dogfood März 2003 [3/Paris]

Diese dogfood-Seite ist etwas anders als gewöhnlich aufgebaut und enthält alle Anmerkungen und Photos zur meiner Paris-Reise zwischen dem 18.3. und 29.3. Im oberen Part sind Bemerkungen in zeitlicher Reihenfolge (anders als sonst in dogfood diesmal chronologisch von oben nach unten). Im unteren Part gibt es sozusagen thematisch geordnete Bemerkungen auf die größtenteils vom oberen Part verlinkt wird (um diesen nicht ausarten zu lassen).
Nahezu alle Links auf Straßennamen, bzw. die im derzeitigen Layout gepunkteten Links, gehen zu den "Gelben Seiten" von Paris, die in einem Pilotprojekt derzeit dabei sind, alle Häuser Paris ab zu photographieren. Wer daher wissen will wie eine Straße aussieht, kann spaßeshalber mal den Straßennamen eingeben. Alle diese Photos unterstehen natürlich dem Copyright von Page Jaunes, egal ob ich normal verlinkt habe, oder teilweise per "deep Link" eingebunden habe: http://www.pagesjaunes.fr/

Dienstag, 18. März 2003

[abends] Abreise aus Hamburg. Diesmal alles zu schnell gegangen, später wird mir auffallen was ich alles in Hamburg vergessen habe. Am schlimmsten: das Ladegerät fürs Handy. Ankunft in Paris, wie erwartet streiken die S-Bahnen. Irgendwann komme ich auch in Paris an. Begrüßung meines Onkels, Essen, Schlafen.

Mittwoch, 19. März 2003

[vormittags] Erste Orientierung in der Stadt. Besuch von "FNAC digitale", der neuen, auf Computer und Handy spezialisierten FNAC-Filiale am 75, Boulevard St.Germain (Univiertel, Stadtmitte, linke Seine-Seite). Ladegerät für mein Handy nicht vorhanden. Stattdessen ein in Deutschland indiziertes Mac-Computerspiel gekauft. Verdammt, die dunkelhaarige Kassierin lächelt ebenso hübsch wie sie aussieht.
Auch wenn es noch keine "Apple Stores" in Europa gibt, der Mac-Bereich von FNAC digitale dürfte nicht all zu weit von den Vorstellungen von Steve Jobs entfernt sein. Das 23"-Cinema Display ist ein Monster-Teil. Wie erst das 30-Zoll-Display aussehen soll, über das spekuliert wird... Es gibt auch so etwas wie eine Genius-Bar. Der Verkäufer am runden Tresen in der Mitte, beantwortet zumindest geduldig Fragen über Software-Probleme, selbst von Leuten die nichts kaufen. Dazu eine große Leinwand und abgetrennte Beratungstische...
Ich gehe anschließend quer durch die Stadt, um mir die Öffnungszeiten der "Banque der France" (Stadtmitte, rechte Seine-Seite) für den Euro-Umtausch aufzuschreiben.
An der hiesigen Polizeiwache kommen mir entgegen: 2 Fußgängerstreifen, 1 Staffel Polizisten auf Mountainbikes, 1 Staffel Polizisten auf Rollerblades. Kickboard-Streifen habe ich noch keine gesehen.

Neue Logos bei der France Telecom.
Rechts Mitte das alte Logo,
Rechts Unten das neue in Farbe.
Die France Telecom hat das neue Logo welches sie seit drei Jahren besitzt, nun auch flächendeckend an seine Telefonzellen gepappt.
[mittags] Ritueller Besuch des großen Supermarktes in der Nähe des Appartements. Ich falle auf die Knie, küsse Schränke, Regale und Tiefkühltruhen ab. Nicht minder rituell: als erstes werden Rilletes, Baguettes und eine Tiefkühl-Quiche-Lorraine gekauft.
An der Kasse ganz links in der Reihe der ungefähr fünfzehn Kassen, sitzt eine junge Frau, Asiatin mit Pagen-Kopf. Hyperfreundlich, nett lächelnd. Ich kann mich nicht entscheiden ob ich sie oder die Verkäuferin bei FNAC Digitale heiraten möchte. Was spricht eigentlich gegen Polygamie?

Donnerstag, 20. März 2003

[morgens] Die durch reichlich Tee am Vorabend gefüllte Blase treibt mich um kurz nach sechs aufs Klo. Auf dem Rückweg schleiche ich in die Küche um kurz bei France-Info reinzuhören. Es ist so gekommen wie es zu ahnen war: der Irak-Krieg hat angefangen. Es ist nicht nur, aber auch ein Medienkrieg.
[vormittags] Zur Banque de France gegangen um endlich die alten Francs meiner Mutter umzutauschen. Dann durch das Textilviertel gelaufen um in der Nähe des Gare du Nord in den Elektro-Läden ein Handy-Ladegerät zu besorgen: Vom Euro zum Handy.

Freitag, 21. März 2003

[mittags] Das Radio ist voll von Nachrichten über den Irak-Krieg, der Abriegelung der US-Botschaft in Paris, und der gestrigen Demo davor. Die Neugier treibt mich dorthin, zur hermetischen Garage.
[nachmittags] Vom abgeriegelten Viertel rund um die Botschaft und dem Élysée geht es eine Straße weiter. Die Rue du Faubourg St. Honoré steht für das steinreiche 8te Arrondissement. Die Straße besteht aus einer Abfolge von extrem teuren Hotels, extrem lächerlichen, weil kitschigen Galerien und extrem "luftigen" Boutiquen. Hänge drei Stofffetzen auf, und du kannst dich Boutique nennen. Lass deinen Sohn eine Obstschale malen, nenne dich Galerie.
Es geht aber schnurstracks auf Ternes zu, um Geld in der dortigen FNAC-Filiale in DVD zu investieren. Zwei Stunden später, inzwischen schwer beladen, breche ich wg. Erschöpfung die Stöberei bei den US-Importen beim Buchstaben M ab. Das Zahlen mit einer Kreditkarte lindert den Schmerz, weil man nicht den Haufen Geldscheine sieht, der nun quasi virtuell über den Tisch wandert. Und das Umrechnen in DM will ich mir auch nicht antun. Nicht wirklich.

Samstag, 22. März 2003

[vormittags] Gegen zehn fahren mein Onkel und ich zu meinen Großeltern los. Es verspricht ein sonniges und warmes Wochenende zu werden, entsprechend sind die Bundesstraßen und mautlosen Autobahnteilstücke dicht. Mein Onkel beschließt daher, statt wie üblich über die RN 6, über die neue Autobahn zu fahren. Das ungefähr siebzig Kilometer lange Teilstück kostet knapp 5,- EUR. Entlang der Autobahn gibt es sogar einen eigenen Radiosender "Autoroute Info", der für alle Autobahnen dieser Betreibergesellschaft denselben 08/15-Musikmix aus Pop und Chanson serviert. Alle Viertelstunde Verkehrsinfo, dazwischen eingestreut 90sekündige Wortbeiträge z.B. über den geplanten Ausbau der Autobahn im Osten von Paris.
[nachmittags] Nach dem Mittagsessen gehe ich auf mein Zimmer rauf, schaue mir die DVD mit der Ali-Doku an. Gegen drei gehe ich runter in das Wohnzimmer, das, wie alle Zimmer im Erdgeschoß, viel zu stark beheizt ist. Na ja, sie frieren halt leicht, die Neunzigjährigen.
Kurioserweise wird auf keinem einzigen franz. Sender, nicht mal im Kabel, der Radklassiker Mailand-San Remo gezeigt. Das eigentlich auf Radsport spezialisierte Öffentlich-Rechtliche France2 überträgt dagegen zwei Rugby-Spiele des Sechs-Nationen-Turniers. Während das zweite Spiel, England-Schottland, sich nach Halbzeit schnell zu einem einseitigen Langweiler entwickelt, konnten im ersten Spiel die Waliser mit dem Titelanwärter Irland gut mithalten. In den letzten Spielminuten viel Drama, als die Waliser einige gute Chancen zur Führung hatten (Spielstand: 21:22), diese aber durch eigene Fehler vergaben. Dann in der vierminütigen Nachspielzeit nach zwei Minuten ein gewagter Drop-Kick zur 24:22-Führung. Doch die Irländer konnten sich nach dem Anstoß den Ball nicht nur sichern, sondern auch nach vorne treiben und konnten binnen Minutenfrist ihrerseits mit einem Drop-Kick antworten: 24:25.

Sonntag, 23. März 2003

[nachmittags] Zu Beginn des Nachmittages gehe ich zum Grab meiner Mutter. Es liegt aber nicht nur am Grab, weswegen ein Besuch bei meinen Großeltern immer ein Sinnieren über nichts geringeres als den Sinn des Lebens mit sich bringt.
Danach gab es im Fernsehen wieder Rugby, Italien-Frankreich, eine recht langweilige Partie weswegen ich schnell wieder Raum auf mein Zimmer gehe.
[abends] Wir essen gegen sieben. Tante Mimi bekommt Anrufe von ihren Kindern, von Alex die alleine südlich von Bordeaux im großen Haus sitzt und sich mal wieder irgendwas verrenkt hat. Später ruft Nico an, der vom Haus unterwegs auf der Autobahn nach Paris ist, Richtung Wohnung, wo er kurz nach Mitternacht eintreffen wird.
Es gibt Radieschen, anschließend mit Fleisch gefüllte Tomaten, Salat, Käse, Obst.
Gegen halb neun fahren wir los. Großmutter Nanou ist wg. dem Abschied mal wieder den Tränen nahe. Bei all der geistigen Verwirrtheit die sie zeitigt, so ist sie sich doch bewusst dass jeder Abschied, zumindest von mir, der so weit weg wohnt, angesichts ihres Alters der letzte sein kann.
Der Renault Clio setzt aus der Garageneinfahrt zurück, wendet in den Feldweg hinein, ehe es auf die Landstraße geht. Es ist zappenduster. Die Hauptstraße wird überquert, das Dorf wird verlassen. Zum Glück kann hier France-Info empfangen werden, und deren Irak-Berichterstattung ist heute abend abwechslungsreich. So entgehe ich dem Schicksal anderthalb Stunden Schmalzmusik von Cherie FM zu hören. Mit aufgeblendeten Fernscheinwerfern und achtzig Sachen geht es die kleine Landstraße runter. Die Straße ist kaum breiter als das Auto, aber mein Onkel scheint jede Kurve aus dem Effeff zu kennen. Wir biegen auf eine etwas größere Landstraße ein. Rechts ist 300m entfernt ein vorbeifahrender TGV mit Doppelstock-Waggons zu sehen. Die Autobahn wird unterquert. Zwei Kreuzungen weiter stoßen wir bei Pont-sur-Yonne auf die RN6 Richtung Paris. Die Autos fahren teilweise zweispurig mit hundert Meter Abstand wie ein Treck gen Hauptstadt. Das Wochenende ist zu Ende. Hinter Fontainbleau nimmt der Verkehr zu, als es dann auf die Autobahn A6 geht, ist spätestens bei den Einfädelungen der Autobahn von Orly Ende mit dem fließenden Verkehr. Aber es geht noch einigermaßen vorwärts. Nach knapp anderthalb Stunden sind wir wieder in Paris.

Montag, 24. März 2003

Kathedrale von Saint Denis
Kathedrale von Saint Denis,
gilt als erstes Meisterwerk der Gotik
[vormittags] Ich fahre nach Norden raus um die Kathedrale von St.Denis zu besuchen. Vor Eintritt in die Kathedrale gibt es ein kleines Intermezzo mit dem Handy mit ElvisKoyak, der in meiner Abwesenheit einen klitzekleinen Job machen sollte. Dummerweise scheint es dabei zu Schwierigkeiten zu kommen.
Der Besuch dauert nicht nur länger als ich dachte, beim Herumflanieren, versäume ich eine Abbiegung nach links um laufe so einen Riesenumweg um zur Métrostation zu kommen.
Ich fahre mit der Métro zu FNAC Ternes um das Stöbern beim US-Regal ab Buchstabe M wieder fortzusetzen. Ich, oder besser gesagt, mein Konto, kommt glimpflich davon. Auf dem Weg zum Arc de Triomphe rufe ich nochmals ElvisKoyak an um wg. dem Job zu beratschlagen. Alles sehr merkwürdig. Wir wissen nicht was da los ist, hoffen nur dass da ein Server-Cache spinnt.

Dienstag, 25. März 2003

[vormittags] Der Morgen beginnt schlecht, weil das Display meines Handy einen Anruf einer Kundin meldet. Damit setzt sich die gestrige Geschichte mit den Problemen einer Website fort. Mehr in Le Job.
Da ich schon durch die Suche nach einem Internet-Anschluß zum Jardin de Luxembourg gespült worden bin, klappere ich einige Läden dort ab. "Arkham Comics" und dann in der Rue Dante "Album DVD". Kai setzt seinen DVD-Großeinkauf fort.
[nachmittags] Auf der Rückfahrt von meinen DVD-Gelagen fiel mir ein, dass ich am letzten Donnerstag beim Umsteigen im Gare de Montparnasse was gesehen hatte: ein "Hochgeschwindigkeits-Laufband". Leider am Donnerstag wg. Bauarbeiten geschlossen. Aber heute vielleicht... Um es vorwegzunehmen: ja, es lief: Speed.

In der Nähe meines Cousins ist die "Rue des
Thermopyles", ein kleines Gässchen wie es früher
typisch für Paris war.
[abends] Am Abend haben ich und mein Onkel meinen jüngsten Cousin, Nico, besucht. Habe ihn seit zwei Jahren nicht mehr gesehen.
Er ist knapp unter dreißig und arbeitet in einer Telekommunikationsfirma. Er war früher als Kind, der jüngste von drei, der leiseste, der schüchternste. Selbst später, beim Abitur, wusste er nicht so richtig was er mal später machen wollte, hing viel rum und ist eher per Zufall in die Richtung Elektrotechnik geraten. Mit der Zeit hat er nicht nur Gefallen daran gefunden. Er ist auch derjenige von uns allen der inzwischen das gefestigste Leben führt, der am ehesten weiß was er will.
Er ist auch angenehm "anders" als seine beiden Geschwister, die man im weitesten Sinne des Wortes als "wertkonversativ" bezeichnen könnte. Hört Metal und Alternative, reist im Urlaub durch Indien und Nepal, ist kulturell interessiert.
Er wohnte vorher in einer Vorstadt im Norden, wo er aber sehr schnell wieder wegwollte, weil es eine üble Ansammlung von Dealern und Protestuierte war... So ist er hier gelandet, ungefähr auf halben Wege zwischen meinem Onkel und dem Gare Montparnasse, in einer kleinen Seitenstraße des 14ten, umgeben von kleinen Restaurants, Läden etc...
Man geht durch die Haustür, durchs Treppenhaus durch, in den überraschend grünen Hinterhof, wo es der erste Aufgang rechts ist und dort die erste Tür rechts. Als wir in die Wohnung kommen, schlägt einem merkwürdiger Geruch entgegen. Entweder er ist kein großer Fan der Durchlüftung, oder aber er hat erst Minuten vorher Dope geraucht.
Die Wohnung, besser, das Zimmer, ist klein: 25qm, inkl. Wohnküche. Der Preis wäre okay für Pariser Verhältnisse: 600,- EUR. Das ist mehr als ich für meine 55qm in Hamburg zahle, in ungefähr artverwandter Lage.
Die Rede kommt schnell auf Wohnungen. Mein Onkel sagt, dass er für sein Appartement mehr als 500.000,- EUR gezahlt hätte, ca. 90qm in guter Lage, frisch nach Neubau gekauft. Wow. Eine Million DM. Eine unvorstellbare Summe für mich.
Wir gehen bei einem Araber in der Nähe essen, wir nehmen alle jeweils ein Couscous. Es wird viel über Arbeit und Computer gefachsimpelt. An einem Punkt fängt mein Onkel an zu erzählen, welchen Fehler man bei seinem Verhältnis zur Arbeit nicht machen sollte. Mich macht die bemerkung ziemlich betroffen, denn sie macht deutlich dass sie von jemanden kommt, für den das Arbeitsleben in einigen Monaten zu Ende ist.
Wir drei am Tisch haben gemein, dass sich vieles in unserem Leben über die Arbeit definiert. Und für meinen Onkel verschwindet dieser Nukleus des Alltags. Ein Alltag der bei uns dreien davon bestimmt ist entweder Projekt xyz weiter zu bringen, oder innerhalb unseres Jobs "aufzusteigen" (in meinem Fall so was wie Kundenakquise oder Artikel-schreiben). Weg. Nada, nichts mehr. Kein Ziel mehr.
Graffiti von Miss.Tic
In jener "Rue des Thermopyles" befinden sich "Graffiti" von Miss.Tic,
bekannt just für diese Schablonen-Sprayerei
"Ich mag dich, Zeit"
Graffiti von Miss.Tic
"Die vergangenen Gefühle"
(bin mir nicht sicher ob die Übersetzung richtig ist)
Graffiti von Miss.Tic
"Das was mich von mir entfernt, unterscheidet mich von anderen"

Mittwoch, 26. März 2003

[vormittags] Warum auch immer, die Prämisse meines heutigen Spazierganges ist ein Park im 13ten gewesen, der "Square René Le Gall". Dort habe ich mich hingesetzt und am Laptop geschrieben, was die Akkus hergaben. Nach knapp zwei Stunden bin ich weitergegangen.

Nahe des Parks: Wohnen wie bei Playmobil
[nachmittags] Wieder habe ich mich verlaufen und habe eine falsche Abzweigung genommen. Folge: ich bin mehr oder weniger die ganze Zeit den Boulevard d'Hôpital runtermarschiert, an den Unis für Medizin und Wirtschaft vorbeigelaufen, geradezu auf den Gare d'Austerlitz. Dort durch den eher hässlichen Jardin des Plantes gelaufen und querfeldein durch das 5te Arrondissement auf den Comicladen Album zu, wo ich meinen letzten Großeinkauf getätigt habe.
Postkarten gekauft, Métro gefahren, wie es der Zufall wollte musste ich wieder Montparnasse umsteigen und das schnelle Laufband nehmen, hehehe.
[abends] Postkarten schreiben. Sehr clever: alle benötigten Postkarten auf einmal kaufen und schreiben. So kann man alle Postkarten in einem Rutsch durchschreiben. Nicht dass sie alle identisch wären, aber die Basis ist die gleiche und jede(r) bekommt etwas anderes ausführlicher ausgesponnen. Und wenn das Wetter nicht wäre, man wüsste ja gar nicht was man über den Urlaub schreiben sollte...

Donnerstag, 27. März 2003

[vormittags] Der Urlaub neigt sich langsam dem Ende entgegen. Nach dem Kauf und Abschicken der Postkarten einige Punkte in der Stadt angesteuert um noch Photos zu schießen.
Plakate an der Galerie Lafayette
Franzosen können lecker Werbung machen:
Laetitia Casta für Galerie Lafayette
Die herausragendste Werbekampagne während ich in Paris war, waren die Plakate die Jean-Paul Goude mit Laetitia Casta für das Kaufhaus "Galerie Lafayette" gemacht hat. Die diversen Motive hingegen überall in der Métro. Dagegen nur deren zwei an den Außenwänden des Kaufhauses.
Auf der Website der Galerie Lafayette sind noch mehr Motive als PopUps zu sehen, und noch viel mehr sind als Bildschirmhintergründe downloadbar!
Sind die cool, die Motive?
Mir selber war Jean-Paul Goude kein Begriff. Im Nachhinein ein Fehler, denn seine Photos, z.B. von Grace Jones (siehe auch Videoclip "Slave to the rythm"!) oder Vanessa Paradis als Vogel in "Coco Chanel", sind durchaus sehr bekannt. Nicht minder bekannt seine Werbespots, allen voran die "Egoïste"-Werbung mit dem bekannten Hotel an der Promenade von Cannes. Noch besser gefällt mir aber sein Werbespot für Chanel No. 5 mit Estella Warren (Videos als MPEGs hier).
Darüber hinaus hat er auch bemerkenswerte Photos für Chanel No.5 geschoßen ([1], [2])
Mehr Infos: Videos, Bericht und Interview auf franz. bei Galerie Lafayette. Das Gerücht(?) dass die Lafayette-Kampagne mit brasilianischen Body-Model fotografiert wurde.

Franzosen können lecker Werbung machen,
Teil 2: Le Bon Marché
[nachmittags] Ein sich zu Ende neigender Urlaub hat auch die Konsequenz dass nun Lebensmittel für den Deutschland-Import gekauft und gehortet werden müssen. Stand bis Donnerstag Nachmittag: drei Kilo Couscous, 1kg Fleisch- und Wurstwaren, halbes Kilo Instant-Suppen.
Franzosen können lecker Werbung machen, Teil 2. Die Kampagne der Galerie Lafayette ist ja schön und gut. Aber am meisten habe ich mich in die Frau vom Winterschlussverkauf(!)-Plakat des "Bon Marché" veschoßen. Daher gibt es unten die Frau auch noch mal in 600px Breite.

Schmacht.

Das Plakatmotiv erinnert
mich an die "Venus"
von Adobe Illustrator
BTW: wer in Paris ist, sollte mal zum "Bon Marché" gehen, da es nicht m.E. inzwischen das Kaufhaus mit der besten Schaufenster-Deko ist, sondern häufig auch Ausstellungen stattfinden, bis zum 5.April z.B. "Karl face à Lagerfeld". "Le bon marché" ist ein Steinwurf von der Métrostation "Sèvres-Babylone" entfernt. Aber Vorsicht, die Leute sind empfindlich gegen das Fotografieren im Haus. Beim letzten Mal hätten sie mir fast die Kamera abgeknöpft.

Schaufenster-Deko zur Lagerfeld-Ausstellung.

Freitag, 28. März 2003

[morgens] Es ist kurz vor neun, damit fängt der Countdown an zu laufen, morgen, in 24h, wird der Flieger gerade abheben. Ich bin traurig.
Es ist einer meiner Lebensträume in eine Position zu kommen, in der ich sowohl in Hamburg als auch Paris arbeite und wohne.
Ich habe Mitte letzten Jahres sogar ernsthaft darüber nachgedacht nach Paris umzuziehen, nicht zuletzt um meinem Leben einen neuen Kick zu geben. Aber es ist finanziell nicht machbar. Wohnungen sind zu teuer und ich müsste mir einen neuen Kundenstamm aufbauen, bzw. in Zeiten einer dahinsiechenden Agenturszene mit radebrechenden Französisch eine Arbeitsstelle suchen...
[vormittags] Es passt, dass dieser Tag wohl das schlechteste Wetter seit meiner Ankunft besitzt. Zwar war es bereits seit 1-2 Tagen morgens grau, aber an der erleuchteten Ost-Seite der Häuser konnte man erkennen, dass sich die Sonne durchkämpfen würde. Es klarte dann auch auf.
Aber heute ist nichts von helleren Ost-Seiten zu erkennen. Es ist auch noch um einiges kühler. Teilweise gibt es ein paar Tropfen, zu wenig um es Nieselregen zu nennen. Teilweise kommt auch die Sonne raus, aber zum Nachmittag zieht es sich wieder zu.
Eingang Métrostation "Plais Royale"
Etwas abgefeimter Eingang zur Métrostation "Palais Royale" (nahe dem Louvre)
[mittags] Geschenke gekauft, Sachen gepackt.

Samstag, 29. März 2003

[morgens] Der Flieger ging um 8h55, was in letzter Konsequenz für mich bedeutete: sehr früh aufstehen. Ich lieh mir einen Wecker von meinen Onkel, hab' ihn um 5h55 gestellt, aber je näher es zum Weckzeitpunkt ging, desto häufiger wurde ich wach.
Ich habe die Rollade nicht heruntergezogen und das Fenster offen gelassen. Um halb sechs sind die Vögel schon am zwitschern, aber es gibt noch keinen Sonnenaufgang der sich abzeichnet.
Die Stille macht mir einmal mehr das akustische Wunder dieser Wohnung bewußt. Das Haus liegt an einer der belebtesten Straßen. Die Fenster gehen nach hinten, zu einem großen Garten und nach "links" raus, wo an einer Seitenstraße ein kleiner alter Flachbau ist, auf dessen Dach zwei Tennisplätze sind. Es ist nicht ein Jota vom Straßenlärm zu hören. Man geht aus der Wohnung raus, Fahrstuhl, vier Stockwerke runter zum Erdgeschoß, passiert eine Tür, muss 10 Meter durch eine kleine Ecke des Gartens gehen ehe man zum Eingangsflur des Gebäude abbiegt und passiert drei Tür. Jeden Morgen ist die letzte Tür ein kleiner Schock. Der Einbruch des Pariser Alltag in einen bis dato beschaulichen Morgen. Die Gewalt mit dem der Strassen-, besser: Lebenslärm von Paris einem nach Öffnen dieser letzten Tür ist unglaublich.
RER-Station Cite Universitaire
Die RER-Station "Cité Universitaire"
ist mitten im Parc de Montsouris eingebettet
Das war am Samstag morgen um 6h25 etwas anders. Der Himmel war dunkelblau, irgendwo hinterm Horizont von der Sonne schon leicht illuminiert. Die Straße leergefegt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Müllfahrzeug, zwei Straßenkehrer. Diese so vor Aktion strotzende Stadt derart zu sehen, ist surreal. In keinem Augenblick meines zwanzigminütigen Fußmarsches gen RER-Station "Cité Universitaire" habe ich mehr als 4 fahrende Fahrzeuge gleichzeitig gesehen.
6h47 komme ich im Bahnhof an. Angesichts der leeren Straßen bin ich überrascht wieviele Leute auf dem Bahnsteig sind. Eigentlich sollte alle Viertelstunde (auf '00, '15 etc...) eine Express-RER zum Flughafen fahren und zwei Minuten später ein Bummelzug zum Flughafen. Tatsächlich scheinen die RER-Züge nur ein mäßiges Interesse für den Fahrplan zu haben, den nach ein paar Minuten warten kommt eine Express-RER.
Express-RER heißt das in allen Parisern Bahnhöfen gehalten wird, aber nach dem Gare du Nord nonstop bis zu den zwei Stationen des Flughafens durchgefahren wird. Ein Zeitgewinn von 8 Minuten auf einer 45 Minuten langen Strecke.

Blick auf die seit langem stillgelegte Trasse "Petite Ceinture"
("Kleiner Gürtel"). Seit den 30ern ist Paris von unterirdischen
Eisenbahn-Tunneln (nicht Métro!) für Vorstadt- und Güterzüge
durchzogen. Im Laufe der Zeit wurde der Verkehr eingestellt,
ehe nach und nach mehr Teilstrecken in den 80er und 90er
wieder für die RER benützt wurden.

Nur die südliche Hälfte der "petite ceinture" harrt ihrer
Wiederbelebung. Ein Plan sieht vor sie als Straßenbahntrasse zu reaktivieren,
ein anderer Plan will daraus einen grünen Wanderweg machen.

Mein Onkel wohnt fast direkt über der Trasse.
Die RER fährt aus der unterirdischen Station des Gare du Nord raus, nimmt langsam Fahrt auf, steigt an die Oberfläche auf, fährt 2-3 Minuten nach Norden ehe der Abzweig gen Osten kommt, am Stade de France vorbei, der Zug beschleunigt immer mehr.
... bis er dann irgendwann abbremst und für mehrere Minuten mit 20kmh durch den landschaftlichen Flickenteppich fährt, den die Vorstädte darstellen. Kurz hinter einem Bahnhof halten wir auf freiem "Feld". Rechts Industrielandschaft, links kleine, ärmliche Einfamilienhäuser an einer Straße, fast zum greifen nahe.
Eine Durchsage: "Es gibt ein Problem mit den Signalen, weswegen sich unsere Weiterfahrt für unbestimmte Zeit verzögert". Das weckt böse Erinnerungen an den Sommer vor 2-3 Jahren, als die RER wenige Kilometer vor dem Flughafen stehengeblieben ist, weil der Fahrstrom wegen eines Feuers abgestellt worden ist. Nach 30 Minuten wurden die Insassen immer nervöser ob ihrer Flieger, die ersten begannen mitten in der Walachei, links und rechts eine hohe Böschung, aus der Bahn auszusteigen. Zuerst 2-3 Leute, von Viertelstunde zu Viertelstunde immer mehr die aus der Bahn zu sprangen und mit schweren Gepäck versuchten die Böschung zu erklimmen. Irgendwann auch ich. Was niemand ahnen konnte: direkt hinter der Böschung befand sich eine Zufahrtsstraße, so dass es kein Problem war in Autos mitzufahren. Ich bin dann 2-3 Minuten vor Ende des Check-Ins völlig verschwitzt am Lufthansa-Terminal angekommen. Das wollte ich nicht noch mal erleben...
Nach zehn Minuten setzte sich die RER wieder in Bewegung, fuhr aber nicht schneller als 10kmh ehe er ohne weiteren Kommentar an der nächsten Station, in Aulnay, hielt. Die Türen wurden noch geschlossen gehalten. Ich sah 2-3 Polizisten die nach vorne gingen, was ich nicht für ein Zufall hielt. Ich bemerkte wie die Menschen auf dem Bahnsteig den Polizisten nachblickten. Dann wurden die Türen aufgemacht, 1-2 Leute stiegen ein, aber alle auf dem Bahnsteig schauten wie gebannt nach vorne. Anscheinend war da irgendwas was Polizisten erforderte.
Nach 2-3 Minuten wurden die Türen geschlossen und der Zug beschleunigte wieder auf normales Tempo. Der Lokführer erklärte per Durchsage dass sie kein Problem mit den Signalen hatten, sondern ein Idiot in einem Wagon randalierte. der Halt auf offener Strecke und die Ausrede waren notwendig um Zeit zu schinden bis die Polizisten in Aulnay eintrafen.
[vormittags] Bemerkenswert die Sicherheitsmaßnahmen am Flughafen Charles-de-Gaulle. das Gepäck wird vor oder beim Check-In nicht kontrolliert, im Gegensatz z.B. zu Hamburg. Dafür muss man bis zum Flieger zwanzigmal Personalausweis und Bordkarte vorzeigen. Beim Check-In, beim Betreten des Abflugbereiches, beim Betreten des Abflug-Satelliten (hier mit Leibesvisitation) und schließlich beim Eintritt in den Fußgängertunnel zum Flieger.
Es ist diesmal ein sehr viel kleinere Flieger, eine Canadair. Eine der Stewardessen ist sagenhaft gut aussehend (vom Typ Frau den eine der Alten die ich als Zivi betreute, den Beinamen "Rehauge" geben würde).
Nach achtzig Minuten wird Hamburger Boden betreten, nach zehn weiteren Minuten kämpfe ich mich den Holzsteg zur Haltestelle des 39ers rauf, meine 20kg schwere Reisetasche geschultert.
-- FIN --

#: Hinflug

Elbmündung
Elbmündung
Ich kann mich immer noch nicht daran gewöhnen wie im Flieger die Distanzen zusammenschrumpfen. Das was für einen Nicht-Autofahrer zur Weltreise ausarten und selbst mit dem Zug nur in Stunden zu erreichen ist, schmilzt im Flugzeug dahin, bis es nur noch wie ein Alptraum vergangerner Zeiten erscheint.
Das Flugzeug hebt pünktlich vom Hamburger Flughafen ab, hat die Niendorfer Startbahn genommen, gen Nordwest. Das Flugzeug steigt. Schon nach wenigen Sekunden ist die A7 überquert. Eine leichte Kurve nach links, nach einer Minuten ist die A23 nach Itzehoe passiert. Ich blicke zum Horizont und sehe nach einer Minute die "Deutsche Bucht", die Elb- und Wesermündung.
Es ist nahezu völlig klarer Himmel, ich habe das Gefühl auf eine Landkarte oder ein Satellitenbild zu blicken. Zirka zwei Stunden bin ich früher nach Cuxhaven unterwegs gewesen, heute wird die Stadt en-passant im Steigflug genommen. Als wäre es ein Lehrbild aus dem Schulatlas, klarer Himmel, nur über der schleswig-holsteinischen gibt es einige Wolkenstreifen, fast wie vom Erdkunde-Lehrer aufgemalt um etwas über Hoch- und Tiefdruckgebiete in Küstengebieten zu erzählen.
Sonnenuntergang
Ich sitze am "West-Fenster", die Sonne scheint ins Fenster hinein. Die Beschichtung der Glasscheibe ist porös und das einfallende Licht bricht sich durch die unebene Glasscheibe und macht es schwer irgendwas zu erkennen. Als der Pilot nach zwanzig Minuten erzählt, dass wir über Amsterdam fliegen, muss ich es ihm glauben. Ich sehe viele Wasserflächen. So unförmig sie sind, so wirken sie wie mit dem Linieal gezogen. Es ist auch so etwas wie Agglomeration zu erkennen, möglicherweise eben Amsterdam.
Ich habe die rechte Hälfte der Sitzreihe für mich alleine, nachdem die Frau auf dem Platz am Gang zur ihrer Freundin links rüberrutscht. Beide, etwas älter als dreissig, sind geschäftlich unterwegs und zerreißen sich das Maul über die Kollegen. Beide Klatschweiber erinnern mich an die ältere Frau die vor mir an der Schlange zum Check-In stand, direkt vor dem Monitor des Gepäck-Durchleuchtungsgerätes. In einen Einfall in letzter Minute habe ich noch ein Geschirrservice von meiner Mutter in die große Reisetasche gepackt. Wie packt man Kannen, Tassen und Teller vernünftig in eine Reisetasche ein? Ich habe das Geschirr zuerst einzeln in Klamotten eingepackt und dann über den Haufen Geschirrklamotten eine Kunststoffbox gehüllt, so dass ruhig Gegenstände auf die Tasche geworfen werden konnten.
Auf dem Röntgenbild sah man nicht die Box, nur die vermeidlich kunterbunt durcheinander gewürfelten Tassen und Teller. Die ältere Frau vor mir warf ein Blick auf den Monitor, blickte mich an und grinste mich derart überheblich an, dass ich am liebsten mit ihren Rollkoffer auf sie eingedroschen hätten.

#: Paris CDG

Paris-Orly, der im Süden liegende Flughafen, ist ein Traum für Liebhaber des Holzfurniers, nicht unähnlich dem alten Hamburger Flughafen, Modell Fünfziger Jahre. Im Norden gibt es dann den Flughafen der je nach Vorlieben "Roissy" oder "Charles de Gaulle" genannt wird. Genauer gesagt, zwei Flughäfen. Die Air France hat sich das Terminal 2 geschnappt, das zirka 2-3km südwestlich vom Terminal 1 ist, und ein 80er-Jahre Bau mit feist geschwungenen Kurven ist. Vorherrschendes Material ist unverputzter Beton, aber trotzdem sehr leicht wirkend, nicht zuletzt dank der arabisch oder afrikanisch anmutenden "Textur".

Vom Satellit zum Terminal
Die meisten Nicht-Air France-Linien müssen sich mit dem kleineren Terminal 1 begnügen. Ebenfalls unverputzter Beton, aber mehr End-Sechziger, Anfang-Siebziger-Jahre-Style. Entsprechend verbraucht sieht der Flughafen aus, der aber dennoch einige Raffinessen in der Architektur besitzt.
Der Hauptkörper des Terminals ist eine Art flache Röhre. Außen um die Röhre herum sind auf zwei Stockwerke spindelförmig Straßen verteilt. Um diese Röhre herum sind in 200-300m Entfernung kleine Gebäude, so genannte "Satelliten" in den Boden eingelassen. Die Flugzeuge docken an diese Satelliten an. Hier steigt der Fluggast aus und wird via einem langen Laufband vom Satellit bergab unterirdisch zur Röhre geführt. In der Röhre kann er nun zum Umsteigen einen anderen Satelliten wählen, oder den "Ausgang" nehmen. In diesem Fall nimmt er ein Laufband der ihn durch die Mitte auf die andere Seite der Röhre, ein Stockwerk höher, bringt. In der Mitte, unter freien Himmel, scheinen ein Wust von "Schläuchen" mit Laufbändern aus allen Himmelsrichtungen kreuz und quer zu verlaufen.

Aus der "Röhre" in die Mitte blickend
Die beiden Tratschtanten sehen aber im Terminal 1 nur einen abgenutzten, alten, hässlichen Flughafen, der schleunigst durch was neues, schickes ersetzt werden müsste.
Sehr zu meinem Erstaunen wird das Gepäck aus Hamburg bei meiner Ankunft bereits entladen. Meine Tasche nimmt gerade die zweite Ecke des Gepäckbandes als ich eintreffen.
Im Inneren vom Flughafen
In dem "Schlauch"
Da sich bis zur meiner Abfahrt in Hamburg laut Radio nichts am Streik der Pariser RER (S-Bahn) getan hat, nehme ich nicht den Shuttle-Bus zur RER-Station, sondern einen Air-France-Shuttle zum Gare Montparnasse in Paris.
Ausgang 34, Ankunfts-Ebene. Man wartet im "Erdgeschoß" an der Straße die direkt um die Röhre herum läuft, während die Ausfahrt noch mal eine Spirale weiter auss;en ist. Es ist schon längst dunkel. Der einst graue Beton des Terminals ist durch den Schmutz des Straßenverkehrs kaum noch von schwarz zu unterscheiden. Geriffelter Beton, in Fertigteilen aufeinander gestapelt. Aus irgendeinem Grund muss ich immer an einen "Tim & Struppe"-Flughafen denken, obwohl Hergé ein megaproperer Zeichner war.
Es ist sowas wie ein Busbahnhof. Die Straße ist zweispurig, aussen sind die Markierungen für die Haltezonen der Busse angebracht. Ganz vorne der Shuttle nach Orly, dahinter der Bus der an der Oper und Étoile anhält, dahinter mein Bus und als letztes schließlich der Linienbus der zur Oper fährt. Das Wartehäuschen ist leer, alle warten draußen vor "ihren" Haltezonen. Der erste Bus trifft ein, die Linie Richtung Étoile, die alle 15 Minuten kommt. Es ist ein Reisebus. Ein Bediensteter sorgt für Ordnung, macht die Klappen zum Gepäckraum auf, links das Gepäck für Étoile, rechts für die Passagiere die bereits Opéra raus wollen. Die Passagiere wandern dann nach vorne zur Tür und entrichten ihren Obolus.
Eine bunte Mischung. Ein blutjunges japanisches Paar, eine lateinamerikanische Großfamilie mit Kinderwagen und zwei Gepäcktrolleys. Außerdem ein weiterer Herr der mir auf dem Flug von Hamburg schwer auf die Nüsse ging. Schwer zu sagen: ein Asiat oder Lateinamerikaner mit Indio-Einschlag, modische schwarze Wollklamotten mit roten Streifen. Kein Gepäck, aber mindestens drei sehr fette, knallorange Edel-Papiertüten und darin noch mal ebenso orangene Pappkartons. Wenn ich so in meine Klischees schwelge, dann war es ein japanischer Modemacher, der kurz mal nach Hamburg rübergejettet ist, um sich was schickes zu kaufen. Aber Vorsicht, fragil, weswegen er seine drei immensen Tüten auch nicht als Gepäck aufgegeben hat, sondern im Flieger eine halbe Stunde lang verzweifelt versucht hat, sie in den Gepäckschränken über den Sitzen zu verstauen.
Mein Bus soll alle halbe Stunde kommen. Gefühlsmäßig würde ich sagen, dass ich neunundzwanzigeinhalb Minuten gewartet habe.
Der Busfahrer besitzt alle Ingredienzien eines Franzosen. Da wäre die standhafte Weigerung Englisch zu sprechen, für die es anscheinend auch im Shuttle-Verkehr mit einem internationalen Flughafen keine Ausnahme gibt. Jedem, egal welcher mehr oder weniger offensichtlicher Provenienz, bellt er entgegen "Montparnasse, onze Euro cinquante". Nachfragen zwecklos, englische Zählwörter? No way.
Aber ein Gott am Gaspedal. Ohne abrupt aufs Gas- oder Bremspedal zu drücken, werden in unzulässig hohem Tempo Pylonen und Fahrbahnschwenks genommen, Rampen rauf und runter gefahren und auf der linken Autobahnspur ein PKW nach dem anderen platt gemacht. Alles sehr smooth, sehr effizient, immer mit dem Gespür für die richtige, weil "flüssige" Autobahnspur.
Dass sich die Fahrt dennoch eine Stunde hinzog, lag primo an der logistischen Fehlplanung von Air France erst Terminal 1 und dann Terminal 2 (das "Air France"-Terminal mit seinen zwanzigtausend Haltestellen) anzusteuern. Ein Blick auf die Karte reicht aus um zu sehen, dass das so reichlich suboptimal geplant ist. Secundo lag es an der "Périphérique", dem Stadtautobahnring. Bei der Einmündung der Autobahn A3 in den Ring, an der Porte de Bagnolet, gab es erstmal Stop'n'Go, zwei Kilometer weiter immerhin flüssige 20 kmh.
Auf der Autobahnfahrt (A3) aus dem Flughafen heraus, sieht man links und rechts die gefürchteten Trabantenstädte. Le Blanc-Mesnil, Drancy, Aulnay, Romainville . Dann die Auffahrt Porte de Bagnolet auf den Stadtautobahnring. Ein heilloses Durcheinander von Straßen, Autobahnen, Auf- und Zufahrten, dass ich vor Jahren mal tagsüber mir angesehen habe. Endhaltestelle Métro Gallieni (Linie 3), direkt an einem alten Einkaufszentrum gewesen, mit überraschend arm aussehenden Leuten, die im Kontrast zu den glitzernden, neuen Hochhäusern standen. Aus jeder "Luftöffnung" die die Straßenschneisen übrig liessen, schießt ein gläserner Wolkenkratzer hervor. Hotels ohne Ende. Ein paar Kilometer weiter südlich rechts die Sportplätze und links das Einkaufszentrum an der Porte de Montreuil. Ich muß an 1992 und Hélène denken. Dann die Porte de Bercy, dort wo im Osten die Seine in Paris rein fliesst. Die Ausfahrt für die Haltestelle "Gare de Lyon", dem großen Bahnhof von dem die Züge Richtung Alpen und Mittelmeer abfahren. Die Porte de Bercy, ein weiteres wüstes Durcheinander an Straßen. Habe ich auch schon mal versucht mir anzusehen, aber der Bereich ist weiträumig für Fußgänger abgesperrt.
Der Bus fährt ein bisschen am rechten Seine-Ufer entlang, vorbei an dem pompösen, neuen Finanzministerium, ehe in eine kleine Seitenstraße rechts abgebogen wird. Der Bus bleibt vor einer Ampel stehen, rechts ist ein Parkhaus. Die Einfahrten sind zwar verschlossen, aber dennoch hell erleuchtet. Zwischen zwei Pfeilern sitzt zwischen Schlafsack und Kartons ein Penner und bereitet in einer Pfanne auf Gaskocher sein Essen zu. Der Bus fährt an.

#: Medienkrieg

Wenn sie etwas nicht können, die Franzosen, dann sind es Informationssendungen im Fernsehen.
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Das Angebot an Nachrichtensendungen ist dürftig. Mittags um eins bringen die beiden wichtigsten Kanäle, der stinkreiche Privatsender TF1 und das etwas lahmende öffentlich-rechtliche France2, eine Dreiviertelstunde Mittagsnachrichten, und abends jeweils um 20h eine Dreiviertelstunde Abendnachrichten. Man sollte sich dabei nicht durch die Länge der Nachrichtensendungen irritieren lassen. In der Regel, sind nur die erste Viertelstunde Politik, der Rest wird mit "weichen" Themen wie Weltumsegelung, Kulturfestival u.ä. aufgefüllt. Es gibt dann noch Spätnachrichten, die allerdings nur zu unregelmäßigen Terminen laufen. Im Dritten um kurz vor elf, auf "France2" um kurz vor zwölf und auf TF1 gegen halb zwei in der tiefen Nacht. Das einzige was sonst noch an Nachrichtensendungen erwähnenswert wäre, ARTE INFO und die Journale auf Canal+ laufen annähernd um die gleiche Uhrzeit: kurz vor acht bzw. kurz vor ein Uhr mittags. Und politische Magazine wie "Monitor" oder "Spiegel TV"? Bis auf zwei Ausnahmen Fehlanzeige.
Der Irak-krieg ist aber ein "Évenement" für das dann doch noch anfangs 1-2 Brikett nachgeschoben werden. Die Zahl der Korrespondenten hat man kurzerhand verdoppelt oder verdreifacht. Doch schnell ebbte das Interesse bei den Fernsehanstalten ab. Bereits am dritten Tag war der Irak-Krieg dem hyper-kommerziellen TF1 keine Verlängerung der Sendezeit wert. Auch France2 fuhr stark zurück. Die Folge: wer um acht Uhr abends nicht vor dem Fernseher saß, bekam vom Krieg im Fernsehen überhaupt nichts mehr mit. Weil eben die Nachrichtensendungen auf "France2" und "France3" immer etwas verlängert wurde, verschob sich das Programm und die Programmzeitschriften waren das Papier nicht mehr wert auf das sie gedruckt wurden. Die Suche nach den Spätnachrichten geriet mangels fester Sendezeit zur puren Raterei.

In Paris geht die Sonne unter, in Baghdad ist Krieg.
Die Probleme in der Quantität der Nachrichtensendungen spiegelten sich auch in der Qualität wider. Man bekam auf allen Fernsehstationen den gleichen Sud an Bildern und Experten serviert. Dabei hat es mich erstaunt wie selbst Tage nach Beginn des Krieges die Berichterstattung unstrukturiert über den Fernsehsender gebracht wurde. Von Baghdad wurde nach Kurdistan gesprungen, dann nach Kuweit um schließlich von Norden Iraks -äh- Kurdistans zu berichten, ehe der Washingtoner Korrespondent seinen Senf zur Lage in Baghdad gab und dann zum Mann in Doha geschaltet wurde und man einen Bericht aus Baghdad serviert bekam.
Hier waren die französischen Radiosendern den Kollegen vom audiovisuellen Bereich haushoch überlegen. Wer zwischen Radio France International und France Info zappte, konnte auf ersterem zur vollen Stunde einen 15 bis 30Minuten langen, kompletten Überblick über die Situation bekommen und sich auf zweiterem in den restlichen Minuten der Sendestunde über die aktuellen Entwicklungen auf dem Laufenden halten.
Wo das Fernsehen noch verlor: die Qualität. aus irgendeinem Grund bestand beim Fernsehen eine größere Not Sendezeit zu füllen, als beim Radio, und so kamen wieder die üblichen Experten angerollt, ältere Generäle die auf ihr Alter noch ein Zubrot verdienen wollen, irgendwelche Professoren von obskuren Instituten die niemand kennt, die sich etwas Renomée über die Veröffentlichung in Kleinst-Fachzeitschriften hinaus, erhalten wollen.
Selten dass man Journalisten und Moderatoren selber Wertungen hat abgeben hören. Erstaunlich, denn die sitzen an den Knotenpunkten und ihnen sollte es genauso wie mir auffallen, wenn widersprüchliche Informationen veröffentlicht werden.
Zur Misere insbesondere des Fernsehens trug auch eine uniforme und monotone Berichterstattung bei. Man konnte sich des Gefühls nicht erwehren, als würden die Fehlschläge der US-Amerikaner und Briten recht breit gewalzt. Zwar ohne Schadensfreude, aber ich war mir nicht sicher, inwieweit da nicht eine Verzerrung stattfand.
Und doch gibt es in der französischen Fernsehlandschaft noch Beispiele für interessante Berichterstattung. So viel Trubel momentan rund um Canal+ und der finanziell angeschlagenen Mutter Vivendi-Universal gemacht wird (Entlassungen, Programmreformen), die werktägliche Infoschiene zwischen 19-20h waren jedes Mal äußerst interessant.
Canal+ versucht in seinen Sendungen etwas gegen den Strich zu bürsten. So gibt es täglich eine aktuelle Reportage die den Alltag einer kalifornischen Familie mit Sohn in der US-Armee mit dem Alltag einer irakischen Familie vergleicht. Es gibt eine Art "Zapping" zwischen FOX News und Al-Jahzeera. Ein weiterer Beitrag versucht tagtäglich sich der Rhetorik in den Fernsehbeiträgen anzunehmen. Schließlich die "Guignols", das französische "Spitting Image", die ihr Vorbild schon längst überlebt haben und derzeit tagtäglich zur Höchstform auflaufen.
Die franz. Zeitungen haben in der Nacht des Kriegsausbruches schnell reagiert und sind noch am morgen mit neuen Ausgaben auf den Markt gekommen, so dass ab dem Vormittag die Kioske bereits voll mit Bildern aus Baghdad war.
Im Grundton unterschieden sich die Zeitungen nicht so sehr von Radio und Fernsehen. Außer den üblichen Verdächtigen wie André Glucksmann, gab es kaum jemanden der eine Position pro Krieg eingenommen hätte. Sogar in den Editorials der "Le Monde" wurde recht einseitig und plumb Position für Chirac bezogen, ganz selten die Frage nach der Zukunft der internationalen Institutionen gestellt.
Es gab also für Otto Normalverbraucher in Frankreich kaum so etwas wie Meinungsvielfalt.
Einschränkung der Meinungsvielfalt neuerdings auch bei der "International Herald Tribune". Die redaktionelle Linie scheint recht einseitig auf ein "Ja, aber" eingerastet zu sein. Ja, wir unterstützen den Krieg, aber die diplomatische Vorbereitungen waren beschissen. Außerhalb der Kommentare, wurden in den Berichten überraschend unreflektiert Statements von US-Militärs oder dem Weißen Haus übernommen. Ich bin schwer enttäuscht von der IHT gewesen. Nur ihre Funktion als "Gegengift" für die einseitige Berichterstattung in Frankreich, rechtfertigte ihren Kauf.

#: Von Euro bis zum Handy

Besorgungen erledigen. Banque de France, dort die alten Francs meiner Mutter in Euro umtauschen. Verstärkte Sicherheitskontrollen, Eintritt nur nach Leibesvisitation und Metalldetektor. Der Euro-Umtausch ist zwar mit Warteschlangen-Ticket-ziehen und Formular-ausfüllen aufwändiger als in der LZB Hamburgs, aber geht dafür schneller, weil vor mir nur eine Person abgefertigt werden muss.
Von der Banque de France, die nur einen Hauch westlich von der Stadtmitte Châtelet liegt, geht es nach Nordost in die Nähe des Gare de Nord. Das Bänkerviertel mit der Banque de France und der Börse ist in einem japanischem Viertel eingebettet. Nicht so wie "Chinatown" am Place d'Italie, sondern eher die wohlhabenere Variante mit vielen japanischen Restaurants, Galerien etc...
Es geht dann hinter der Rue du Faubourg Montmartre mit dem "Textilviertel" weiter, der kleine Im- und Export-Läden für Stoffe aneinanderreiht. Vormittags staut sich der Verkehr in den Einbahnstraßen, immer wieder halten Transporter um Teppiche oder Stoffbahnen in die Läden rein zu bringen. Die Besitzer scheinen hauptsächlich, schön sind die Klischees, aus schmerbäuchigen Persern zu bestehen. Das ganze Viertel hat eine merkwürdig unaufgeregte Betriebsamkeit. Während Stoffe rein- und rausgeschleppt werden, bleibt immer wieder genügend Zeit für ein kleines Schwätzchen mit dem Nachbar, da irritiert es nicht weiter dass der Verkehr in der kleinen Einbahnstraße, sich mehrere hundert Meter hinter dem Transporter staut.

Tor von Saint Denis, im Mittelalter ein Tor an der Stadtgrenze.
"Faubourg" hieß früher "Vorstadt", Straßen mit der Bezeichnung
"Faubourg" lagen also früher außerhalb der Stadtgrenze
Die kleine Gasse führt gerade auf die Porte St. Denis zu, dem westlichen der beiden Tore bei "Strasbourg St. Denis". Die Ringboulevard ist eine Art Demarkationslinie. Ab hier betritt man Kreuzberg, bzw. St.Pauli. Die Rue du Faubourg St. Denis ist eine Kette von kleinen Obstläden, Imbissstuben und Kleinstläden die vergilbte Hongkong-Videokassetten und Handy-Attrappen verhökern. Immer wieder der Geruch von gebratenen Fleisch. Man läuft auf dem Bürgersteig Zickzack zwischen den Menschen die aus aller Herren Länder östlich des Pelepones kommen. Dazwischen immer wieder verfallene Häuser, teilweise zugemauert oder von der Stadt Paris per Schild zum Abriss freigegeben.
Man prallt dann förmlich auf den Boulevard Magenta auf. War bereits die Rue du Faubourg St,Denis menschenbelebt und daher nicht wirklich still, kommt nun der Moloch Verkehr dazu, der zähflüssig durch die zirka sechsspurige Straße fliesst. An der Kreuzung ist die Square Alban Satragne, ein kleiner Park in dem enorm viele mittelalte arabische Männer auf den Bänken sitzen oder in Grüppchen auf dem Weg stehen und diskutieren. Später erfahre ich zufällig aus dem Fernsehen, dass es sich dabei um eine Art Sammelplatz für irakische Flüchtlinge (teilweise illegale) handelt, die dann in der Nacht sich in die abgesperrten, zum Abriss freigegebenen Häuser der Ungebung zurückziehen um in Pappkartons zu schlafen.
In der Ecke gibt es viele Elektroläden die vom Fernseher über die Waschmaschine bis hin zum Handy alles anbieten, wobei man nie sicher ist, wie die Jungs an die Ware gekommen sind, bzw. ob das auch alles wirklich aus erster Hand ist. In dieser Ecke verspreche ich mir mehr Erfolg ein Ladegerät für mein drei Jahre altes Handy zu finden, als in den großen Elektroladenketten.
Beim zweiten Laden, Elektromat, an der Ecke zur Rue de Chabrol, werde ich fündig. Ein dicker Araber oder Türke schwatzt, aufgestützt auf eine auf der Straße abgestellten Vorführwaschmaschine, mit einem dünnen Alten. Im zirka 75qm großen Laden räumt ein junger Schwarzer gerade Videokameras in die Vitrine. Er fragt was ich will und räumt, ohne mich anzuschauen, weiter Kameras ein. Dann geht er an die Ladentheke, sagt "Kein Problem, haben wir sofort" und guckt, ohne sich mein Handy näher anzuschauen, sich das Regal mit den Ladegeräten hinter der Theke an. "Ein Moment", dann ruft er irgendetwas einem Kollegen zu, der gerade einen Kunden bedient. "Moment, mein Kollege kennt sich damit besser aus", nochmals ruft er ihm etwas zu. Ohne das ich eine Antwort höre, geht er in einem Nebenraum, zieht und zerrt an einigen Schubladen und mit einem Ladegerät zurück. Zur meiner Verblüffung hat er, ohne auch nur einen Blick auf mein Gerät zu werfen, auf Anhieb das Gerät mit dem richtigen Stecker. Die Beschreibung "altes Motorola-Timeport-Handy" hat offensichtlich ausgereicht. Das Ganze kostet 13,- EUR und ist damit viel günstiger als die Ladegeräte in den großen Elektroläden.
Während er mir per Hand einen Kassenbon schreibt, telefoniert er. Links und Rechts der Ladentheke sind Pinnwände mit unzähligen Geldscheinen aus aller Herren Länder angeheftet.
Ich will zum Gare du Nord, höre die Mailbox des Handys ab, und höre dass ein Kunde angerufen hat. Unterdessen verlaufe ich mich, was aber recht praktisch ist, da ich an einer Kirche samt Vorplatz mit Park komme (St. Vincent du Paul am Place Franz Liszt) und so relativ frei von Straßenlärm den Kunden zurückrufen kann.
Der Kunde ist ein zäher Fall, da ich ihm geraten habe für das aktuelle Projekt dringend einen Experten hinzuziehen, der sich mit der Materie (die nichts mit Web und Multimedia zu tun hat) besser auskennt, als ich. Ich glaubte nun schon mehrere Male dass er die Message verstanden hat, zumal es für ihn auch um keinen kleinen Kunden geht. Aber der Anruf zeigt: er hat es nicht verstanden. Aus irgendeinem Grund zieht er meine unausgegorenen Basteleien in der Materie vor.

Tauben & Spatzen die in einer Seitenstraße ein Bad nehmen

#: Die hermetische Garage

Métroeingang Pernety
Métroeingang "Pernety"
Aufgrund des Krieges im Irak und der nicht abnehmenden Welle an Demos wurde seit Donnerstag die amerikanische Botschaft in Paris abgeriegelt. Das will ich mir anschauen. Ich gehe statt die nächstliegende Metro zu nehmen, des Sightseeings wegen quer durch das 14te Arrondissement und steige Pernety in die 13 ein. Pernety entpuppt sich als eine der Stationen, deren Eingang man mitten in einem Haus eingebaut hat. Eigentlich verständlich, denn die Rue Raymond Losserand ist inklusive Bürgersteig, so schmal, da hätte keine der handelsüblichen Metroeingänge hingepasst. Die Station kommt angesichts der klitzekleinen Straßen und Läden fast ein wenig überraschend.
Leider gehört die 13 und später die 12 in die ich umsteige, zu den bestreikten Metrolinien. Die Züge fahren seltener und sind daher randvoll. Ich komme gar nicht Solferino raus, sondern erst an der Place de Concorde. Das ist der Platz mit dem Obelisken, am östlichen Ende der Champs Élysées. Ein immens großer Platz um den herum auf bis zu acht Spuren die Autos fahren. Die vielen Touristen vertrauen auf die Signalwirkung einer grünen Fußgängerampel und bekommen Herzinfarkt wenn dessen ungeachtet die Autos in hoher Geschwindigkeit an die Fußgängerüberwegen heranrauschen. Am anderen Ende des Platzes ist dann endgültig Ende für jene Touristen, da die Ampeln ausgefallen sind. Da stehen sie nun, auf einer übergroßen Verkehrsinsel mit Obelisken und wissen nicht weiter.

Abgeriegelte Nordwest-Ecke des Place de la Concorde
Die US-amerikanische Botschaft ist an der nordwestlichen Ecke des Platzes, zu den Champs Élysées hin, ist ein fast 1km langer, schmaler Park. Die Botschaft selber ist in der Tat hermetisch abgeriegelt. Ein Mannschaftswagen ist direkt hinter dem anderen geparkt, man kann die Botschaft noch nicht einmal sehen. Selbst der Park ist mit Gittern völlig abgeriegelt. Entlang des Gitters steht alle hundert Meter ein Gendarm mit kugelsicherer Weste. ich biege an der ersten Straße rechts ab, in die Avenue de Marigny. Die Abriegelung geht auf der rechten Straßenseite weiter, kein Wunder, denn ein Block weiter ist das Élysée, die Residenz des franz. Staatspräsidenten und dahinter das Innenministerium.
"Die hermetische Garage" ist eine Anspielung auf den gleichnamigen Comic von Moebius.

#: Tod

Der Besuch bei meinen Großeltern, beide Mitte Neunzig, in der Nähe von Paris, artet immer mehr zu einem spirituellen Wochenende aus. Man sieht die beiden, sieht wie sie beide immer mehr auch geistige Alterserscheinungen zeigen. Daneben am Tisch mein Onkel, der in den nächsten Monaten mit 53 in den Vorruhestand gehen wird, daneben meine Tante, die nach dem Tod ihres Mannes zu meinen Großeltern gezogen ist um sie außerhalb ihres Jobs als Krankenschwester, zu betreuen. Nicht am Tisch, sondern zwanzig Fußminuten vom Haus, liegt schließlich eines der Gräber meiner Mutter (die darüber hinaus ja auch in Hamburg ein Grab hat).
Für zwei Tage fernab vom städtischen Leben, irgendwo in der Walachei.
So hochgestochen es klingt, aber man wird hier der "Endlichkeit seines Lebens" bewusst. Das hohe Alter meiner Großeltern, mein Onkel durch Vorruhestand am Ende seines Berufslebens, meine verwitwete Tante, eine Urne meiner Mutter auf dem Friedhof.
Man fragt sich unwillkürlich: wo stehe ich in meinem Lebensplan? Was habe ich erreicht? Man vergleicht es mit dem was man sich mittel- und langfristig vorgenommen hatte. Ein Vergleich der eher frustrierend ausfällt. Man weiß dass man die Zeit nicht mehr zurückdrehen kann, einige Weiche die man gerne anders stellen würde. Zu spät.

#: St.Denis

Ich nehme mir vor die Kathedrale von St. Denis zu besuchen. Ich bin überrascht wie voll die Metro nach Norden Richtung Vorstadt ist. Anscheinend ist die Universität von St.Denis, Endhaltestelle der Métro, recht groß. Eine Station vorher steige ich aus. Es ist gegen elf und ElvisKoyak sollte nun im Büro sein, kleine Webarbeiten für mich getätigt haben. Ich rufe ihn sicherheitshalber an. Erstens kommt es anders als man zweitens denkt: Le Job.

Süd-Ansicht von St.Denis, 17.Jh
Wenn man aus der Métro aussteigt, befindet man sich in einem kleinen, kuscheligen Einkaufszentrum, dass aus vielen kleinen 3-4stöckigen, ockerfarbenen Flachbauten besteht. Man folgt der Beschilderung, geht durch einen schmalen Gang und biegt am Rathaus um die Ecke. Man blickt nun auf einen großen Platz. Von vorne kommt eine mäßig stark befahrene Straße die nach rechts abbiegt. Links steht dann die Kathedrale. Links neben der Kathedrale sind einige Bäume und ein Zaun. Hier geht es zu einem kleinen Park.

Kathedrale von St.Denis
Links ist das Rathaus zu sehen. Rechts von der Kathedrale ist ein
angeschlossenes Kloster.Die Asymetrie der Kathedrale erklärt
sich aus Zerstörungen und nur teilweise erfolgten Wiederaufbau.
Während ich per Handy mit ElvisKoyak telefoniere, kommen endlos viele Schulklassen vorbei. Keine der Klassen geht wirklich in die Kathedrale rein. Einige warten vor dem Zaun, andere gehen in den Park. Die ganze Szenerie ist eine angenehm unaufgeregte Lebendigkeit. Nur 3-5km von der Stadtgrenze von Paris entfernt, ist hier nichts von Millionenmetropole zu spüren.
Seit dem ich vor einigen Monaten die letzten Minuten eines ARTE-Themenabends über Kathedralen gesehen habe, faszinieren mich diese Bauten. St.Denis ist noch um einiges spannender, denn ein historisch zentraler Ort für Frankreich.
Die Geschichte beginnt eigentlich schon mit der Namensnennung "Saint Denis", der erste Bischof von Paris, Denis (bzw. Denys, Dionysius) starb 258 als Märtyrer. Angeblich ist er Opfer der Christenverfolgung des römischen Kaisers Valerian gewesen. Er soll auf den Hügeln von Montmatre geköpft worden sein. Der Enthauptete schleppte sich, mit seinem Kopf in den Händen, bis an einen Ort außerhalb von Paris.

In Violett der aktuelle Grundriss
der Kathedrale. Von oben nach unten:
Kapelle zum 4te Jh.,
5-7tes Jh. Anbau Merowinger Zeit
8tes Jh. Karolinger Basilika,
Überbau über die Gräber
Dies trug zur Mythenbildung bei. An dem Ort wurde ein vermeidliches Grab gebaut und es wurde zur Wallfahrtsstätte. Schließlich wurde im 7ten Jh. mit Geldern von König Dagobert I. an der Stelle ein Benediktiner-Kloster gegründet. Um das Kloster herum wächst nicht nur schnell eine Stadt. Die Bedeutung von St.Denis nimmt zu. Mit dem Begräbnis von Dagobert I. (639) wird eine lange Tradition von franz. Königen die sich hier begraben lassen, angefangen. St.Denis besitzt Reliquien von Märtyrern und viele, viele Königsgrabmäler.
Der wichtigste Mann für die Kathedrale von St.Denis ist der Abt Suger gewesen. Suger wuchs bei den Mönchen der Abtei St.Denis auf, kletterte die Kirchen-Hierarchie rauf, bis er 1122 zum Abt von St.Denis gewählt wurde. Sugar war beseelt von der Idee einer starken, zentralen Macht in dem kleinteiligen, feudalen Frankreich. Der König sollte durch ein Zusammengehen mit der Kirche gestärkt werden. Er sah in einem Ausbau der Grabstätte der Könige von St.Denis zu einer prachtvollen Kathedrale das Mittel dazu.
Günstig für diese Idee wirkte sich auch aus das Suger ein Jugendfreund des König Ludwig VI. war. Zwei Jahre später kam es zum ersten Testfall für das Zusammengehen zwischen König und Kirche. Heinrich V besetzte französischen Grund. Ludwig VI ritt mit dem neuen Wappen der Lilie zum Schauplatz. Auf dem Weg dorthin, konnte er nicht zuletzt dank des diplomatischen Könnens von Suger so viele Adlige versammeln, das Heinrich V. sich kampflos zurückzog.

In Violett der aktuelle Grundriss
der Kathedrale. Von oben nach unten:
Stand nach dem Ausbau durch Suger 1144
Stand 1281.
Nach dem Tod von Ludwig VI, 1137, und der abgekühlten Beziehung zu Ludwig VII., konzentrierte sich Suger auf den Ausbau. Drei lang wurde die große Frontfassade im Westen gebaut, 1140-1144 schließlich der Chor "hinten". Die Kathedrale gilt als erstes Meisterwerk der Gotik. und Sugar wird für einige wesentliche Merkmale verantwortlich gemacht. Der massive Einsatz von Glasmalereien, insbesondere Rosettenfenstern. Die Verwendung von Pfeilern und Kreuzrippengewölbe die erstmals die Aushöhlung von einst massiven Mauern ermöglichte. Die Kathedrale konnte dadurch nicht nur höher gebaut werden, es war auch luftiger und es konnten wesentlich größere Fenster eingesetzt werden. Die Bevölkerung war völlig perplex angesichts des lichtdurchfluteten Innenraums.
Nach Sugers Tod 1151 ruhten die Arbeiten. Erst 1231 wurden sie durch Pierre de Montreuil wieder aufgenommen. Die Neuerungen basieren auf Sugers bau, aber die Architektur wird mit den Errungenschaften der Hochgotik verfeinert. Der gesamte Bau gewinnt an Höhe.
Modell der Stadt St.Denis
Das Modell veranschaulicht die zentrale Bedeutung der Kathedrale und des Klosters für die Stadt.
Wenn man von außen die Kirche betrachtet, fällt einem auf dass die Außenwände auf Bodenhöhe, warum auch immer, schmutziger, ja teilweise schon schwarz gefärbt sind.
Man tritt durch massive, hohe Holztüren die unglaubliches Schnitzwerk zeigen.

Eingangstür der Kathedrale
Nicht jeder Bereich der Kathedrale ist frei zugänglich. vom Haupteingang aus, kann man ein Stück den Flügeln links und rechts hinuntergehen, ehe man auf einen Zaun stößt. In der Mitte kann man das Kirchenschiff bis zum Altar betreten, ehe man dort auf Mauern und Zäune stößt.
Auf der linken Seite, der Nordseite, sind einige kleine Zimmer und Kammern angebracht. Stille Gebetsräume, aber auch Glasvitrinen mit königlichen Insignien.

Königliche Insignien in dunkler Kammer. Zepter, Krone,
auf ca. 2,5m langen Umhang mit Lilien und Hermelinfell.
Wer mehr sehen will, muss einen kleinen Ausgang zur Südseite, also "rechts" nehmen, zur so genannten "Nekropole" gehen. Dort entrichten man einen Obulus von 5 Euro und paar zerquetschte, und hat dann Zugang zu den abgesperrten Bereichen der Kathedrale. Man kommt also in die Krypta, in das nördliche Querschiff und dem Chorgang. Das sind die Bereiche in denen die ganzen königlichen Gräber liegen. Eine Tradition die mit Dagobert I., 639, begann, und abgesehen von einigen Ausnahmen bis ins 18te Jahrhundert reinreichte. Immer wieder gab es Zerstörungen und Grabschändungen, z.B. durch die französische Revolution. Und immer wieder gab es den Wiederaufbau bzw. Restaurierung. Die Grabmäler reichen also über eine Spanne von mehr als tausend Jahre.

Oben rechts, Hunde vor den Füßen der Königin.
Ein immer wiederkehrendes Motiv bei den königlichen Totenfiguren, ich glaube aber ausschließlich bei den Königinnen, ist der Hund. Der Hund hatte zweierlei Bedeutung. Zum einen sein Charakter als steter Begleiter der mindestens so fidel wie auch treu zu seinem Herr steht. Secundo: Der Hund als Begleiter und Führer durch das Totenreich. Der Hund spielte bereits früh in der Menschheitsgeschichte im Zusammenhang mit dem Tod und Totenkult eine wichtige Rolle. Siehe ägyptische Götter mit Hundegesichter, die Bewachung des Hades durch Orthus und Ceberus.

Alles da: Hunde, Engel, Vorleser...
Es lohnt sich die Führungen um 11 und 15h30 mitzumachen, vorausgesetzt man versteht französisch. Der Führer erklärt dabei einem nicht die gesamte Nekropole, sondern konzentriert sich auf eine Epoche, auf ein Dutzend Gräbern, erzählt aber um so ausführlichere Geschichten, die die komplexen Machtstrukturen und damalige Ränkespiele verdeutlichen.
Bertrand de Guesclin
Bertrand de Guesclin. Die Figur entstand wohl erst um 1400.
Bertrand de Guesclin (1320-1380) wurde von der französischen Geschichtsschreibung zum Held gemacht. Er ist eine der wenigen nicht-königlichen Personen die in der Kathedrale ihre letzte Ruhe fanden. Karl V ("Karl, der Weise") belohnte damit seine Treue zu einem Zeitpunkt als zu Beginn des 100jährigen Krieges (Krieg Frankreich-England um die Nachfolge der franz. Krone, 1337-1453) der französische Adel und die Fürsten jeder seine eigene Suppe köchelte und sich nicht durch einen König gängeln lassen wollte.
Tatsächlich ist aber Bertrand de Guesclin nicht unumstritten. Die neuere Geschichtsbeschreibung beschreibt ihn als kleinen, hässlichen Zwerg, der ziemlich unfähig war. Das was ihm als heroische Schlachten zugewiesen wurde, waren Massaker, bzw. wurde ihm durch zusätzliche Truppen aus der Patsche geholfen. Anstatt in Spanien Heinrich von Trastamara zu helfen, bevorzugte es Guesclin mit einer Truppe von Söldnern plündernderweise durch Spanien zu ziehen.
In der gleichen Ecke, leider nicht von mir photographiert: Karl VI., auch Karl, der Verrückte genannt, samt Gemahlin. Auch er mit einem ihm treu ergebenen Ritter. Auch hier wusste der Führer eine adäquate Geschichte zu erzählen.
Karl VI wurde bereits im Alter von 11 Jahren zum König gekrönt (1380), blieb aber bis zum Alter von 20 unter den Fuchteln seiner Onkel und Berater.
Karl VI wurde der Verrückte genannt, weil er immer wieder Phase des Wahnsinns hatte. Die Gründe sind nicht ganz klar. Altgediente Geschichtsschreiber wissen von einer fiebrigen Erkrankung im Sommer 1392 nach deren er eine seiner Wahnsinnsanfällen bekommen hat. Es sollen im Laufe seiner Regentschaft 44 Anfälle mit einer Dauer von drei bis neun Monate und einer ebenso langen Periode der Normalität gewesen sein. Es gibt aber auch eine andere Version wie es zum Wahnsinn gekommen ist. Bei einer großen Feier soll Karl beim Tanzen versehentlich seine Kleidung in Brand gesetzt haben und nur knapp dem Tod entronnen sein.
Bertrand de Guesclin
Oben: Pippin (welcher auch immer), unten: Berthe
Die Ära der Pippins war roundabout 8-9. Jh., die Figuren
entsandten aber vermutlich später.
Er hatte definitv kein leichtes Leben. Sein Sohn, Karl VII (1403-1461), sagte sich früh von ihm los und war bekannt als Herrscher der vor keinem Mord zurückschreckte. Umgekehrt genoss die Frau von Karl VI, Isabella von Bayern (Elisabeth von Bayern), einen sehr schlechten Ruf. Ihr wird bis heute mehr oder weniger Staatsverrat vorgeworfen. Sie beeinflusste ihren vom Wahnsinn geschwächten Ehemann das Abkommen von Troyes (1420) zu unterschreiben, welches dazu führte dass nicht sein Sohn, Karl der VII, sondern ausgerechnet der Engländer Heinrich V zum französischen Thronnachfolger wurde. Nach dem Tod von Karl, dem Verrückten, führte das zu einer Nord-Süd-Spaltung Frankreichs. Der Norden blieb loyal zu Heinrich V., während die Ländereien südlich der Loire treu zu Karl VII. hielten.
Ferner wird Isabella der Hurerei beschuldigt, Verhältnisse zum Schwiegerbruder Herzog von Orléans und Johannes, der Furchtlose.
Auch hier: neuere Geschichtsschreibung pflegt differenzierter vorzugehen. Der Vertrag von Troyes erklärt sich aus der Zwangslage von Isabella. Sollte sie ernsthaft ihren Sohn, Karl VII, zum Nachfolger machen, obwohl er meuchelte was das Zeug hielt (er verbündete sich mit dem Herzog von Burgund, um ihn bei der Unterschrift des Paktes im eigenen Schloss zu ermorden) und nicht davor zurückschreckte Isabella ins Gefängnis zu stecken? Dann schon lieber mit dem Besatzer Heinrich V.
Was die Liebschaften von Isabella angeht: sie wurden häufig kolportiert, aber nie bewiesen. Selbst wenn, es wäre verständlich gewesen, denn es kam immer wieder vor, dass ihr Ehemann sie im Laufe seiner Anfälle nicht wieder erkannte.
Alles ganz spannend, und es ist der Verdienst des Führers diesen Ausschnitt der franz. Geschichte derart packend und detailliert rübergebracht zu haben.
Grabmal von Francois I. und Claude de France
Grabmal von Francois I. und Claude de France
Das Grabmal von Francois I (Francis I, Franz I, Francois d'Angouleme, 1494-1547) und Claude de France (1499-1524) stellt die Abkehr von den bis dato vorherrschenden "Gisants" dar, den liegenden, weißen Grabfiguren auf schwarzem Marmor. Philibert Delorme und Pierre Bontemps entwarfen nach Form eines Triumphbogens eine neue Form des Grabmals. Delorme lebte in Rom und als er 1547 zum königlichen Architekten ernannt wurde, brachte er von neuem italienischen Einfluss in die franz. Architektur ein.
Der Grundaufbau ist neu: eine Art verziertes Todesbett mit König und Königin. Auf dem Dach schließlich die heraufgewanderten Seelen von beiden, kniend zum Gebet. Der Stil des Grabmals ist deutlich von der Renaissance geprägt. Damals eine kleine Sensation, werden König und Königin halbnackt und mit teilweise schmerzverzerrten, ausgemergelten Gesicht gezeigt. Einzug der Natürlichkeit und des Realismus.

Nahansicht von Claude de France, mit entblößter Brust.
Es ist nicht das einzige Grabmal in dieser, aufwändigen Manier. Francois I veranlasste, dass für seinen Vorgänger, den enorm populären Ludwig XII und Anne de Bretagne ein ähnliches Grabmal gebaut wird. Das Gesicht des liegenden Ludwig XII deutlich vom Schmerz und Alter gezeichnet. Auf dem Dach hingegen, ein junger Ludwig XII, kniend betend. Ein Zeichen dass der König im Himmel aufgenommen wurde, die Wiederauferstehung.
Das Grabmal ist, logischerweise, vor dem Grabmal von Francois I. entstanden und stammt noch nicht von Delorme, aber von florentinischen Bildhauern, daher der noch stärkere italienische Einfluss.

Grabmal von Ludwig XII (1462-1515) und Anne de Bretagne (1477-1514)

Mein Lieblingsengel. Komplett verschrobenes Gesicht.
Im Chor, dass ist sozusagen die runde "Hinterseite" im erhöhten Erdgeschoß, sind neben prunkvollen Glasmalereien auch einige Reliquienschreine. Vom Querschiff muss man nicht die Treppe hoch zum Chor nehmen. Man kann auch eine Etage tiefer in den Keller, in die Krypta gehen. Die Krypta ist, wenn man so will, das Fundament der Kathedrale. Hier sind noch Überreste der Karolingerkirche die hier an dieser Stelle 775 geweiht wurde. Hier unten findet man aber nicht nur ganz alte Spuren. Abt Suger ließ die Krypta im 12 Jh. erweitern. Hier ließen sich auch die Könige der jüngeren Vergangenheit begraben, namentlich die Könige aus dem Bourbonen-Geschlecht bis zur franz. Revolution: Ludwig XVI mit seiner Marie Antoinette oder Ludwig XVIII. Es sind auch Denkmäler für Könige wie Ludwig XIV vorhanden, die sich woanders begraben ließen.
Statuen von Ludwig XVI und Maie-Antoinette
Statuen von Ludwig XVI und Marie-Antoinette
angefertigt von i.A. Ludwig XIII
Nach drei Stunden verlasse ich, reichlich geschichtsbesoffen, die Kathedrale. Nein, jetzt nicht einfach den schnellsten Weg zur nächsten Métrostation nehmen. Im Appartement habe ich mir auf der Karte einen Weg ausgeguckt um Richtung Westen eine der zahlreichen Biegungen und Wendungen der Seine zu überqueren und in Gennevilliers die Métro zu nehmen.
Die Vorstädte von Paris genießen keinen guten Ruf. St.Denis ist im Zentrum allerdings keine dieser Trabantenstädte, sondern eine uralte Stadt am Rande von Paris. Entsprechend besitzen die Straßen und Plätze nicht die Berechenbarkeit eines Architekten-Reißbrettes. Es gibt Richtung RER-Bahnhof eine lange Fußgängerzone in der allerdings nahezu alle Läden geschlossen haben. Anhand der etwas verfallenen Fußgängerzone ist es nicht abzuschätzen, ob soviele Läden dicht gemacht haben, oder schlichtweg geschlossen hatten weil es Montag war. Der Anteil der Schwarzen ist sehr viel höher als im durchschnittlichen Paris, vergleichbar allenfalls mit dem 20ten Arrondissement.
Am Ende der Fußgängerzone ist ein größerer Platz. Man geht weiter gerade aus, hat den Bahnhof fest im Visier. Die Schienen der Straßenbahnlinie 1 schwenken auf die Strecke ein. Zweihundert Meter vor dem Bahnhof eine einfache Endhaltestelle mit einer Weiche davor und zwei Gleisen.

Hools in Kirchen
Vor dem Bahnhof tummeln sich viele ältere Nordafrikaner, es tost das Leben, kleine und große Imbissstände, verschiedenen Gerüche, man läuft Slalom zwischen die Araber durch. Dann die lange, hell gekachelte Tunnelröhre unter den zig Eisenbahngleisen durch. Zwei fette Straßen direkt am Seineufer werden überquert, dann die Brücke über die Seine genommen, und schon ist man auf einer kleinen Insel, der Ile St.Denis. 500m breit, aber 3-4km lang.
Zuerst macht alles einen aparten Eindruck, mit Hochhäusern aus den Sechzigern, die aber einen gepflegten Eindruck machen, mit kleinen, alten Häusern dazwischen. Alles ist verwinkelt, aber nicht unniedlich. Die Menschen auf der Straße sind aber mit einem Schlag sehr viel jünger. Aus Autos und Häuserfenstern klingt HipHop. Eher die Gangsta-Rap-Vaeriante eines NTM oder Joey Starr. Wenn man sich die Fußgänger anschaut, fragt man sich ob es denn überhaupt noch welche gibt, die in dem Viertel die Schule besuchen Jeder zweite Passant dürfte ein Schulschwänzer oder Schulabbrecher sein. Wenn man nach Süden abbiegt um die Insel längs zu gehen, ändern sich die Häuser. Es wird ärmlicher, verfallener, teilweise verlassen, teilweise zugemauert um Hausbesetzungen zu vermeiden. Daran schließt sich furchtbarstes Industriegebiet an. Direkt am Ufer der Seine. LKW-Fahrschule, Betonfabrik oder auch völlig verlassene aber halbwegs moderne Flachdachbauten. Eine Gegend die schon längst nicht mehr von Fußgängern belebt wird. Die Sonne brennt, es ist staubig, der Weg nervt.
Ich komme ans Ende der Insel und gehe über eine Brücke Richtung Westen. Ich gehe eine lange Straße runter an der mich noch mehr Gewerbegebiete erwarten. Software, Arzneimittel, Werkstätten. Irgendwo müsste ich eigentlich links abbiegen. Aber ich begehe den Fehler den Straßenschildern mehr zu trauen und folge lieber den Schildern Richtung "Centre" von Gennevilliers. Graue Straße, grauer Bürgersteig, links und rechts graue Betonmauern oder dunkelgrüne Maschendrahtzäune. Ab und zu irrerweise kleine, alte Wohnhäuser. Im Erdgeschoß Restaurants drin, die für 8,- EUR komplette Menüs anbieten und jetzt, gegen drei, völlig leer sind.
Ein Linienbus fährt vorbei, Richtung S-Bahnhof Gennevilliers. In der Ferne, vor der Eisenbahnbrücke biegt er rechts ab. Zehn Minuten später komme ich an die Brücke, aber weit und breit kein Stadtzentrum, geschweige denn Metro zu sehen.
Ich gehe weiter geradeaus, nehme aber nicht die Hauptstraße, sondern eine kleine Wohnstraße die parallel zu verlaufen scheint.
Kleine, leicht verfallene Einfamilienhäuser aus den Vierzigern oder Fünfzigern. Irgendein weißer Pinscher schläft zwischen Fenster und Gitter auf dem Fenstersims. Voraus eine Park- und Sportanlage. Am Horizont sind auch alte, hohe Häuser zu erkennen. Das riecht wesentlich eher nach Stadtzentrum und Métro.

"Espress yourself", nicht unoriginelle Kampagne
von Lavazza (Espresso).
Interessant das Sternchen hinter der Headline.
Unten ist klein die franz.Übersetzung zu lesen.
Zwar gab es seit Jahren ein Gesetz daß eigentlich
eine franz. Zwangsübersetzung vorsah, aber mir fällt
es erst dieses Jahr auf, dass dieses auch wirklich auf
vielen Plakaten durchgeführt wird.
Hinter dem Park eine sehr große Straßenkreuzung mit Straßen gen Paris. Busse fahren stattdessen in eine kleine Straße rein. Ich folge den Bussen und bin zehn Minuten später am Rathaus von Gennevilliers. Ein sehr großes, modernes Rathaus, mit Konzertsaal und Bibliothek. Sehr viele Menschen, eine große Bushaltestelle. Nur von einer Métro keine Spur. Endlich ist aber ein Umgebungsplan zu sehen. Ich muss nur noch die etwas größere Straße gen Süden runtergehen, und wäre dann bald an der Endhaltestelle der Métro.
Links und rechts ziehen sich zuerst Trabantenhäuser hoch, aus den Sechzigern und Siebzigern. Sichtbar ist aber das Bemühen, diese angenehm zu gestalten. Frische Farbe, Umbaumaßnahmen, sehr, sehr viel Grün. Dann kommen wieder die typischen, kleinen 1-2Familienhäuser, grau in grau. Farbe die von den Fensterläden abblättert. Viele kleine Bistros und Imbisse. Es wird wieder arabischer. Immer mehr arabische Imbisse, eine Reihe von kleinen Reiseunternehmen die günstig Busreisen nach Marokko und Mekka anbieten. Es kommen Araber entgegen, die große blau oder rot karierte Kunststofftaschen geschultert haben, ausgebeult, weil vollgepackt. Solche gefüllten Taschen stapeln sich auch in den Reisebüros. Und mit einem Schlag bin ich in einem Busbahnhof und an der Endhaltestelle der 13.

#: Le Job

Montag "Urlaub" ist für einen Selbständigen relativ. Und so kam vor meiner Abreise die Anfrage eines Kunden, ob es möglich wäre während meiner Abwesenheit aus Aktualitätsgründen einige Seiten auszutauschen.
Ich appellierte an den Webdesigner in ElvisKoyak. Soweit hatte ich alle Dateien vorbereitet und er musste nur zum gegebenen Zeitpunkt, dem Montag, die Dateien auf dem Webserver umbenennen.
Am Montag stehe ich gegen elf auf dem Vorplatz der Kathedrale von St.Denis und rufe ElvisKoyak an. Der kommt schnell ins Stottern. Er verstünde es nicht. Er hätte die Dateien umbenannt, aber im Browser wäre keine Änderung zu bemerken.
In der folgenden halbe Stunde gehen wir alles durch. Spielt das Browsercache verrückt? Spinnt irgendwo ein Proxy? Es wird immer verblüffender. Selbst der Google-Übersetzungsservice, der die Seite garantiert ohne Proxy und Cache anzeigt, spuckt die alte, unveränderte Seite aus. Auch zwei weitere Personen, fernab von Proxys, sehen nur die alte Seite. Als ElviyKoyak sich dann die Sourcedateien direkt auf dem Webserver ansieht, werden die neuen Seiten als Quelltext angezeigt...
Wir behelfen uns mit dem Glauben, dass der Host irgendeine Schweinerei mit dem Webserver veranstaltet und wir die ganze Zeit ein altes Cache zu sehen bekommen. Deshalb lassen wir die Geschichte erst einmal auf sich beruhen. Ich zolle der gotischen Architektur meinen Respekt und lege mein Geld in DVDs an. Als ich am späten Nachmittag von FNAC Ternes zum Arc de Triomphe gehe, rufe ich ElvisKoyak noch einmal an, um mich über den Stand der Dinge zu informieren. Unverändert, die im Browser zu sehende Seite zeigt immer noch keinerlei Änderungen an. Ich setze mich am Platz an einem Zaun nieder, während der Verkehr brüllt, und die Touris im weiten Kreis um den Triumphbogen laufen. Die untergehende Sonne brennt mir in die Visage und ich ziehe meine Kappe noch tiefer als sonst üblich. In der folgenden halben Stunde konstatieren wir uns gegenseitig unsere eigene Ahnungslosigkeit Ich schwärme am Handy von dem besseren Funknetz in Paris, mit dem ich im Gegensatz zu Hamburg sogar in der Métro telefonieren kann, steige die Treppe in die Métro hinab. Prompt reisst die Verbindung ab.
Dienstag Nach dem Duschen gehe ich ins Zimmer und sehe dass ein Anruf aufs Handy gekommen ist. Die Anrufende ist schnell als die Kundin identifiziert. Anruf bei ElvisKoyak: hat sich was auf der Website getan? Nein, es werden immer noch die alten Seiten aufgerufen. Ich versuche ElvisKoyak dazu zu bringen mir Zugangsdaten für einige Internet-by-Call-Dienste in Frankreich zu recherchieren. Aber ohne Erfolg. Die drei die wir abklappern, besitzen entweder einen eigenen Client oder es muss eine CD angefordert werden.
Anruf beim Kunden. Erklären der Situation. Meine Stimme ist belegt, ich klinge bestimmt nicht überzeugend. Zusichern dass bis spätestens zum Spätnachmittag die Situation geklärt ist.
Ich finde auf meiner Festplatte zwei Jahre alte Zugangsdaten von zwei Internet-by-Call-Diensten. Einer funktioniert nicht, ein anderer funktioniert, aber anscheinend bin ich als User dort ausgetragen worden.
Anruf beim Onkel. Nein, er kennt auch keinen Dienst, er würde zuhause über den firmeneigenen Internetzugang reingehen, der aber Sicherheitscodes erfordert und daher seine Anwesenheit. Er würde nicht vor 18h zu Hause sein.
Anruf beim Host der Website. Besetzt. Zehn Minuten später noch ein Versuch. Besetzt.
Es ist elf Uhr und ich ziehe los um ein Internet-Café zu finden, an dem ich mein Powerbook anschließn kann, um auf den Server rauf zu kommen und mit eigenen Augen das Problem zu sehen.
Dunkel konnte ich mich erinnern im vorigen Jahr ein Internet-Café an einen der beiden großen Boulevards Richtung Montparnasse gesehen zuhaben, die Avenue du Maine oder den Boulevard Raspail.
An der Avenue du Maine nix, nix am Bahnhof, nix im Einkaufszentrum. Auch am Boulevard de Raspail sehe ich nix. Ich kann mich nicht erinnern damals an der Fondation Cartier vorbeigekommen zu sein, also lohnt es sich gar nicht den Boulevard nochweiter ostwärts runter zu laufen. Ich mache stattdessen gleich die Biege zum Boulevard de Montparnasse. Bingo, gleich auf Anhieb sehe ich dort ein Internet-Café. Ich gehe rein, links und rechts jeweils zehn Rechner, zwei Kids die Counterstrike o.ä. spielen. Ich gehe zum Tresen, spreche den Mann an. Ja, nein, den Anschluß eines eigenen Laptops würden sie nur erlauben wenn man ein Wochenabo für 50,- EUR kauft. Halsabschneider!
Auf Verdacht beschließe ich in Richtung belebter Straßen mit Jungvolk zu gehen. Ich bin bereits in der Nähe des Studentenviertels, also gehe ich zum Boulevard St. Michel.
Und ich habe Glück. Mit Beginn des Jardin Marco Polo, dem südlichen Fortsatz des Jardin du Luxembourg, sehe ich auf der östlichen Straßenseite gleich drei Internet-Café fast am Stück.
Beim ersten Café heißt es kategorisch: nein, kein Anschluss von Fremdrechnern. Der Herr hatte offensichtlich nicht sehr viel Ahnung von der Materie. Auf meine Frage ob die Rechner mit Software zur Bearbeitung von Websites ausgestattet sind, sagte er mir, ich solle selber nachsehen. Das zweite Café, 143, Bd. Saint Michel, mit dunkelblauem Schild "Pariswebcenter" oder so, war ein Volltreffer. Ein sehr freundlicher Herr mit etwas höherem Scheitel sagte Hilfe zu, führte mich zu einem Platz wo schon ein Ethernetkabel lose über die Tischplatte lugte.
Screenshot
Neustart ist was für Warmduscher!
Er wurde etwas verunsichert als er sah, dass ich ein Mac hatte. Ich stellte die Netzwerkeinstellungen um. Er lugte über meine Schulter und meinte mit leiser Stimme dass ich jetzt den Rechner dann neu starten müsste. Ich lächelte und schüttelte mit dem Kopf, schmiss Safari an, der zeigte prompt eine frische Yahoo-Seite an. An die Arbeit.
Ich konnte es nicht glauben was ich sah, aber es war wirklich so wie ElvisKoyak schilderte: die Seiten lagen korrekt auf dem Server, wurden aber nicht so im Browser angezeigt. Noch nicht mal im Quellcode des Browsers. Mich beschlich ein Verdacht. Abruf meiner eMails. Keine eMail vom Provider.
Ich rufe mit meinem Handy "meinen" Sachbearbeiter beim Host des Kunden an. Er bestätigt meinen Verdacht. Diese Idioten haben die Website auf einen neuen Server gepackt und gleichzeitig den FTP-Zugang zum alten Server offen gelassen. Und natürlich haben die weder mich noch den Kunden über die Änderung der Zugangsdaten verständigt.
Bad Host. Die wechseln zwei bis viermal im Jahr die Serverkonfiguration und damit die Zugangsdaten. In den anderthalb Jahren in denen die nun die Website hosten, haben die noch nicht ein einziges Mal mich oder den Kunden verständigt. Ich muss immer erst auf Fehlermeldung beim FTP-Zugang oder Management der MySQL-Datenbank stoßen und dort anrufen was los ist. Und als Knüller haben die diesmal den alten FTP-Zugang gar nicht erst geschlossen und wir fummeln uns dort an den Daten tot. Wohlgemerkt: das alles in den sechs Tagen Urlaub, denn am letzten Montag habe ich noch ein letztes Mal Seiten auf dem Server verändert...
Ich wollte schon verbal via Handy loskeulen, als der Mitarbeiter mir trocken sagt: "Tja, da scheint Sie mein Kollege nicht informiert zu haben, ich werde es ihm ausrichten und er wird Ihnen die neuen Zugangsdaten zusenden".
Sollte der Kunde mich noch mal fragen was ich vom Host halte, werde ich den Daumen senken. Also Vorsicht vor Hamburger Hosts die mit "L" anfangen...
Update 2.4.: In der eMail des Host hieß es dann, dass inzwischen die alten Zugangsdaten für den neuen Server übernommen wurden. Als ich knapp eine Woche später wieder auf den Server musste, stellte ich fest: Nö. Haben die Idioten nicht gemacht. Da war der nächste Anruf fällig...
Update: 11.4.: Ich habe inzwischen die Handy-Rechnung bekommen. Während die Rechnung im Schnitt unter 20,- EUR pro Monat bleibt, lag sie diesmal bei 160,- EUR...

#: DVD-Kauf in Paris

[Dienstag mittags] Wenn ich schon durch die Suche nach einem Internet-Anschluß zum Jardin de Luxembourg gespült worden bin, lag es in der Logik gleich die hiesigen Läden dort abklappern. "Arkham Comics" (15, Rue Soufflot) und dann in der 7, Rue Dante "Album DVD".
"Album" ist ursprünglich eine Comic-Ladenkette gewesen, die aber nach und nach mit weiteren Comic-Läden expandierte und rund um die Rue Dante Spezialläden aufgemacht hat: ein Laden für Mangas, ein Laden für US-Comics, ein Laden für Poster und Figuren, ein Laden für traditionelle Comics und schließlich eben auch DVDs. Und das Ganze innerhalb eines Radius von 100m...
"Album DVD" hat sich gegenüber meinem Besuch vom letzten Jahr etwas verändert. Das Angebot an Original-japanischen (bzw. asiatische) DVDs ist noch größer geworden, umfasst nun vier Regale. Das Fernost-Angebot lässt sich dritteln: ein Drittel "Autoren-Film" und Mangas, ein Drittel Martial Arts-Filme und schließlich ein Drittel Splatter-, Gore und Sex-Filme.
Darüber hinaus gibt es noch französische und massenweise US-DVDs. Leider alles recht unsortiert, so dass man sich die Genickstarre beim Stöbern holt. Ich empfehle auch zeitiges Kommen, da ab dem Nachmittag sich der Laden füllt. Und so beengt wie der Laden ist, und so übel wie die DVDs angeordnet sind, holt man sich die Genickstarre, während man einen Rucksack nach den anderen ins Kreuz gepresst bekommt.
Auffällig: eine neue "Bollywood"-Abteilung. Einige französische DVD-Vertriebe starten nun auch Indien-Reihen und Anfang April kommt ein recht opulenter Bollywood-Schinken in die franz. Kinos. Rieche ich da einen Trend?
Audition -- Odishon
"Audition"
Noch etwas: der légère Umgang mit "Erwachsenen"-Material. Sei es bei "Album DVD", sei es in den FNAC-Filialen: kein Problem an 18er-Material ranzukommen. Eine DVD wie "Audition", bei dem heiteres Gliedergeschnetzel stattfindet, ist ganz normal in den Regalen eingeordnet.
Damit wären wir bei FNAC. FNAC ist ein große Ladenkette. Einst als Medienhaus mit etwas höheren Ansprüchen bzgl. Sortiment und Beratung gestartet, sind die FNAC-Filialen in den letzten 20 Jahren wie Pilze aus den Boden geschossen. Zudem wurden einige weitere, spezialisierte Ableger gegründet. So findet man häufig kleine Boden die nichts anderes machen als Filme zu entwickeln und Abzüge zu machen.
Kerngeschaft sind aber immer noch die großen Häusern, in denen man Bücher, Computer, Software, Handys, CDs, DVDs, Fernseher, Kartenvorverkauf et all. findet. Man sollte sich durch die Bandbreite nicht irritieren lassen, das Sortiment ist teilweise immer noch exquisit und die Preise, zum Leidwesen der Einzelhändler unverschämt gut bis akzeptabel.
Das Paris eine internationale Stadt ist, findet man in allen FNAC-Filialen auch mehrere Regale Import-DVDs. Die Filialen selber sind quer durch die Stadt verteilt. Das Angebot unterscheidet geringfügig. Es lohnt sich also nicht extra quer durch die Stadt zu einer anderen FNAC-Filiale zu fahren, nur in der Hoffnung eine rare DVD vielleicht dort zu finden. Aber wenn man schon in der Nähe ist, kann man es riskieren auf einen Sprung vorbeizuschauen.
Die Filialen sind inzwischen so zahlreich, dass ich den Überblick verloren habe. Ich beschränke mich auf die, die ich besucht habe.
FNAC-Forum (Centre commercial Forum des Halles Porte Lescot). Zentraler geht es nicht mehr. In dem gähnenden Loch den der Abriss der alten Markthallen in der Pariser Mitte gerissen hat, hat man nicht nur den größten Pariser Verkehrsknotenpunkt des ÖPNV gebaut, sondern auch gleich ein unterirdisches Einkaufszentrum. Die FNAC-Filiale erstreckt sich über zwei Etage und ist nicht nur die größte Filiale, sondern auch eine (die?) älteste. Alle Produkt-Bereiche werden gleich "stark" angeboten. Allerdings ist die Comic-Abteilung die am besten strukturierte von FNAC, da sowohl in der Sortierung nach Autoren als auch in der Sortierung nach Serien verschwenderisch viel Regalmeter spendiert werden, und zudem auch viel "Independent"-Material angeboten wird. Aber diese FNAC-Filiale ist auch gleichzeitig die am meisten besuchte und daher ab dem Nachmittag hoffnungslos überlaufen. Dann brechen die Schüler und Studenten ein und setzen sich auf dem Boden nieder um Comics zu lesen. So lästig das auch ist, es zeugt von einer gewissen Coolness von FNAC hier nicht einen schreienden Aufpasser rumlaufen zu lassen, der die Kids mit gezielten Fußtritten vertreibt.
FNAC Ternes (26-30, avenue des Ternes). Manchmal auch FNAC Étoile genannt. Meine Lieblingsfiliale. Nicht zu überlaufen, aber sich in einem sehr mondänen Haus befindlich. Die Filiale ist knapp zehn Fußminuten nördlich vom Triumpfbogen. Meiner Schätzung nach die FNAC-Filiale mit dem größten Angebot an Import-DVDs.
FNAC Champs Elysée (Galerie du Claridge - 74, avenue des Champs-Elysées). Eine eher jüngere und kleinere Filiale. Wahrscheinlich war FNAC im Zugzwang nachdem sie gesehen haben wie erfolgreich die Virgin-Megastore-Filiale am "Prachtboulevard" ist. Das Angebot ist gemessen an den anderen FNAC-Filialen nicht erwähnenswert. Der große Pluspunkt hier, sind die Öffnungszeiten. Man macht erst um Mitternacht dicht.
FNAC St.Germain (77-81, boulevard Saint-Germain + 71, boulevard Saint-Germain). Das ist jetzt meine Bezeichnung, denn eigentlich gibt es diese Filiale nicht. Es handelt sich vielmehr um zwei FNAC-Läden am Boulevard St.Germain. Der FNAC Microinfomatique (Computer, Digitalphoto, Handy) ist aus seinem alten Gebäude 5-6 Häuser weiter gezogen, in einem größeren Laden. In die alte Lokalität zog eine FNAC-Filiale für DVDs und Videospiele ein.
FNAC Montparnasse (136, rue de Rennes) und FNAC La Défense (2, place de La Défense). Keine besonderen Stärken oder Schwächen. Erstere Filiale hat den Vorteil bei mir in der Nähe zu sein, letztere liegt im Westen, direkt bei der "Arche", was man sich eh mal ansehen sollte.

#: Speed

Übersicht Metro paris Montparnasse
[Dienstag nachmittags] Das Umsteigen von einer Métro-Linie zur anderen, ist u.U. mit langen Fußwegen durch weiß gekachelte Tunnellabyrinthe verbunden. Während die Haltestellen der 6 und der 13 direkt unterm Bahnhof liegen, liegen die Haltestellen der 4 und der 12 knapp 500m weiter nordöstlich, am entgegengesetzten Ende des Place du 18 Juin 1940.
Der Verbindungstunnel besaß drei Laufbänder, bislang in "normaler" Geschwindigkeit von 2,2kmh, was ungefähr normale Rolltreppengeschwindigkeit entspricht. Das mittlere Laufband ist im Sommer 2002 zu einem "Hochgeschwindigkeits-Laufband" ("Trottoir rapide", auf echt französisch auch "Gateway" getauft) von 11kmh umgebaut worden. Eine Weltpremiere wie man mit stolzgeschwellter Brust verkündet. Wie meine Verwandten mir versicherten, wurde das "Gateway", nach diversen Unfällen und Beinbrüchen wieder gestoppt, weswegen diese überrascht waren von mir zu hören, dass das Laufband wieder in Betrieb genommen wurde. Die ursprüngliche Geschwindigkeit wurde auf 9kmh gesenkt.
Highspeed-Laufband Paris Montparnasse, beginn
Beginn des Highspeed-Laufbandes mit zirka zwanzig Aufsichtsbeamte, knallgelben Infografiken auf Videomonitoren und penetranter Frauenstimme in Endlosschleife.
Am Beginn des Laufband ist erst einmal eine durch gelbe Bänder abgesicherte "Schikane" zu nehmen, eine Art "S-Kurve", damit man nicht versehentlich auf das Laufband kommt. Zudem stehen drei Mann Aufsichtspersonal und passen auf dass niemand mit Stöckelschuhen das Laufband betritt. Ferner sind an der Decke massenweise grellgelbe Warnhinweise aufgehängt: keine Stöckelschuhe, Füße zusammen, am Geländer festhalten ecetera.
Highspeed-Laufband Paris-montparnasse, Warnhinweise
Große Videoleinwände, kleine Warntafeln links und rechts und monoton mahnende Frauenstimme am Übergang Beschleunigungsbereich - 9kmh-Band und später vor dem Bremsbereich.
Die ersten zehn Meter sind die "Beschleunigungsstrecke", beginnend bei 2,7kmh, bevor man auf das eigentliche, 9kmh schnelle, traditionelle Kunststofflaufband kommt. Diese "Beschleunigungsstrecke" erinnert an die Rheumarückenbezüge für Autofahrer: viele kleine Kugeln. Diese Kugeln werden durch Motoren angetrieben und beschleunigen einen nahtlos auf die 9kmh, bevor man an das schnelle Laufband "weitergegeben" wird. Die Füße vibrieren dabei, bekommen quasi eine Massage verpasst. Ansonsten ein Gefühl beim Beschleunigen, nicht unähnlich auf Rollschuhen: man muß sich zwingen die Füße beieinander zu halten.
Métro-Tickets
Neues Design auch bei den
Métro-Tickets. Von der Standard-
Farbe der RATP (grün) zu einem
Verbund-freundlichen neutralem Lila.
Am Ende des orthodoxen Laufbandes kommen wieder animierte Warnhinweise an den Decken und eine automatische Frauenstimme wiederholt endlos die Hinweise: Füße still halten. Gelbe Blinklichter flackern, am Ende stehen sicherheitshalber gleich noch einmal zwei Aufsichtsbeamte. Dann der Übergang vom normalen Laufband zur zehn Meter langen "Bremsstrecke", die wiederum aus zahllosen kleinen Rollen zu bestehen scheint. Man hat das Gefühl das man vom eigenen Gewicht abgebremst wird.
Man steht anfangs vor dem neuen Laufband wie früher als Kind vor Rolltreppen oder Paternoster: man ist sich nicht sicher: soll man nun einen Schritt machen? Wie funktioniert das? Aber es ist natürlich viel Boohay für 6kmh Geschwindigkeitsunterschied.

#: Streik

Dienstag Ankunftstag. Streik der RER (Pariser S-Bahn), sofern sie von der SNCF betrieben werden. Streik von Schullehrern. Letzter Streiktag der technischen Angestellten von Canal+, Live-Übertragungen entfallen.
Mittwoch Streik der RER und SNCF noch bis zum frühen Morgen, 8h.
Freitag Metro-Streik. Auf zwei von 16 Linien fährt nur ein Drittel, auf acht weiteren Linien nur die Hälfte aller Züge.
Samstag Streik von Angestellten der Druckerei des Boulevardblattes "Le Parisien"
Montag Streik der Angestellten der "Banque de France" wg. drohender Umstrukturierungsmaßnahmen. Streik von Schullehrern in Nordfrankreich.
Donnerstag Schulpsychologen in ganz Frankreich streiken. Fünf Eisenbahnergewerkschaften kündigen für nächsten Donnerstag einen flächendeckenden Streik an.
Freitag Die Angestellten einer kleinen franz. Fluggesellschaft blasen ihren für heute anberaumten Streik ab. In Zeiten in denen weltweit die Fluggesellschaften Massenentlassungen wg. fallender Passagierzahlen und Kriegsangst melden, hielt man einen Streik für das falsche Zeichen.

 

Hier geht es zu den dogfood in der zweiten März-Woche....

<<= dogfood-Indexseite

 

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