dogfood August 2003 [1]

Donnerstag, 07. August 2003

[12h48] Irgendwie massiv zu heiß. Ich bin müde, mir fallen die Augen gleich zu. Ich gebe mir gerade eine konzentrierte Dosis Cappuccino... Mal sehen wie sich Lust und Laune weiterentwickeln, evtl. werde ich den Nachmittag in einem Cafe bzw. Kneipe verbringen.
[10h11] Interessante Zahl: langsam, aber stetig bricht der Bahn das Geschäft weg. Durch die Vergabe der Strecke Hamburg-Westerland/Sylt an die Connexx wird der Marktanteil der DB am Eisenbahnverkehr in Schleswig-Holstein auf unter 50% sinken (47%)! (Quelle: HH Abendblatt)
Als Normalverbraucher merkt man nicht viel. Man sucht sich eine Verbindung Bad Oldesloe - Bad Segeberg raus, und merkt plötzlich das die Strecke von der "Nordbahn" betrieben wird, einem Konsortium aus Hamburger HVV und der AKN. Wenn man mit der S-Bahn nach Wedel im Westen oder Bergedorf im Osten rausfährt, sieht man feist bemalte Loks von anderen privaten Betreibern. Auf der Stadtbahn rauscht öfters der FLEX - Flensburg-Express vorbei, mit silbern-gelber Lok und großen blauen Lettern auf den Wagen.
Unauffällig, schleichende Privatisierung, Und nach dem die DB derzeit vom einen PR-Desaster ins andere gerät (Fahrpreise, Verspätungen, ICE3), scheint sie nicht in der Verfassung zu sein, dem viel entgegensetzen zu können.

Buttrig
[09h33] So sieht mein Frühstück und Mittagsessen heute aus. Irgendwelche Keks-Varianten von Chambrior plus Tee (heute: grün Tee mit Orange). Chambrior, weil diese noch etwas buttriger sind, als der gemeine deutsche Butterkeks. Und wenns denn keine Chambrior-Kekse sind, dann Frischei-Waffeln der Hausmarke von Intermarché. Die Frischei-Waffeln immer hinten vom Karton nehmen, weil die Waffeln vorn die alten, harten sind.
Bei Intermarché bin ich fast ausgeflippt. Pistazien-Eis! Im Liter-Pack! In Deutschland!!! Fuck, bei den Temperaturen ist nicht im Ernst daran zu denken die Eispackung irgendwie heil nach Hause zu bekommen...
Wenn ich es richtig gelesen habe, wird Spar Intermarché verkaufen, bzw. Filialen schliessen. Auch wird Abstand von eher hochpreisigen Franzfraß genommen, mehr auf Discounter gemacht. Es heißt also vermutlich langsam Abschied von Chambrior zu nehmen.

Mittwoch, 06. August 2003


Checkliste, anonymisiert
[23h40] Buch -- Das Buch von Wiglaf Droste ("Die Rolle der Frau und andere Liebenswürdigkeiten") hat im übrigen auch praktischen Wert. Enthält sie doch auf den ersten Seiten einen Text der sich als Frauen-Checkliste eignet.
Wie man sieht, erreicht die aktuelle Probantin recht gute Werte, auch wenn noch einige Punkte vorerst offen gelassen werden müssen. Was dann aber auch eher stoisch aufgenommen wurde.
Kenner des Buches werden übrigens bemerken, dass ich eine wesentliche Passagen aus der Seite weggestempelt habe: die Anwendbarkeit der Checkliste auch auf Männer...
[16h20] WebDev -- Natürlich bin ich längstens zuhause (Netzteil zuhause vergessen) und geniesse die milde Zugluft die Beine und Korpus umwehen. Dem PowerBook habe ich eh einen kleinen Ventilator gegönnt.
Darüberhinaus erfolgreich gewesen: meine zerschossene Apache-Konfiguration auf dem PowerBook wieder hingebogen.
Folgendes Problem: auf dem Powerbook ist ein lokaler Webserver (Apache) zum testen. Ich arbeite mit dem Befehl "VirtualHost", einem Befehl der "getürkte" Webadressen nicht ins Internet hinausschiesst, sondern auf meinen lokalen Webserver umlegt. So kann ich im Browser http://www.foo.dev eingeben, und lade wie von einem richtigen Webserver die entsprechenden Seiten.
Nun gibt es neben "normalen" HTML-Seiten auch Seiten die "Server-Programmierung" enthalten, sog. CGI-Scripts ablaufen lassen. Diese müssen/sollten/werden in ein spezielles Verzeichnis gepackt (cgi-bin). Bis dato hatten alle "VirtualHosts" bei mir, auf ein und dasselbe cgi-bin-Verzeichnis zugegriffen.
Das schuf aber nun Probleme, da ich für mehrere Kunden unterschiedliche Konfigurationen z.B. für Content-Management-Systeme (CMS) benötige. Jeder "VirtualHost" braucht also nun sein eigenes cgi-bin-Verzeichnis. Und das hat bei mir bis dato nicht geklappt.
Heute bin ich dem Problem auf den Grund gegangen: ich hatte die "Definition" für den Ort der cgi-bin-Verzeichnisse an die falsche Stelle geschrieben. Sie müssen in den "VirtualHost"-Direktiven rein.
Entscheidend war der Blick in die Fehlerprotokoll-Datei von Apache "error.log". Dort konnte ich erkennen dass beim Versuch auf die Seite cgi-bin/index.html zuzugreifen, ins völlig falsche Verzeichnis gegangen wurde. Ein Blick in ein Apache-Buch zeigte dann wie und wo der ScriptAlias-Befehl zu sein hatte... und funktionierte.
Und im Hintergrund zwitschern irgendwelche Amseln die sich in dem Baum vor meinem Balkon verkrümelt haben.
[12h05] Web -- "Negativität ist unser Core-Asset" ist ein hübscher Slogan der auch auf meiner Brust tätowiert sein könnte (wenn die vielen Haare der Tätowierung nicht im Wege stünden). Insbesondere wenn ich merke, dass dogfood die beliebtere Variante meinerselbst ist. Dann darf auch gerne mal öfters eingedroschen werden, auch wenn das "Opfer" eigentlich klein ist und es möglicherweise "gut gemeint" hat.
Flatterte mir unlängst einer der raren Macromedia-Deutschland-Werbebriefe in mein elektronisches Postfach, in der die gerade erschienene Ausgabe des "MX Magazin" beworben wurde.
Ein einziges Wort ließ den Pressetext ins Lächerliche abgleiten: "Das MX Magazin ist das erste unabhängige Magazin für professionelle Macromedia Anwender".
"Cherchez la femme le 'Wort'!"
Ein Magazin dass sich ausschließlich mit Macromedia-Produkten befasst und für das Macromedia Deutschland ausnahmsweise sein Newsletter-Programm anschmeißt, alleine zum Zweck jenes Magazin zu bewerben...
... wie unabhängig mag das wohl sein?
[12h03] Hmm. Das ist mir so seit längerem auch nicht mehr passiert: ein Screendesign von mir, von dem ich erst nach einer Zeit merke, das es schlichtweg nicht funktionieren kann (wg. Technik). Zum Glück nur für ein privates Projekt. Pfft...
[11h13] Buch -- Das ich 152 Seiten, knapp zwei Drittel, von Wiglaf Drostes Buch "Die Rolle der Frau und andere Lichtblicke" in weniger als 24 Stunden durchgelesen habe, ist weniger der großen Buchstaben, den kleinen Seiten oder dem Freund "Zeilendurchschuß" geziehen, sondern der unterhaltsamen Schreibe.
Droste wird nachgeradezu brilliant wenn er nicht gegen irgendwelche Promis stänkert oder irgendein Pamphlet gegen irgendetwas macht. Richtig groß, Droste würde schreiben "ragend", wird er, wenn er sich ins Privatleben zurückzieht und seine Beobachtungen aufschreibt. Seine Geschichten über einen Portugal-Urlaub, ein Dylan-Konzert, dem Karstadt am Hermannsplatz: grandios.
[10h48] Ausblick auf die nächsten Tage: warum ich Jan Ulrich zu hassen lernte...
[10h06] Apropos beiger, bzw. "Khaki"-farbener Weiber.
Ich habe es gestern gemacht und bin nach Bergedorf rausgefahren, auf der Suche nach meiner "Wagner-Bank". Wenn man am Bergedorfer Bahnhof den nördlichen Ausgang nimmt und, unter Vermeidung aller Tunnels und Brücken, engstmöglich am Bahndamm bleibt, kommt man nach einer Zeit zum Bille-Wanderweg. Jener Weg ist dann auch mit weißem "X" auf den Baumen markiert.
Es dauert eine ganze Zeit bis es "wäldlich" wird. Knapp eine halbe Stunde läuft man entlang der unglaublichsten Biegungen die so ein kleiner Fluß machen kann. Mit anderen Wort: zwei Kilometer gelaufen, aber Luftline 100 Meter absolviert. Man sieht schmierig-fette vierzigjährige Beamte in irgendwelchen abartigen Sporttrikots joggen, oder es laufen dreissigjährige Frauen die wie potentielle Boutiquenbesitzerinnen aussehen. Auch vorhanden: 35jährige Frauen, frisch vom Emanzentreff gekommen, in jene schwarze Pelle gepresst, die schon zu Zeiten der Sydney-Rome'schen Aerobic-Shows out of Mode war.
Der Wanderweg sieht an dieser Stelle so aus, als würde er irgendwo zwischen spießigen Kleingartenparzellen fliessen. Zwischen den Bäumen kaum Gras oder Büsche, sondern jenes fiese Unkrautzeug, von dem man weiß dass es entweder brennt wie Sau, oder beim Verzehr lebensbedrohend ist. Aus der Ferne hört man immer wieder Züge vorbeirauschen.
Dann entfernt sich der mit "x" ausgezeichneter Weg von der Bille, man überschreitet die Hamburger Stadtgrenze und mit einem Mal merkt man nichts mehr von Zivilisation. Im Gegenteil. Auf der Linken schimmert zwischen den Bäumen und Büschen irgend etwas Goldenes. Je mehr das grüne Dickicht aufreißt, sieht man dass es sich um ein Getreidefeld handelt, welches güldenen Abendsonne angestrahlt wird. Auf dem Feld liegen etliche Rollen Heu bzw. Stroh und plötzlich läuft ein kleines Rehkitz übers Feld. An dem Übergang vom Feld zum Wald verharrt es eine Minute, ehe es in den Wald verschwindet. Ein Bild für das zu malen sich etliche Holländer früher die Ohren hätten abschneiden lassen. Mir wurde ganz warm ums Herz.
Eine Minute später kenne ich den Grund, wieso das Reh in den Wald verschwunden ist: es kommt mir entgegen, ist fett, hat ein weißes Shirt und blaue Shorts und schnauft wie beim vögeln. Wieder einer aus der Billstedter Beamtenschaft beim joggen.
Und dann stehe ich im Wald, umgeben von Nadelbäume, 15-20 Meter hoch. Die Bahnstrecke läuft parallel zum Weg. Sehr bald sehe ich einen kleinen Pfad, durchsetzt mit Steinplatten, der nach schräg rechts weggeht. Am Ende kann man eine Bank und einen orangen Papierkorb entdecken. Es ist "meine" Bank.
Gerne hätte ich jetzt einen iPod gehabt, der mir "Ritt der Walküre" oder adäquat salbungsvolles/pathetisches gespielt hätte. Ich sitze auf "meiner" Bank, die Bahnstrecke Hamburg-Berlin zu meinen Füßen, im Hintergrund ein gelber Himmel. Alle zehn Minuten eine S-Bahn oder ein ICE oder Regionalexpress.
Auf der anderen Seite des Bahndamms hört man hinterm Wald irgendwelche Jugendliche beim ballspielen. Auf meiner Seite knirscht immer wieder die Erde unter den Sportschuhen von Finanzbeamten und Boutiquenbesitzerinnen. Ich sitze da, lese Buch oder höre den Schienen zu, wenn sie anfangen wie Metallspäne zu singen um von einem herannahenden Zug zu künden. Eine durchaus praktische Eigenschaft von Schienen, denn so muss Herr oder Frau Selbstmörder nicht die ganze Zeit doof rumstehen, sondern kann sich mit etwas sinnvollem beschäftigen ehe er dann ggf. seinen letzten Gang gen Bahnböschung geht.
Die Frau, höre ich den gemeinen Leserpöbel rufen, was ist mit der Khaki-Frau?
Die Khaki-Frau hatte schulterlange, kastanienbraune Haare, khakifarbenes Shirt und einen engen aber langen khakifarbenen Baumwollrock an. So ein bißchen die Verkörperung der modernen IKEA-Frau.
Seit dem Verlassen des Bahnhof Bergedorfs lief sie immer 3-4 Meter vor meinen Füßen. Sie hatte eine gelbe Tüte irgendeines Elektro-Großhandels. Durch die Tüte schimmerte die "Dagens Nyheter" durch, dem gemeinen "Internationale Presseschau"-Adepten als führende schwedische Tageszeitung bekannt. Sag ich doch, IKEA.
Sie hatte einen äusserst putzigen, ja entenhaften Gang. Der, mit Verlaub, Arsch war nach hinten gestreckt, der Oberkörper hing nach vorne. Gleichzeitig schien der Rock ihr keine großen Schritte zu erlauben. Schulter, Hintern, Arme und Beine bewegten sich in Folge genauso merkwürdig unsynchron wie charmant. An der "Wilhelm-Bergner-Straße" trennten sich dann unsere Wege und ich bog in den Wanderweg ein.
[09h55] An der S-Bahn-Station schoß es mir durch den Kopf: hübsches Bildnis für mein Leben. Die S-Bahn fährt ein, im S-Bahn-Wagen drei Türen. An der vordersten stehen vier Leute zum Ausstieg bereit, an der mittleren Tür drei Leute. Nur an meiner Tür stehe ich alleine. Dabei habe ich die Tür mit Bedacht gewählt, meien Erfahrung spielen lassen, denn die Tür kommt direkt vor dem Treppen-Auf-, besser: -Abgang zum Stehen. Alleine, aber als erster an der Treppe.
Kaum aus der S-Bahn-Station raus, rast ein Mädchen an mir vorbei, dass ich als Azubi aus der Werbeagentur kenne. Sie bemerkt mich nicht, denn sie quatscht mit ihrem Handy. Sie ist in Panik, den sie hat wohl, wie ich den Gesprächsfetzen entnehmen kann, verschlafen. So geht und rennt sie zügigen Schrittes mit ihren knappen, in tarnfarben-beige gehaltenen Klamotten. Sie bricht sich fast den linken Arm, den sie merkwürig abgestreckt vom Körper hält, die linke Hand nochmals abgeknickt. Das Handy in der rechten Hand muß mindestens drei Kilo wiegen, wenn sie derart versucht das Gleichgewicht zu halten.
Alle fünfzig Meter rennt sie los, um nach fünfzig weiteren Metern wieder ins Gehen zu verfallen.
Ich mache ein Abstecher zu "Intermarché" und mir kommt ein sinistrer Gedanke. Als ich sie später in der Agentur am Empfang sehe, beschließe ich sie fertigzumachen und sage "Mein Gott, wie siehst du denn aus? Hast du verschlafen?".
[09h41] Sie sind gegen Viertel nach Acht recht häufige Einsteiger in den 20er: Paolo und Paola. So nenne ich sie. In Anlehnung an sexuelle Vorlieben von TV-Moderatoren die gemeinhin mit dem Attribut "ölig" bedacht werden.
Ich habe sie zum ersten Mal vor einigen Monaten gesehen. Es war nicht nur der Geruch damals, der mich an nächtliche Spiele mit Friedman erinnerte. Beide waren absolut dicht. Vom äußeren Erscheinungsbild eher Stoff als Alkohol. Beide sind sehr hagere Gestalten mit eingefallenen Gesichtern. Paolo hat einen blonden Ponyschnitt und nölt mit nasaler Stimme wie man sie gerne für Tunten benützt. Sie hat rotblonde Haare, ein eher rötliches, sommersprossiges Gesicht, das irgendwo eingefallen aber auch noch zierlich wirkt. Die Stimme noch einmal nöliger. Die Wörter werden derart nachgezogen, daß man das Schlimmste für den IQ fürchten muß. Die Klamotten, es war damals keine dreißig Grad warm, waren von einem Hauch von Nuttigkeit umgeben. Und beide hatten auch noch eine schwarze Promenadenmischung bei sich.
Ich habe sie seitdem noch einige weitere Male gesehen, aber weitaus weniger zugekifft.
Heute hielt sich Paola ein Handtuch gegen die rechte Gesichtshälfte. Als sie es abnahm, war aber nix zu erkennen, ausser einen riesigen, blutigen Pickel... auf der linken Seite.
[09h37] Wie sehr bestimmte Bewegunsgabläufe als morgendlicher Aus-der-Wohnung-ins-Büro-Gänger sich tief in die eigene Psyche eingefressen haben, habe ich heute morgen gemerkt.
Ich war im Bus und merkte plötzlich das mir was fehlte. Mir fehlte eine Bewegung. "Ich habe heute morgen gar nicht gewickelt?!". Ich konnte mich nicht entsinnen das Netzteil meines Powerbooks genommen und das Netzkabel aufgewickelt zu haben. Mir ist zuerst der Gedanke an die fehlende Bewegung und dann an das fehlende Objekt gekommen...
Weswegen ich denn heute auch recht früh nach Hause zurückfahre...
[00h00] "Kaufen -- Lesen -- Siegen"
Nein, es handelt sich dabei nicht um die Reklamebotschaft mit der einst Adolf Nazi "Mein Kampf" in arischen Buchhandlungen bewarb. Es ist vielmehr der geschmackvolle Slogan mit der die "Computerspiele Bild" (oder ist es die "Computerbild Spiele"?) sein Blättchen an den pre- und postpubertären Ballermann bringen will.
Man möchte zur einer langen Philippika ansetzen, aber ich glaube bei soviel dumpfbackiger Sensibilität reicht ein einfaches: "Vollidioten".

Dienstag, 05. August 2003

[14h33] Buch -- Gekauft: Wiglaf Droste "Die Rolle der Frau und andere Lichtblicke" (Reclam Leipzig, Deeplink). Der Klappentext hat mich schlichtweg gekillt.
Aber ich schweife ab vom Schönen, von der Rolle der Frau. Ich spreche nicht von dicken Frauen. Dick bin ich selber. Ich meine nicht das, was spießig und verdruckst als "üppig" oder, Gipfel der Klemmsprache, als "Rubens-Figur" beschrieben wird. Ich spreche von einem kleinen Halbmond unter dem Nabel. Schöne Frauen haben sie, die Rolle der Frau – die süße, kleine Rolle am Bauch.
Einmal, als sehr junger Mann, schrieb ich mit einem schwarzen Edding genau diese Worte auf die hübsche Bauchtasche der neben mir Schlummernden: Die Rolle der Frau. Sie erwachte -- und fragte mich nicht unempört, ob ich sie noch alle hätte. Ich hoffte doch, gab ich zur Antwort, verlegte mich aufs Beschwatzen und Beschwichtigen und war mir sicher, die Sache mit ein paar elegant übertriebenen Komplimenten aus der Welt schaffen zu können. Weil aber in den achtziger Jahren Frauen und Männer erbitterter und prinzipienfixierter aufeinander einhieben, als sie das heute tun, brachte die Sache mir doch Verdruss ein. Vielleicht lag es aber auch daran, dass der Edding acht Tage lang nicht abging.
[10h13] Das Leben ist wie die Eisenbahn. Es fährt auf Schienen. Es gibt Weichen, Schienenstränge die abzweigen, eine Zeit lang parallel zum eigenen Gleis entlanggleiten und dann in einer sanften Kurve nach links weggehen und irgendwann zwischen den Bäumen, Büschen und Häusern nicht mehr zu sehen sind.
Unvermutet tauchen dann links wieder Schienen auf, nur um schnell in einer Unterführung unterhalb der eigenen Gleise hinabzutauchen. Oder sich in einer Weiche mit den eigenen Schienen zu kreuzen.
Flash eins: Die fetten Kinoplakate an den Litfaßsäulen für "Werner -- gekotzt wird später", produziert von der TFC-Trickompany.
Flash zwei: die S-Bahn-Fahrten am Wochenende nach Reinbek/Aumühle raus.
Mitte/Ende 1997, im ersten Jahr meiner Selbständigkeit, bekam ich ein außergewöhnliches und fettes Projekt. Es ging um eine Serie von Lern-CD-ROMs für Schulklassen. Jede CD-ROM bestand aus einem Lernteil, der vom Verlag beigesteuert wurde (Grüße an Ray), und aus einem Spielteil, einem Adventure welches "Hahn Interactive" zu verantworten hatte.
"Hahn Interactive" war 100%ige Tochter der "Hahnfilm AG", einer Trickfilm-Produktionsfirma, die u.a. die ersten "Werner"-Filme hergestellt hat. Daher der erste Flashback.
Hahn saß in Berlin, Prenzlauer Berg, Kastanienalle (Hintereingang). "Hahn Interactive" zeichnete die Animationen für das Adventure und hatte eine Firma beauftragt daraus ein Adventure zusammenzustricken. Aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen zog sich das Projekt dahin und die Firma ist mitten im Projekt abgesprungen. "Hahn Interactive" kam daher auf mich zu, um dieses Projekt zu beenden. Als wäre es der Kuriositäten nicht genug, hatte just zu diesem Zeitpunkt "Hahnfilm" beschloßen "Hahn Interactive" zum Jahresende zu schliessen.
Man ist im August oder September 97 an mich herangetreten. Mein Jobs bestand darin immer phasenweise für 1-2 Wochen nach Berlin zu fahren und dort das Adventure und die Knobelspiele weiterzubringen. Ich arbeitete bei Hahnfilm, in der immer leerer werdende "Hahn Interactive"-Etage. Irgendwann war nur noch ich und der Texter/Projektmanager Armin in der Altbau-Etage. Ab und zu auch einer der Animateure um am Motion-Tracking und Rendering von einigen Trickfilmszenen zu arbeiten.
So morbide sich jenes anhören mag, im Nachhinein war 97/98 die vielleicht schönste Zeit meiner Selbständigkeit. Das Pendeln nach Berlin hat Laune gemacht. Ich bekam Berlin in einer Zeit des Aufbaus mit, mit der S-Bahn am Regierungsviertel entlang fahrend, nach und nach die Gebäude wachsen sehen, die Wiederherstellung der alten Stadtbahn.
Der Job selber war anfangs sehr herausfordernd, da die Materie damals ans Limit meines Könnens ging. Abends habe ich im Appartement in Director-Büchern nachgelesen um für die am nächsten Tag anstehenden Probleme gerüstet zu sein.
Hahnfilm liegt wunderbar am Prenzlauer Berg. Der Haupteingang an der Schwedter Straße, mit einem unscheinbaren Hintereingang, quer durch drei Hinterhöfe, an der Kastanienallee. Die Leute im Animationsstudio sind ein buntes Völkchen, aus aller Herren Länder. Man konnte ihnen beim Scribbeln, Kolorieren oder Rendern über die Schulter gucken. Vorbereitungen für den nächsten Werner-Film, anstehende Premiere für "Benjamin Blümchen". Rendering mit Cell-Shading "Simmsalagrimm" für die ARD.
Gerhard Hahn ist ein recht lauter Mann, mit durchaus großem Ego, aber okay. Ich habe ihn großgewachsen in Erinnerung, eine eindrucksvolle Statur durch die dunkle Riesenmähne und dem kantigen Gesicht. Klein ist die Welt. Als wir zusammen im Cafe saßen (ich glaub' es war das "Schwarz-Rot" in der Kastanienallee, die damals übrigens Sonntag morgens richtig gutes Müsli machten) erzählte er mir grinsend die Story einer meiner ehemaligen Profs aus der FH in Hamburg. Der habe keine Ahnung von der Materie und sei nur deshalb an die Stelle gekommen, weil keiner in der FH seine (fremdsprachigen) Papiere überprüft hat. Am Abend sprang er dann in sein Sportcabrio, lud 2-3 gutaussehendes, weibliches Frischfleisch ein und brauste mit seinem Gasfuß auf und davon.
Da das Trickfilm-Business viel auf ausländische Mitarbeiter setzt, die dann jeweils für ein Projekt einige Monate vor Ort bleiben, verfügte Hahnfilm auch über eine Reihe von Wohnungen und Appartements. Nach einer Zeit hatte ich das Glück in eines der Appartments ein Steinwurf vom Hackeschen Markt zu kommen. 20 Fußminuten von Hahnfilm entfernt, extremstens zentral in Berlin. Darüberhinaus das erste Mal in meinem Leben, dass ich über einen längeren Zeitraum Kabelfernsehen hatte.
Ich hatte über einen anderen Kunden (Tivola) noch einige andere Bekannte und Freund in Berlin. Teilweise überschnitten sich sogar die Arbeiten, so daß ich abends nach der Arbeit bei Hahnfilm in die 20er-Tram stieg, runter zur Warschauer Straße fuhr und dann nach Treptow marschierte um bei Tivola Don auszuhelfen bei der Produktion von Lokalisierungen. Mit der 20 durch das winterliche, dunkle Berlin zu fahren, dann Warschauer Straße aussteigen, ist ein sinnliches Erlebnis der eigenen Art. Sehr ostblock-like.
Meistens habe ich von Hamburg aus den ersten IC nach Berlin genommen, Abfahrt irgendwann kurz vor sechs aus Altona. Der Zug fährt quer durch ganz Hamburg, nach Osten raus. Durch die Marsch- und Industrielandschaften von Tiefstack und Allermöhe. Ein Halt in Bergedorf, einer Stadt in der Stadt Hamburg und dann ging es raus durch den Sachsenwald. Viel Wald, hügelige Landschaft, Böschung rechts links. Die Trasse hat sich teilweise in den Wald eingegraben. Zwischen Bergedorf und Reinbek gibt es eine Stelle die mir bereits bei der ersten Fahrt aufgefallen ist, und nun bei den S-Bahn-Fahrten wieder eingefallen ist.
Mitten im Wald ragt die Gras-Böschung 5-10m über die Gleise raus und an einer Stelle gibt es unvermittelt eine Einbuchtung und es steht auf dem "Gipfel" der Böschung eine Bank.
Ich habe mir bereits damals vorgenommen die Bank irgendwann aufzusuchen. Aus irgendeinem Grund (tiefster Wald?) hat die Bank irgendwas "Wagner-eskes" an sich. Ich fange an dramatische Opern zu hören. Man ist im tiefsten, dunkelsten Wald, folgt irgendeinem kleinen Pfad und plötzlich kommt man an einer Lichtung, steht vor einer Bank und unter sich fahren S-Bahnen mit 80kmh und ICEs mit 160kmh vorbei.
Diese Woche werde ich vielleicht versuchen an die Bank ranzukommen.
Hahnfilm und Gerhard Hahn gibt es immer noch, nur den aktuellen Werner-Film, den macht die Konkurrenz aus Hamburg, die TFC Trickompany.
[10h00] Web -- Bill Maher, den man hierzulande nur durch gelegentliche Auftritte bei Larry King zu Gesichte bekommt, hat ein eigenes Weblog.

Montag, 04. August 2003

[17h06] Job_Web -- Der Arbeitstag heute bestand, und wird noch bestehen, in erster Linie aus Lesen und Recherchieren im Web. Thema ist (immer noch) der Einsatz von Movable Type (MT) als "CMS light". Dabei ging es mir erst einmal darum wie andere Leute Movable Type einsetzen. Konkret: wie eine Website in Movable Type strukturiert wird, welche PlugIns sich anbieten, wie und wo Movable Type sinnvoll mit Perl und PHP ergänzt wird.
Movable Type ist gerade mal zwei Jahre alt aber irrsinnig populär geworden. Alleine die "informationelle Infrastruktur" hinkt nach massiv hinterher. Die Informationen die man über MT zusammenkratzen kann, bewegen sich nahezu ausschließlich auf dem Niveau von Hacks, Tipps und Tricks. Leider befassen sich recht wenig mit dem grundsätzlichen Aufbau. Ein entsprechend geplantes Buch soll wohl bei O'Reilly gekickt worden sein.
Die wichtigsten Artikel stehen wohl derzeit auf StopDesign und bei Matt Haughey:
Heute bin ich einen großen Schritt näher gekommen, bzgl. der Entscheidung wie ich einen Job in MT aufbauen werde. In meinem Fall wird es eine Aufsplittung in zwei "Blogs" geben. Die Grenzlinie erfolgt zwischen statischem und einzupflegendem Content.
Als nächste große Hürde erweist sich die kundenfreundliche Anpassung der MT-Eingabe-Oberfläche. Ein quicker Hack wäre das Fummeln an den MT-Templates, mit dem Nachteil dass bei jedem MT-Update der Hack aufs Neue eingebaut werden müssten. Frage ist natürlich: wenn das System läuft, wie häufig werde ich MT dann noch aktualisieren müssen?
Die Alternative wäre Hardcore: das Basteln einer Web-Applikation die mittels XML-RPC-Schnittstelle mit MT kommuniziert. Richtig, sehr viel mehr habe ich auch nicht verstanden...
[16h44] Beste Tat des Tages: nach Hause fahren, Fenster aufreissen, wohnungsweite Durchzug schaffen und das letzte Drittel "Langnese Cremissimo Pfirsich-Maracuja" killen. Zurück an die Arbeit...
[14h21] Der Ventilator ist längst schon auf drei gestellt. Mir qualmt der Kopf. 's gibt schöneres als bei handgestoppten 57° Außentemperatur Recherche zu betreiben und sich Webseiten nur so um die Ohren zu hauen.
[12h58] Windows -- Nachdem ich nun gerade wieder vom Boden aufgestanden bin und mir den Staub von den Shorts gewischt habe: Mark Pilgrim braucht weniger als fünf Stunden zu seinem Glück.
[10h09] Die nächsten Tage im Spiegel der Hamburger Quecksilbersäule: 29°, 28°, 28°, 30°, 30°, 30°, 32°, 31°, 32°, 32°, 31°. Höchste Niederschlagswahrscheinlichkeit in den nächsten zehn Tagen: Dienstag und Donnerstag mit 30%.
[09h53] Heute morgen meine Schädelrasur aufgefrischt, ergo auch den Nacken rasiert. Wie ich das hasse! Jetzt juckt 2-3 Tage lang der Nacken. Vorallen wenn auch noch ein Hemd dagegenschubbert.
[01h06] Heute war in Hamburg Radweltcup. Die Cyclassics plus das gute Wetter hatten zur Folge dass Fahrräder auf Menschenkörper trafen, für die sie nie gedacht waren. Wo man sich fragte: wie kann sich Mensch auf dem Sattel halten, wenn mindestens 1 Meter Mensch jeweils vorne, links, rechts und hinten über dem Sattel überstanden?
Heute abend ging es wieder mit der S-Bahn nach Osten raus, nach Wohltorf. Seen-Check und Waldspaziergang. Der "Tonteich", ich glaube auch "Sachsenwald-Bad" genannt, war nicht das was ich mir erhofft hatte. Stattdessen abgesperrtes Gelände, 2 Euro Eintritt und Schließung um 19h30. Zumindest offiziell. Ich bin kurz vor neun dagewesen und es war noch einiges an Jugend im Wasser.
Ich bin dann durch ein Naturschutzgebiet Richtung Reinbeker Mühlenteich gegangen. Der Mühlenteich wirkt in Reinbek selber sehr artifiziell, wie für Postkarten aufgebrezelt, aber nach Wohltorf hin, beim Naturschutzgebiet, ist er leise und idyllisch. Zumindest am Südufer. Das Nordufer ist ebenso durchzogen mit Villen wie das Stück Weg zwischen dem Naturschutzgebiet und Reinbek am Südufer. Und offen gesagt, bei den Villen ist mir dann nicht mehr viel eingefallen. Es sind nicht nur die Häuser selber, sondern auch ihre Gärten und ihre Lagen. Blankenese und Elbchaussee wirken dagegen irgendwie prollig.
Reinbek, at least das Stück zwischen See und Bahnhof, wirkt furchtbar kitschig. Im scharfen Kontrast steht die wenigen Fahrzeuge, die zügig durch die kurvige Hauptstraße fahren. Sie haben breite Räder, aus den Boxen wummert Techno oder HipHop und hinterm Steuer sitzt aufreißwilliges Jungvolk.
Was sowohl heute als auch gestern auffiel: abends sitzen in der S-Bahn stadtauswärts entweder Singles/Einzelgänger oder Buddies (zwei Männer oder zwei Frauen), während stadteinwärts Mann plus Frau sitzen.
Zurück ging es dann nicht auf direktem Wege nach Hause, sondern durch die Schanze und in der Marktstraße habe ich in einem Laden ein potentielles Geburtstagsgeschenk gesehen.

Sonntag, 03. August 2003


Die Nachbarin
[17h59] Erste Lebenszeichen einer neuen Nachbarin in der Wohnung unter mir. Die Wohnung unter mir stand nach der Krankenhauseinlieferung der alten Bewohnerin knapp ein dreiviertel Jahr leer. Genauso im übrigen auch die Wohnung neben mir (gleiche Geschichte: alte Nachbarin, Krankenhaus, Leerstand). Und schau an, innerhalb einer Woche sind nun in beide Wohnungen neue Mieter eingezogen. Unten eine "Katja M.". Habe sie noch nicht gesehen. Flip-Flops, Zigaretten (das erklärt den Zigarettengeruch den ich gestern in der Küche gerochen habe), Handy. Dazu lag teilweise die MoPo von gestern auf den Tisch ausgebreitet (einmal lag die Pop-Seite aufgeschlagen, einmal der Hamburg-Teil).
Meine Steuerberaterin wäre fast eine jener Mieter geworden. Für die Wohnung neben mir kam sie einige Tage zu spät, die Wohnung unter mir fand sie, nicht ganz zu Unrecht, zu dunkel.
Abendhimmel über Wiese
Irgendwo bei Mühlenbek
[17h49] Schade das Digitalkameras für Dämmerungslicht nicht taugt. Irgendwo bei Mühlenbek, kurz bevor mich der Geruch von abgeernteten Getreidefeldern übermannte. Völlig wolkenloser Abendhimmel. Nur halblinks zentral liegt ein leichter, rosa-violetter Flaum völlig verloren am Himmel.
Etwas später, es war etwas dunkler, war es die bereits aufgegangene Mondsichel die nur leicht von einem hauch von Wölkchen umflossen wurde, so wie man es teilweise, wenn auch bedrohlicher, in alten Gruselfilmen sieht. Wenn der halbe Mond aus der Wolke hervorlugt.
Filmplakat
The Score
[12h42] Film -- Das rituelle "Apfel-Tarte-machen" am Formel-Eins-Sonntag-morgen läßt es zu, dabei auch noch einen Film "nebenbei" zu sehen. Auf PREMIERE lief heute morgen "The Score" mit Robert de Niro, Marlon Brando und Edward Norton, von Frank "The Muppet Show" Oz.
Es ist ein straighter Safeknacker-Film, ohne großen Schnickschnack. Dank guter Schauspieler und effizienter Regisseur recht nett zum Nebenbei-gucken. Aber wiederum so straight daß ich mich über die recht platte und vorhersehbare Schlußpointe gewundert habe.
Während die großen drei Schauspieler eine suabere Performance abliefern, wundert es einen wie platt die Nebenfiguren, allen voran der Hacker und DeNiros Freundin geraten sind. Dialoge bei denen ich dann doch versucht war kurzzeitig zum Klo zu rennen um mich zu erbrechen.
Auf der anderen Seite gehört jeder Film in dem Marlon Brando noch auftritt um sein Portefeuille aufzubessern, mit spitzen Fingern in den Tresor der wertvollen Kunstschätze gepackt. <verbeug>Er mag ein schräger Kautz sein, aber kann ein Mann mit solchen Augen und solch einem Lächeln schlecht sein?</verbeug>
"The Score" bekommt für nicht-langweilenden Solidät sechs von zehn Motoradmasken in meiner Film-Top-Liste.
[02h27] Zuerst kam der Zusammenbruch des Hamburger ÖPNVs und dann der Zusammenbruch meines Orientierungssinns...
Aus einer Laune heraus bin ich Richtung Osten aufgebrochen. Ich hatte auf dem Stadtplan mir 1-2 Seen in Reinbek, knapp außerhalb Hamburgs, ausgeguckt, wo ich mir dachte das es recht angenehm wäre da mal abends spazieren zu gehen.
Die Rechnung hatte ich nicht ohne den HVV gemacht. Ein Stellwerkproblem in Altona legte die gesamte S-Bahn-Trasse zwischen Altona und Dammtor lahm. Ich musst also von Sternschanze aus erst wieder dei U3 nehmen um zum Hauptbahnhof zu kommen, und dann dort sehen wie die S21 fuhren. Und die fuhren wiederum unregelmäßig, da sie am Hauptbahnhof wenden mussten, statt nach Altona bzw. Sternschanze durchzufahren.
Es war auf dem Hauptbahnhof zum Erbrechen voll. Nicht nur das der Sommerdom war, der HSV sein erstes Heimspiel hatte, die Leute bei gutem Wetter in der Stadt bummeln waren. Nein, es waren ja auch bereits die Vorbereitungen zu den Cyclassics in der Innenstadt im Gange. Dann noch einige ausgefallene S-Bahn-Züge und das Chaos auf dem Bahnsteig war perfekt.
So war ich dann auch erst sehr viel später mit der S21 unterwegs raus aus Hamburg.
Im Hauptbahnhof schlug ich einen Teil der Zeit mit der glorreichen Idee tot, nicht einmal im Kreis rund um Reinbek herumzulaufen, sondern zwei Stationen weiter bis nach Aumühle und dann der Bille nach bis Reinbek oder gar Bergedorf laufen.
In Aumühle noch einmal einen kurzen Blick auf den Stadtplan in der S-Bahnhaltestelle geworfen (ich hatte nur Getränke und Essen mit) und dann gemäß Gedächnis und Orientierungssinn losgelaufen.
Der Fluß schlängelte sich durch den Wald, der Pfad folgte dem Geschlängel. Es ging wild bergauf und bergab. Zahlreiche umgeknickte Bäume. Der Fluß, 5-10m breit, hatte sich manchmal zehn Meter tief eingefressen, mit entsprechend scharfen Kanten am Wegesrand. Ich folgte einem Trampelpfad mit der Markierung "1" und "3".
Und dann kam die Stelle an der mein Orientierungssinn versagte und der Abend eine andere Richtung als geplant nahm, im wahrsten Sinne des Wortes.
Ich hatte mich auf dem Stadtplan verguckt, und ging davon aus dass ich von Aumühle bis Reinbek durchgäng an der Bille entlang marschiere. Der Pfad verließ einmal kurz den Fluß und kehrte an einer Stelle wo plötzlich drei Flußarme waren. Wohin sollte ich gehen? Da ich meinen Weg für recht zentral und bedeutend hielt, dachte ich mir, es müsste der Pfad mit der Markierung "1" sein.
Weit gefehlt. Ich bin in Aumühle die ganze Zeit der "Schwarzen Aue" und nicht der "Bille" von Ost nach West gefolgt. Bis auf dem Flußnamen korrekt. Die "Kreuzung" war der Zusammenfluß von der Schwarze Aue in die Bille. Die Bille floß weiter Richtung Westen. Der Pfad "1" führte aber die Bille flußaufwärts, damit nach Norden und damit in die falsche Richtung.
Um eine etwas längere Geschichte abzukürzen (es gab einen weiteren Irrtum meinerseits), gemerkt habe ich es 6km später(!) als ich die A24 Hamburg-Berlin überquerte.
Okay, also folgte ich der Straßenbeschilderung Richtung Reinbek. 5,8km to go. Ich ging die Landstraße entlang und verfluchte alle Autofahrer die mir mit Abblendlicht entgegenkamen (es war schon dunkel). Nach 5,8km kam dan eine Kreuzung. nach links ging es Richtung "Stadtmitte", es konnte also nicht mehr weit bis zur S-Bahn sein.
Hmmm. Mich machte allerdings sehr schnell stutzig daß ich Reinbek als eher schmale Stadt in Erinnerung hatte. Als ich nach fünf Minuten keine S-Bahn-Brücke passiert hatte, wusste ich das was faul war, zumal die "Stadtmitte" sich dann auch in einer Beschilderung von "Sporthalle", "Tennishalle" und "Grundschule" erschöpfte.
Oh danke, deutsche Straßenbeschilderung. Wie ich inzwischen weiß war dieser Ort nicht Reinbek, sondern "Neuschönnigstedt zu Reinbek". Der wird zwar entfernungstechnisch den Autofahrern als Reinbek verkauft, ist aber legere vier Kilometer (vierzig Fussminuten) nördlich.
Um dann auch diese Geschichte abzukürzen: nach einiger Zeit fand sich dann auch eine Bushaltestelle mit Stadtplan und mir wurde zum ersten Mal gewahr wie weit ich überhaupt vom Weg weg war. Ich hatte keine Uhr und in der Gegend gab es auch keine Fußgänger, ich ahnte aber, dass es knapp werden würde für die letzten S- bzw. U-Bahnen, daher machte es keinen Sinn noch Reinbek anzusteuern, sondern Bergedorf oder Billstedt. Beides gleich weit weg, Billstedt schien mir cleverer zu sein, weil vielleicht etwas mehr Nachtbusse dort losfuhren. Ich war dann "etwas" (ähem) später in Billstedt, 609er-Nachtbus fuhr alle 15 Minuten und nach umsteigen auf dem Rathausmarkt in den 604er, bin ich seit halb drei zuhause.
Kein Handy, keine Uhr, keinen Stadtplan. Soll man nicht machen, aber es ist Teil des Thrills. Wenn man sich nicht auf sowas einlässt, wird man nur das zu sehen bekommen, was man erwartet hat.
Ich bin teilweise kleine landwirtschaftliche Straßen in der untergehenden Sonne gegangen, völlig überwältig vom Geruch frisch gemähten Getreides. Ich habe mich wie bei meinen Großeltern in Frankreich gefühlt. Selbst nach einer halben Stunde konnte ich den Duft noch riechen, nichts mit der Gewöhnung der Nase. Libellen so lang wie eine Hand. Ein Gezirpe der Grillen am Wegesrand, als gäbe es kein Morgen mehr. Aus der Ferne hörte man Motorengeräusche von Mähdreschern.
Die Pfade waren teilweise recht eng. Ich habe mich gefragt wie häufig jemand einen Weg laufen muss, damit die Natur zurückweicht, das Gras ausgetreten ist und die Bäume und Äste zurückweichen. So ein Weg ist eigentlich neutral. Man sieht ihm sein Alter nicht an. Wer weiß, vielleicht bin ich auf der einstigen Wikinger-Autobahn Hamburg-Rostock gelatscht...
Man kommt durch Orte die "Forellenau" oder "Büchsenschinken" heißen.
Groß ist das Sicherheitsbedürfnis der Menschen. Alles, selbst in der entlegensten Walachei, muss eingezäunt werden. Selbst das piffigste Gatter wird mit einem Schild "Privat! Nicht betreten" versehen.
Und es ging natürlich nicht ohne: an einer Stelle wo eine Straße an der Bille angrenzten, standen zwei mittelalte Männer, vielleicht Taxifahrer, mit dem Rücken zum Weg und pissten sich erstmal ihre Diabetes aus den Nieren.

Samstag, 02. August 2003

Chrysanthemen
[18h27] Chrysanthemen haben zwar eine langweilige Blütenform, kaum Geruch, aber die Farbe...
In einer sponaten Abstimmung mit drei meiner sechs Persönlichkeiten entschlossen Hamburgs Osten einen Besuch abzustatten. Ab zur S21.
Flasche Deit Cola
Deit Cola-Mix Citrus: würg
[18h23] Unter der Woche, mal zum antesten, "Deit Cola-Mix Citrus" gekauft. Schwerer Fehler. Dank Süßmittel geschmacklich eher an Palmolive dran, denn an Cola.
[16h32] Kahaii? Wie heiß ist es bei euch draussen? -- Sooooooo heiß: Frisch gewaschene Bettwäsche auf dem Wäscheständer innerhalb von sechs Stunden trocken.
[13h34] Software_Games -- Sim City 4 revisited. Langsam zeichnen sich einige interessante Änderungen in der Spielmechanik gegenüber Sim City 2000 ab. Das Aufbauen einer hochwertigen Stadt ist wesentlich schwieriger. In SC4 wird man anfangs nicht umhin kommen eine "ärmliche" Stadt mit Schwerpunkt Landwirtschaft aufzubauen. Man kann Zonen noch und nöcher definieren, von alleine entstehen keine reichen Gebiete oder Hochtechnologiezentren. Vielmehr müssen Zonen bestimmte Stadien durchlaufen.
Das Anfangsbudget ist mit 100.000 Credits so bemessen, dass man eine Stadt mittlerer Größe aufbauen kann, aber spätestens beim Bauen von Infrastruktur scharf auf die rote Null zugeht.
Seit Sim City 1 unverändert, scheint es mir aber einige Probleme mit dem Simulationsmodell zu geben. Plötzlich entsteht ein großes Haus der höchsten Kategorie, obwohl das Grundstück von zwei Straßen eingekreist ist (Lärm!) und es von Häusern der niedrigsten Kategorie umringt ist (inkl. 2 Arbeitslosen).
Obwohl auf eine Hauptstraße zur Rush Hour ein Stau zu sehen ist, wird in der Verkehrsdichteanalyse dieser Bereich als grün gekennzeichnet.
Überhaupt die Analysen. Es fehlt an ausreichenden Möglichkeiten Verkehrsströme zu analysieren ("von wo nach wo"). Sofern man über kein phänomenales Gedächnis verfügt, gibt es keine Möglichkeit zu sehen wie sich die Zonen verändern. Auch hier: nur der Ist-Zustand wird angezeigt. Bei Gewerbegebieten fehlt eine Übersicht wie es mit der Anzahl an Kunden aussieht.
Unterm Strich ist Sim City 4 herausfordernd, aber nicht so süchtigmachend wie einst SC2000.
[07h47] Maut -- Manch einer wird es in den letzten Tagen gehört, Verkehrsminister Stolpe hat wg. technischer Probleme die LKW-Maut um drei Monate, auf November verschoben.
Auf Dotcomtod hat es nun vom "held-der-arbeit" einen feinen Insider gegeben wie diese Probleme denn nun konkret aussehen: "Noergler nervt die Nachbarn". Vollständiger, aber für das Thema nicht essentieller Thread hier.
[07h25] So wie ich gestern früh ins Bett gegangen bin (= nach Ende der Fußballübertragung), so bin ich heute, ohne Wecker, um kurz nach sechs aufgestanden. Ich habe alle Fenster aufgerissen. Aus dem Küchenfenster nach hinten raus, kommt angenehm kühle Zugluft. Die Luft die von vorne ins Wohnzimmer reinkommt, riecht nach Rasen. Als hätte jemand heute nacht irgendwo Rasen gemäht.
Das Powerbook spielt den Windows-Media-Stream von "France-Info" ab. Während ich abwasche, berichtet France-Info vom "schwarzen Wochenende", dem Hauptreisewochenende Frankreichs. Bereits jetzt, halb sieben, staut sich der Verkehr zwischen Dijon und Lyon und es gibt Wartezeiten an den Autobahn-Maut-Häuschen bei der Ausfahrt aus Paris heraus.
Ich putze einige Fensterbretter und Kacheln auf dem Fußboden, wo der recht farbintensive Blütenstaub der Lilien hingefallen ist.
Immer, immer wieder spielt in meinem Kopf diese Melodie mit Geiger und Cello aus "In the mood for love". Draussen wird es hell. Nein, nicht hell. Hell war es schon um sechs. Vielmehr reißt der Himmel auf. Wenn ich aus dem Wohnzimmerfenster blicke, sehe ich wie links um die Ecke die Sonne in die Straße reinscheint. Inmitten des tiefgrünen Wuschelkopfes des Baumes vor meinem Fenster, leuchten einige von der Sonne bestrahlten Blätter gelb auf.
Gleich wird es wieder Zeit zum Supermarkt zu gehen.

Freitag, 01. August 2003

[12h32] Marie Trintignant ist heute morgen verstorben. Sie wurde, ich glaube gestern, nach Frankreich geflogen. Das Gehirn soll bereits seit zwei Tagen klinisch tot gewesen sein.
[10h53] Apple -- Das Spiel ist immer wieder dasselbe. Kaum bringt Apple ein neues Rechnerdesign raus, heißt es: "Boah, sieht das Ding scheiße aus". Ging mir früher nicht anders. Was ich aber inzwischen gelernt habe: abwarten wie das Ding in realiter aussieht. "In Echt" machen die Dinger einfach einen anderen Eindruck, als auf einem platten Photo.
Seit zwei Tagen steht hier im Raum ein neuer iMac. Die iMacs wurden schnell als "Lampen-Macs" verlacht.
Seit zwei Tagen spielen sich aber hier unglaubliche Szenen ab. Jeder der am Büro vorbeikommt, geht rein, schaut sich den Mac an, fragt wer den neuen Rechner bekommt, streichelt über den weißen Fuß und dreht am LCD-Screen. Die Augen sind ganz groß, auf dem Boden sammelt sich der Sabber und durch den Kopf schiessen Mordplänen wie man die Buchhalterin, für die ist der Rechner gedacht, denn umbringen kann. Alle, alle sind sie hierein gekommen. Das Blumenmädchen, der Typ mit dem Muscle-Shirt und dem Tribal-Motiv auf dem Shirt, Grafiker, Kontakt, Texter, alle, alle sind sie gekommen.
Yep, das Ding sieht ja soooooooo scheiße aus... ;-)
[10h31] Handy -- Ich glaube treffender kann man meine Meinung zu Nokias N-Gage nicht auf den Punkt bringen, wie ~stevenf.
[10h18] Mein gestriger Arbeitstag war, rein nach Stunden gemessen, nicht umfangreich, aber intensiv. Ich werkelte an zwei verbesserte Screendesign-Varianten. Ich habe immer wieder Pausen eingelegt, um Abstand zu gewinnen, den Blick aufzufrischen, und dann neue Richtungen der Varianten auszuprobiert oder Details zu verbessert. Mit der Zeit habe ich mich immer mehr darin verbissen, was am Ende des Nachmittages sogar soweit ging, dass ich laut Musik gehört habe (Coldcuts "Solid Steel"-Show) und im Gegenzug die Telefone abgeschaltet (bzw. auf die Handy-Mailbox geleitet) habe.
Ich bin dann gegen sieben vom Büro losgegangen und zu Fuß eine Stunde nach Hause spaziert, quer durch Diebsteich und Eimsbüttel. Mit den Screendesigns habe ich mich gar nicht weiter beschäftigt und sie bis heute morgen liegen gelassen. Schau an: mit einigen Abstand betrachtet, bin ich recht zufrieden damit, wie ich sie weitergetrieben habe. Und das gibt mir heute morgen einige Befriedigung. Mal sehen wie der Kunde reagiert...
[09h39] Jeden Morgen in dieser Woche der gleiche Ablauf. Das Wecken, das Duschen, das Aus-dem-Haus-gehen. Wie auf Autopilot, unabhängig von jeder Notwendigkeit. Ein fast tranceähnlicher Zustand, mit dem Vorteil nicht großartig nachdenken zu müssen. Zumindest nicht darüber.
Auf dem Weg zur Bushaltestelle sehe ich einen recht leeren 20er vorbeifahren. Ein Indiz dafür dass der nächste Bus erst spät kommen und darüberhinaus sehr voll sein wird. Weit gefehlt. Der nächste Bus kam eine Ampelschaltung später. In den knapp einem Jahr in dem ich diese Strecke fahre, habe ich noch nie morgens einen derart leeren Bus gesehen. Am Alsenplatz ist nicht eine einzige Person eingestiegen. Holstenstraße saßen nur noch drei Personen drin. Der Bus ist ohne Stopp von der Holstenstraße zur Endhaltestelle Altona durchgefahren. Niemand der dazwischen aus- oder einsteigen wollte.
Auch der Fußgängerzone in der Ottensener Hauptstraße ging die sonst übliche Geschäftigkeit abhanden. Viele Menschen, ja, aber nicht der sonst übliche Pendlerstrom von und zum Bahnhof Altona. Ich ging sehr langsam, denn ich war zu früh dran. Sogar den schmalen Bürgersteig der Bahrenfelder Hauptstraße konnte man entlanggehen, ohne, wie sonst üblich, Menschen zu umkurven.
Der Bürgersteig war so leer, dass ich das Raster der kleinen roten Backsteine des Fußweges sehen konnte, die Unregelmäßigkeiten und Unebenheiten.
Zahlreiche LKWs oder Transporter wurden entladen, Kisten, Kartons und Paletten in die kleinen Läden gebracht. Der kleine Blumenladen, dessen Öffnungszeiten ich nicht nachvollziehen kann, hatte schon offen. Beim türkische Obstladen schräg gegenüber, bereits in der Friedensallee, schnippelte ein junger Typ an den grünen Trauben herum. Aus dem Transporter drang nicht wie sonst üblich türkische Popmusik, sondern 08/15-Westpop. Ich schlenderte an zahlreichen Geschäften entlang, die noch geschlosen hatten. Z.B. der Friseur, dessen Fenster vom Boden bis zur Decke reichen. Im Sommer werden die Fenster komplett aufgemacht, so daß er zum Freiluft-Friseurladen wird. Dann dringt aus seinem rotorangen Räumen meistens leise Triphop-Musik. Mir fällt heute morgen zum ersten Mal auf, dass der Laden auch kleine Figuren und Skulpturen verkauft.
Der kleine Laden der sich "Cafe Veloso" nennt, hat auch schon auf. Aber wo, mangels Sitzgelegenheiten im Laden, normalerweise auch am frühen Morgen zehn Leute mit ihren Becher auf den Stufen der Hauseingänge, einer kleinen Bank und einigen Pollern sitzen, liest nur eine einzige junge Frau die Mopo.
Ich mache einen spontanen Abstecher zum "Minimal"-Markt um Kekse zu kaufen. Ich habe Hunger. habe bereits gestern abend nichts richtiges gegessen. Außerdem vertreibt es die Zeit. Die Kekse im "Minimal"-Markt waren zwei Cent billiger als ausgezeichnet.
Ich gehe an den rot-gelben Backsteinhäusern der Helmholtzstraße vorbei. Kein Mensch auf der Straße. Zahlreiche Vorhänge die aus offenen Fenstern wehen. Aus einem der Fenster dringt lautes Schnarchen. Die Geräuschkulisse wird aber vorallen von den Mauerschwalben geprägt, die sich die Kehle wundkrächzen.
Ich gehe den kleinen Fußweg an der Schule vorbei, biege um die Ecke und sehe an den Büschen einen älteren Mann auf das Fahrrad steigen. Wahrscheinlich hat er gerade gegen die Mauer der Schule gepisst. Wie ich das hasse. Einer meiner Gewaltphantasien besteht darin solchen Typen beim Pissen derart in den Hintern zu treten, da sie in ihren eigenen Urin fallen.
Auch die Daimlerstraße wirkt verlassen, viele freie Parkplätze.
Es spiegelt mein persönliches Grundthema dieser Woche wieder, welches im Verlaufe des Woche immer stärker in den Vordergrund drang: Rückzug, sich zurückziehen, Isolation. Und gestern mit der DVD "In the mood for love" passend visualisiert wurden.