Es ist gegen elf und ElvisKoyak sollte nun im Büro sein, kleine Webarbeiten für mich getätigt haben. Ich rufe ihn sicherheitshalber an. Erstens kommt es anders als man zweitens denkt:
Le Job.
Süd-Ansicht von St.Denis, 17.Jh
Wenn man aus der Métro aussteigt, befindet man sich in einem kleinen, kuscheligen Einkaufszentrum, dass aus vielen kleinen 3-4stöckigen, ockerfarbenen Flachbauten besteht. Man folgt der Beschilderung, geht durch einen schmalen Gang und biegt am Rathaus um die Ecke. Man blickt nun auf einen großen Platz. Von vorne kommt eine mäßig stark befahrene Straße die nach rechts abbiegt. Links steht dann die Kathedrale. Links neben der Kathedrale sind einige Bäume und ein Zaun. Hier geht es zu einem kleinen Park.
Kathedrale von St.Denis
Links ist das Rathaus zu sehen. Rechts von der Kathedrale ist ein
angeschlossenes Kloster.Die Asymetrie der Kathedrale erklärt
sich aus Zerstörungen und nur teilweise erfolgten Wiederaufbau.
Während ich per Handy mit ElvisKoyak telefoniere, kommen endlos viele Schulklassen vorbei. Keine der Klassen geht wirklich in die Kathedrale rein. Einige warten vor dem Zaun, andere gehen in den Park. Die ganze Szenerie ist eine angenehm unaufgeregte Lebendigkeit. Nur 3-5km von der Stadtgrenze von Paris entfernt, ist hier nichts von Millionenmetropole zu spüren.
Seit dem ich vor einigen Monaten die letzten Minuten eines ARTE-Themenabends über Kathedralen gesehen habe, faszinieren mich diese Bauten. St.Denis ist noch um einiges spannender, denn ein historisch zentraler Ort für Frankreich.
Die Geschichte beginnt eigentlich schon mit der Namensnennung "Saint Denis", der erste Bischof von Paris, Denis (bzw. Denys, Dionysius) starb 258 als Märtyrer. Angeblich ist er Opfer der Christenverfolgung des römischen Kaisers Valerian gewesen. Er soll auf den Hügeln von Montmatre geköpft worden sein. Der Enthauptete schleppte sich, mit seinem Kopf in den Händen, bis an einen Ort außerhalb von Paris.
In Violett der aktuelle Grundriss
der Kathedrale. Von oben nach unten:
Kapelle zum 4te Jh.,
5-7tes Jh. Anbau Merowinger Zeit
8tes Jh. Karolinger Basilika,
Überbau über die Gräber
Dies trug zur Mythenbildung bei. An dem Ort wurde ein vermeidliches Grab gebaut und es wurde zur Wallfahrtsstätte. Schließlich wurde im 7ten Jh. mit Geldern von König Dagobert I. an der Stelle ein Benediktiner-Kloster gegründet. Um das Kloster herum wächst nicht nur schnell eine Stadt. Die Bedeutung von St.Denis nimmt zu. Mit dem Begräbnis von Dagobert I. (639) wird eine lange Tradition von franz. Königen die sich hier begraben lassen, angefangen. St.Denis besitzt Reliquien von Märtyrern und viele, viele Königsgrabmäler.
Der wichtigste Mann für die Kathedrale von St.Denis ist der Abt Suger gewesen. Suger wuchs bei den Mönchen der Abtei St.Denis auf, kletterte die Kirchen-Hierarchie rauf, bis er 1122 zum Abt von St.Denis gewählt wurde. Sugar war beseelt von der Idee einer starken, zentralen Macht in dem kleinteiligen, feudalen Frankreich. Der König sollte durch ein Zusammengehen mit der Kirche gestärkt werden. Er sah in einem Ausbau der Grabstätte der Könige von St.Denis zu einer prachtvollen Kathedrale das Mittel dazu.
Günstig für diese Idee wirkte sich auch aus das Suger ein Jugendfreund des König Ludwig VI. war. Zwei Jahre später kam es zum ersten Testfall für das Zusammengehen zwischen König und Kirche. Heinrich V besetzte französischen Grund. Ludwig VI ritt mit dem neuen Wappen der Lilie zum Schauplatz. Auf dem Weg dorthin, konnte er nicht zuletzt dank des diplomatischen Könnens von Suger so viele Adlige versammeln, das Heinrich V. sich kampflos zurückzog.
In Violett der aktuelle Grundriss
der Kathedrale. Von oben nach unten:
Stand nach dem Ausbau durch Suger 1144
Stand 1281.
Nach dem Tod von Ludwig VI, 1137, und der abgekühlten Beziehung zu Ludwig VII., konzentrierte sich Suger auf den Ausbau. Drei lang wurde die große Frontfassade im Westen gebaut, 1140-1144 schließlich der Chor "hinten". Die Kathedrale gilt als erstes Meisterwerk der Gotik. und Sugar wird für einige wesentliche Merkmale verantwortlich gemacht. Der massive Einsatz von Glasmalereien, insbesondere Rosettenfenstern. Die Verwendung von Pfeilern und Kreuzrippengewölbe die erstmals die Aushöhlung von einst massiven Mauern ermöglichte. Die Kathedrale konnte dadurch nicht nur höher gebaut werden, es war auch luftiger und es konnten wesentlich größere Fenster eingesetzt werden. Die Bevölkerung war völlig perplex angesichts des lichtdurchfluteten Innenraums.
Nach Sugers Tod 1151 ruhten die Arbeiten. Erst 1231 wurden sie durch Pierre de Montreuil wieder aufgenommen. Die Neuerungen basieren auf Sugers bau, aber die Architektur wird mit den Errungenschaften der Hochgotik verfeinert. Der gesamte Bau gewinnt an Höhe.
Das Modell veranschaulicht die zentrale Bedeutung der Kathedrale und des Klosters für die Stadt.
Wenn man von außen die Kirche betrachtet, fällt einem auf dass die Außenwände auf Bodenhöhe, warum auch immer, schmutziger, ja teilweise schon schwarz gefärbt sind.
Man tritt durch massive, hohe Holztüren die unglaubliches Schnitzwerk zeigen.
Eingangstür der Kathedrale
Nicht jeder Bereich der Kathedrale ist frei zugänglich. vom Haupteingang aus, kann man ein Stück den Flügeln links und rechts hinuntergehen, ehe man auf einen Zaun stößt. In der Mitte kann man das Kirchenschiff bis zum Altar betreten, ehe man dort auf Mauern und Zäune stößt.
Auf der linken Seite, der Nordseite, sind einige kleine Zimmer und Kammern angebracht. Stille Gebetsräume, aber auch Glasvitrinen mit königlichen Insignien.
Königliche Insignien in dunkler Kammer. Zepter, Krone,
auf ca. 2,5m langen Umhang mit Lilien und Hermelinfell.
Wer mehr sehen will, muss einen kleinen Ausgang zur Südseite, also "rechts" nehmen, zur so genannten "Nekropole" gehen. Dort entrichten man einen Obulus von 5 Euro und paar zerquetschte, und hat dann Zugang zu den abgesperrten Bereichen der Kathedrale. Man kommt also in die Krypta, in das nördliche Querschiff und dem Chorgang. Das sind die Bereiche in denen die ganzen königlichen Gräber liegen. Eine Tradition die mit Dagobert I., 639, begann, und abgesehen von einigen Ausnahmen bis ins 18te Jahrhundert reinreichte. Immer wieder gab es Zerstörungen und Grabschändungen, z.B. durch die französische Revolution. Und immer wieder gab es den Wiederaufbau bzw. Restaurierung. Die Grabmäler reichen also über eine Spanne von mehr als tausend Jahre.
Oben rechts, Hunde vor den Füßen der Königin.
Ein immer wiederkehrendes Motiv bei den königlichen Totenfiguren, ich glaube aber ausschließlich bei den Königinnen, ist der Hund. Der Hund hatte zweierlei Bedeutung. Zum einen sein Charakter als steter Begleiter der mindestens so fidel wie auch treu zu seinem Herr steht. Secundo: Der Hund als Begleiter und Führer durch das Totenreich. Der Hund spielte bereits früh in der Menschheitsgeschichte im Zusammenhang mit dem Tod und Totenkult eine wichtige Rolle. Siehe ägyptische Götter mit Hundegesichter, die Bewachung des Hades durch Orthus und Ceberus.
Alles da: Hunde, Engel, Vorleser...
Es lohnt sich die Führungen um 11 und 15h30 mitzumachen, vorausgesetzt man versteht französisch. Der Führer erklärt dabei einem nicht die gesamte Nekropole, sondern konzentriert sich auf eine Epoche, auf ein Dutzend Gräbern, erzählt aber um so ausführlichere Geschichten, die die komplexen Machtstrukturen und damalige Ränkespiele verdeutlichen.
Bertrand de Guesclin. Die Figur entstand wohl erst um 1400.
Bertrand de Guesclin (1320-1380) wurde von der französischen Geschichtsschreibung zum Held gemacht. Er ist eine der wenigen nicht-königlichen Personen die in der Kathedrale ihre letzte Ruhe fanden. Karl V ("Karl, der Weise") belohnte damit seine Treue zu einem Zeitpunkt als zu Beginn des 100jährigen Krieges (Krieg Frankreich-England um die Nachfolge der franz. Krone, 1337-1453) der französische Adel und die Fürsten jeder seine eigene Suppe köchelte und sich nicht durch einen König gängeln lassen wollte.
Tatsächlich ist aber Bertrand de Guesclin nicht unumstritten. Die neuere Geschichtsbeschreibung beschreibt ihn als kleinen, hässlichen Zwerg, der ziemlich unfähig war. Das was ihm als heroische Schlachten zugewiesen wurde, waren Massaker, bzw. wurde ihm durch zusätzliche Truppen aus der Patsche geholfen. Anstatt in Spanien Heinrich von Trastamara zu helfen, bevorzugte es Guesclin mit einer Truppe von Söldnern plündernderweise durch Spanien zu ziehen.
In der gleichen Ecke, leider nicht von mir photographiert: Karl VI., auch Karl, der Verrückte genannt, samt Gemahlin. Auch er mit einem ihm treu ergebenen Ritter. Auch hier wusste der Führer eine adäquate Geschichte zu erzählen.
Karl VI wurde bereits im Alter von 11 Jahren zum König gekrönt (1380), blieb aber bis zum Alter von 20 unter den Fuchteln seiner Onkel und Berater.
Karl VI wurde der Verrückte genannt, weil er immer wieder Phase des Wahnsinns hatte. Die Gründe sind nicht ganz klar. Altgediente Geschichtsschreiber wissen von einer fiebrigen Erkrankung im Sommer 1392 nach deren er eine seiner Wahnsinnsanfällen bekommen hat. Es sollen im Laufe seiner Regentschaft 44 Anfälle mit einer Dauer von drei bis neun Monate und einer ebenso langen Periode der Normalität gewesen sein. Es gibt aber auch eine andere Version wie es zum Wahnsinn gekommen ist. Bei einer großen Feier soll Karl beim Tanzen versehentlich seine Kleidung in Brand gesetzt haben und nur knapp dem Tod entronnen sein.
Oben: Pippin (welcher auch immer), unten: Berthe
Die Ära der Pippins war roundabout 8-9. Jh., die Figuren
entsandten aber vermutlich später.
Er hatte definitv kein leichtes Leben. Sein Sohn, Karl VII (1403-1461), sagte sich früh von ihm los und war bekannt als Herrscher der vor keinem Mord zurückschreckte. Umgekehrt genoss die Frau von Karl VI, Isabella von Bayern (Elisabeth von Bayern), einen sehr schlechten Ruf. Ihr wird bis heute mehr oder weniger Staatsverrat vorgeworfen. Sie beeinflusste ihren vom Wahnsinn geschwächten Ehemann das Abkommen von Troyes (1420) zu unterschreiben, welches dazu führte dass nicht sein Sohn, Karl der VII, sondern ausgerechnet der Engländer Heinrich V zum französischen Thronnachfolger wurde. Nach dem Tod von Karl, dem Verrückten, führte das zu einer Nord-Süd-Spaltung Frankreichs. Der Norden blieb loyal zu Heinrich V., während die Ländereien südlich der Loire treu zu Karl VII. hielten.
Ferner wird Isabella der Hurerei beschuldigt, Verhältnisse zum Schwiegerbruder Herzog von Orléans und Johannes, der Furchtlose.
Auch hier: neuere Geschichtsschreibung pflegt differenzierter vorzugehen. Der Vertrag von Troyes erklärt sich aus der Zwangslage von Isabella. Sollte sie ernsthaft ihren Sohn, Karl VII, zum Nachfolger machen, obwohl er meuchelte was das Zeug hielt (er verbündete sich mit dem Herzog von Burgund, um ihn bei der Unterschrift des Paktes im eigenen Schloss zu ermorden) und nicht davor zurückschreckte Isabella ins Gefängnis zu stecken? Dann schon lieber mit dem Besatzer Heinrich V.
Was die Liebschaften von Isabella angeht: sie wurden häufig kolportiert, aber nie bewiesen. Selbst wenn, es wäre verständlich gewesen, denn es kam immer wieder vor, dass ihr Ehemann sie im Laufe seiner Anfälle nicht wieder erkannte.
Alles ganz spannend, und es ist der Verdienst des Führers diesen Ausschnitt der franz. Geschichte derart packend und detailliert rübergebracht zu haben.
Grabmal von Francois I. und Claude de France
Das Grabmal von Francois I (Francis I, Franz I, Francois d'Angouleme, 1494-1547) und Claude de France (1499-1524) stellt die Abkehr von den bis dato vorherrschenden "Gisants" dar, den liegenden, weißen Grabfiguren auf schwarzem Marmor. Philibert Delorme und Pierre Bontemps entwarfen nach Form eines Triumphbogens eine neue Form des Grabmals. Delorme lebte in Rom und als er 1547 zum königlichen Architekten ernannt wurde, brachte er von neuem italienischen Einfluss in die franz. Architektur ein.
Der Grundaufbau ist neu: eine Art verziertes Todesbett mit König und Königin. Auf dem Dach schließlich die heraufgewanderten Seelen von beiden, kniend zum Gebet. Der Stil des Grabmals ist deutlich von der Renaissance geprägt. Damals eine kleine Sensation, werden König und Königin halbnackt und mit teilweise schmerzverzerrten, ausgemergelten Gesicht gezeigt. Einzug der Natürlichkeit und des Realismus.
Nahansicht von Claude de France, mit entblößter Brust.
Es ist nicht das einzige Grabmal in dieser, aufwändigen Manier. Francois I veranlasste, dass für seinen Vorgänger, den enorm populären Ludwig XII und Anne de Bretagne ein ähnliches Grabmal gebaut wird. Das Gesicht des liegenden Ludwig XII deutlich vom Schmerz und Alter gezeichnet. Auf dem Dach hingegen, ein junger Ludwig XII, kniend betend. Ein Zeichen dass der König im Himmel aufgenommen wurde, die Wiederauferstehung.
Das Grabmal ist, logischerweise, vor dem Grabmal von Francois I. entstanden und stammt noch nicht von Delorme, aber von florentinischen Bildhauern, daher der noch stärkere italienische Einfluss.
Grabmal von Ludwig XII (1462-1515) und Anne de Bretagne (1477-1514)
Mein Lieblingsengel. Komplett verschrobenes Gesicht.
Im Chor, dass ist sozusagen die runde "Hinterseite" im erhöhten Erdgeschoß, sind neben prunkvollen Glasmalereien auch einige Reliquienschreine. Vom Querschiff muss man nicht die Treppe hoch zum Chor nehmen. Man kann auch eine Etage tiefer in den Keller, in die Krypta gehen. Die Krypta ist, wenn man so will, das Fundament der Kathedrale. Hier sind noch Überreste der Karolingerkirche die hier an dieser Stelle 775 geweiht wurde. Hier unten findet man aber nicht nur ganz alte Spuren. Abt Suger ließ die Krypta im 12 Jh. erweitern. Hier ließen sich auch die Könige der jüngeren Vergangenheit begraben, namentlich die Könige aus dem Bourbonen-Geschlecht bis zur franz. Revolution: Ludwig XVI mit seiner Marie Antoinette oder Ludwig XVIII. Es sind auch Denkmäler für Könige wie Ludwig XIV vorhanden, die sich woanders begraben ließen.
Statuen von Ludwig XVI und Marie-Antoinette
angefertigt von i.A. Ludwig XIII
Nach drei Stunden verlasse ich, reichlich geschichtsbesoffen, die Kathedrale. Nein, jetzt nicht einfach den schnellsten Weg zur nächsten Métrostation nehmen. Im Appartement habe ich mir auf der Karte einen Weg ausgeguckt um Richtung Westen eine der zahlreichen Biegungen und Wendungen der Seine zu überqueren und in Gennevilliers die Métro zu nehmen.
Die Vorstädte von Paris genießen keinen guten Ruf. St.Denis ist im Zentrum allerdings keine dieser Trabantenstädte, sondern eine uralte Stadt am Rande von Paris. Entsprechend besitzen die Straßen und Plätze nicht die Berechenbarkeit eines Architekten-Reißbrettes. Es gibt Richtung RER-Bahnhof eine lange Fußgängerzone in der allerdings nahezu alle Läden geschlossen haben. Anhand der etwas verfallenen Fußgängerzone ist es nicht abzuschätzen, ob soviele Läden dicht gemacht haben, oder schlichtweg geschlossen hatten weil es Montag war. Der Anteil der Schwarzen ist sehr viel höher als im durchschnittlichen Paris, vergleichbar allenfalls mit dem 20ten Arrondissement.
Am Ende der Fußgängerzone ist ein größerer Platz. Man geht weiter gerade aus, hat den Bahnhof fest im Visier. Die Schienen der Straßenbahnlinie 1 schwenken auf die Strecke ein. Zweihundert Meter vor dem Bahnhof eine einfache Endhaltestelle mit einer Weiche davor und zwei Gleisen.
Hools in Kirchen
Vor dem Bahnhof tummeln sich viele ältere Nordafrikaner, es tost das Leben, kleine und große Imbissstände, verschiedenen Gerüche, man läuft Slalom zwischen die Araber durch. Dann die lange, hell gekachelte Tunnelröhre unter den zig Eisenbahngleisen durch. Zwei fette Straßen direkt am Seineufer werden überquert, dann die Brücke über die Seine genommen, und schon ist man auf einer kleinen Insel, der Ile St.Denis. 500m breit, aber 3-4km lang.
Zuerst macht alles einen aparten Eindruck, mit Hochhäusern aus den Sechzigern, die aber einen gepflegten Eindruck machen, mit kleinen, alten Häusern dazwischen. Alles ist verwinkelt, aber nicht unniedlich. Die Menschen auf der Straße sind aber mit einem Schlag sehr viel jünger. Aus Autos und Häuserfenstern klingt HipHop. Eher die Gangsta-Rap-Vaeriante eines NTM oder Joey Starr. Wenn man sich die Fußgänger anschaut, fragt man sich ob es denn überhaupt noch welche gibt, die in dem Viertel die Schule besuchen Jeder zweite Passant dürfte ein Schulschwänzer oder Schulabbrecher sein. Wenn man nach Süden abbiegt um die Insel längs zu gehen, ändern sich die Häuser. Es wird ärmlicher, verfallener, teilweise verlassen, teilweise zugemauert um Hausbesetzungen zu vermeiden. Daran schließt sich furchtbarstes Industriegebiet an. Direkt am Ufer der Seine. LKW-Fahrschule, Betonfabrik oder auch völlig verlassene aber halbwegs moderne Flachdachbauten. Eine Gegend die schon längst nicht mehr von Fußgängern belebt wird. Die Sonne brennt, es ist staubig, der Weg nervt.
Ich komme ans Ende der Insel und gehe über eine Brücke Richtung Westen. Ich gehe eine lange Straße runter an der mich noch mehr Gewerbegebiete erwarten. Software, Arzneimittel, Werkstätten. Irgendwo müsste ich eigentlich links abbiegen. Aber ich begehe den Fehler den Straßenschildern mehr zu trauen und folge lieber den Schildern Richtung "Centre" von Gennevilliers. Graue Straße, grauer Bürgersteig, links und rechts graue Betonmauern oder dunkelgrüne Maschendrahtzäune. Ab und zu irrerweise kleine, alte Wohnhäuser. Im Erdgeschoß Restaurants drin, die für 8,- EUR komplette Menüs anbieten und jetzt, gegen drei, völlig leer sind.
Ein Linienbus fährt vorbei, Richtung S-Bahnhof Gennevilliers. In der Ferne, vor der Eisenbahnbrücke biegt er rechts ab. Zehn Minuten später komme ich an die Brücke, aber weit und breit kein Stadtzentrum, geschweige denn Metro zu sehen.
Ich gehe weiter geradeaus, nehme aber nicht die Hauptstraße, sondern eine kleine Wohnstraße die parallel zu verlaufen scheint.
Kleine, leicht verfallene Einfamilienhäuser aus den Vierzigern oder Fünfzigern. Irgendein weißer Pinscher schläft zwischen Fenster und Gitter auf dem Fenstersims. Voraus eine Park- und Sportanlage. Am Horizont sind auch alte, hohe Häuser zu erkennen. Das riecht wesentlich eher nach Stadtzentrum und Métro.
"Espress yourself", nicht unoriginelle Kampagne
von Lavazza (Espresso).
Interessant das Sternchen hinter der Headline.
Unten ist klein die franz.Übersetzung zu lesen.
Zwar gab es seit Jahren ein Gesetz daß eigentlich
eine franz. Zwangsübersetzung vorsah, aber mir fällt
es erst dieses Jahr auf, dass dieses auch wirklich auf
vielen Plakaten durchgeführt wird.
Hinter dem Park eine sehr große Straßenkreuzung mit Straßen gen Paris. Busse fahren stattdessen in eine kleine Straße rein. Ich folge den Bussen und bin zehn Minuten später am Rathaus von Gennevilliers. Ein sehr großes, modernes Rathaus, mit Konzertsaal und Bibliothek. Sehr viele Menschen, eine große Bushaltestelle. Nur von einer Métro keine Spur. Endlich ist aber ein Umgebungsplan zu sehen. Ich muss nur noch die etwas größere Straße gen Süden runtergehen, und wäre dann bald an der Endhaltestelle der Métro.
Links und rechts ziehen sich zuerst Trabantenhäuser hoch, aus den Sechzigern und Siebzigern. Sichtbar ist aber das Bemühen, diese angenehm zu gestalten. Frische Farbe, Umbaumaßnahmen, sehr, sehr viel Grün. Dann kommen wieder die typischen, kleinen 1-2Familienhäuser, grau in grau. Farbe die von den Fensterläden abblättert. Viele kleine Bistros und Imbisse. Es wird wieder arabischer. Immer mehr arabische Imbisse, eine Reihe von kleinen Reiseunternehmen die günstig Busreisen nach Marokko und Mekka anbieten. Es kommen Araber entgegen, die große blau oder rot karierte Kunststofftaschen geschultert haben, ausgebeult, weil vollgepackt. Solche gefüllten Taschen stapeln sich auch in den Reisebüros. Und mit einem Schlag bin ich in einem Busbahnhof und an der Endhaltestelle der 13.