[20h41] Cookin' -- Dies, meine Damen und Herren, ist das spektakulärste Rezept was ich seit langem ausprobiert habe: „
Die gemeine Keksbäckerei“ auf der FM4-Website.
Ich gebe zu, Mürbeteig ist an und für sich nicht „spektakulär“. Aber das Rezept ist so etwas von kongenial passend gewesen, es eigentlich bar jeder Beschreibung ist. Auf Anhieb, ohne Nachfetten oder Nachwässern, hatte der Mürbeteig EXAKT die notwendige Konsistenz! Die Teigmenge ist nachgeradezu maßgeschneidert für mein Backblech gewesen. Nicht ein Keks, nein, noch nicht einmal ein halber Keks mehr oder weniger hätte es sein dürfen.
Der Rezeptur für den Zuckerguß, muß ich es noch besonders erwähnen, präzise bis auf den allerletzten Kekskrümel im hintersten Eck des Backbleches berechnet.
Unglaublich, so etwas habe ich noch nicht erlebt!
PS: Wer sich fragt was ein „Dag“ ist: 10 Gramm.
Thema ist nicht nur "gender-hopping", sondern auch "wie echt muss ein Blog sein".
Nirgendwo, auch wenn es einige Herren hüben oder drüben des großen Teiches gerne anders sehen würden, steht geschrieben: „Du sollst nur die Wahrheit schreiben“.
Neutral betrachtet, sind Blogs erstmal „nur“ Texte. Es ist für die Qualität des Blogs unerheblich ob es der Wahrheit entspricht oder die Texte einfach nur literarisch gut sind. Das Wissen um die vermeidliche „Wahrhaftigkeit“ erhöht allenfalls den Reiz des „Spannertums“ oder „Big Brother“-Effekt, den der Leser beim Beobachten eines Blogger-Lebens empfindet.
Aber selbst „wahre“ Blogs spiegeln nicht die Realität, sondern nur einen Teilausschnitt wieder. Mehr oder weniger gesteuert, mehr oder weniger um die Unebenheiten des Erlebten beseitigt, die Spannungsbögen oder Pointen im Wege stehen.
Auch das meine Erkenntnis des Jahres 2003: „Kai ≠ dogfood“. Letzterer wird für interessanter gehalten als Ersterer. Letzterer kann sich z.B. den Luxus gönnen und sich hinsetzen und minutenlang an Formulierungen feilen, während für Ersterem das Leben vorallem aus verpassten Gelegenheiten zu bestehen scheint.
Was gibt es außerhalb des Blogs noch über mich zu wissen? Zumindest nichts was ich pauschal für Leser in Düsseldorf, Wien oder Frankfurt interessant hielte. Wenn es das wäre, hätte, würde oder werde ich es im Blog verarbeiten. Das Blog ist eine Quintessenz (m)eines Lebens. Einen Teil der Wirkung beziehen dogfood und andere Blogs aus jenem Interpretationsspielraum, der durch dem entsteht, das nicht gesagt oder geschrieben wird. Hier setzt die Identifikations- und "Personalisierungsarbeit" des Lesers ein, hier macht er/sie/es das Blog interessant. Und entfernt sich noch mehr von der Realität.
Das ist Teil des Spieles, zumindest meines Spieles, als Blog-Schreiber und Blog-Leser. Es entspricht auch dem Spiel das ich als Zeichner vollführe. Wenn von mir die Zeichnung eines reichen Industriellen verlangt wird, zeichne ich einen dicken Mann mit Frack, Zylinder und Zigarre. Das Spiel mit Symbolen, Klischees, Vorurteilen und Schubladen. Nur so wird ohne Vorwissen oder Einführung die Person schnell identifizierbar.
Begegne ich einem solchen Menschen in realiter, packe ich ihn sofort in die „reicher Industriellen“-Schublade. Entscheidend: es obliegt meinen charakterlichen Qualitäten diese Person nicht auf diese erste Einschätzung festzunageln. Diese erste Einschätzung gibt mir vielmehr ein erstes Profil, um zu sehen, wo sich diese Person gemäß oder konträr zu seiner "Schublade" verhält. Zu diesem Spiel der Beurteilung einer Person gehört es dazu, jederzeit zu wissen, was man wirklich über die Person weiß, und was nur Vermutungen sind. Und das Bild über die Person entsprechend anzupassen. Zum Vorurteil wird es erst, wenn man auf seine einmal gefasste Meinung beharrt.
Der Raum eigener Vermutungen ist Spielraum für eigene Phantasien. Dies ist bei allen Kommunikationsformen jenseits der Begegnung aus Fleisch und Blut so. Das ist beim „one-to-one“-Briefwechsel im Postkutschenzeitalter nicht anders gewesen, als beim „one-to-many“-Blogging des Internetzeitalters. Und jede Konkretisierung, wie z.B. ein Bild, beschneidet den Spielraum für die Phantasie. Je vollständiger die Bio des Bloggers, desto weniger reizt es mich die Person zu erarbeiten.
Man verzeihe mir das anzügliche Beispiel, mir ist kein besseres eingefallen, aber wen würde mann lieber haben wollen: die Frau die bereits nackt auf dem Bett liegt, oder die Frau die mann erst noch ausziehen kann (nicht muss!)? Es ist der Unterschied zwischen Geschlechtsverkehr und Sex.
Ich überfliege oder lese Threads in denen die Blogger über sich in aller faktischen Ausführlichkeit schreiben, nur quer. In der Hoffnung nicht zuviel Konkretes zu lesen, mir noch genügend Spielraum wahren zu können und vielleicht im Text einen interessanten Stolperstein aufzutreiben, der gegen den Strich bürsten, gegen das Image das ich mir von der Person aufgebaut habe.
Die reizvollen Blogger sind die, die ich mir erarbeiten kann. Die mir nicht ihre Bio vor die Füße werfen, sondern es mir überlassen nachzufragen. Ich frage solange nicht nach dem „Beruf“, ehe ich mir nicht selber eine Vorstellung gemacht habe, was die Person arbeitet. Nachgucken, lesen, recherchieren. Alle Mittel erlaubt. Blog-Archiv, Google, web.archive.org. Die Krake Internet kriegt auch dich. Und wenn nicht, dann macht dich das nur noch geheimnisvoller. Arbeitest du für die Mafia?
Dies alles lässt die Grenzen zwischen echtem Menschen, Menschen von denen man nur einen Teilausschnitt sieht, und fiktiven Charakter völlig verschwimmen. Die nicht vorhandenen Spielregeln geben es her, dass man sich auch völlig verfremdet darstellen kann. Warum nicht „Gender-Hopping“ betreiben? Warum nicht ambivalent bleiben? Das Medium lässt es zu und bezieht einen Teil seiner Faszination daraus. Die Fairness, im Sinne der Moral, bleibt solange gewahrt, wie aus einer vorgetäuschten Identität kein „Nutzen“ gezogen wird.
Die Definition „
Nutzen“ ist zugegebenermaßen recht wackelig und erstmal nichts anderes als eine Bauchdefinition. Wie sehr am Limit sich einige Geschichten bewegen, zeigt die
„Kaycee Nicole“-Story von Mitte 2001.
Die, gefälschte, Persönlichkeit Kaycee Nicole hat eigentlich keinen materiellen Nutzen aus der Geschichte gezogen. Aber der Charakter und seine Geschichte führten dazu, dass sehr viele Menschen soviel Zeit und Gedanken in Kaycee investierten und damit m.E. jene moralische Grenze überschritten.
All das Gesagte gilt natürlich nur für eine bestimmte Sorte von Blogs, den biographischen Blogs. Bei Blogs eher journalistischer Natur verschiebt sich die Notwendigkeit zur "Wahrhaftigkeit" massiv ans andere Ende der Skala. Solche Blogs werden nur dann mit meiner Aufmerksamkeit bezahlt, wenn ich nach bestem Wissen und Gewissen für glaubwürdig halte. Das verhält sich nicht anders als in meiner Medienrezeption von Zeitung, Radio, Fernsehen und anderen "Old-School-Medien".
Blogs sind aber zu facetten- und zahlreich um mit nur einem einzigen Maßstab gemessen zu werden. Und das ist keine Schwäche, sondern Stärke von Blogs.
[11h39] Movies -- „
Vanilla Sky“. Erste Hürde die es zu nehmen gilt: einen Tom Cruise-Film sehen. Bah! Aber okay, wir sind spätestens seit „Magnolia“ ja tolerant geworden.
Um es vorwegzunehmen: der Film ist gut. Seine Qualitäten erklären sich u.a. aus dem von mir zu „Ice Age“ und „Panic Room“ weiter unten gesagten: „Vanilla Sky“ ist ein Film bei dem der Autopilot im Hirn ausgeschaltet bleiben muss. „Vanilla Sky“ beschäftigt, „Vanilla Sky“ bringt einen auf abwegige Gedanken. „Vanilla Sky“ ist alles, nur kein Mittelmaß und selbst im Scheitern damit größer als Dreiviertel aller Filme.
„Vanilla Sky“ ist ein Psycho-Thriller der die ganze Zeit „Tarnen“ und „Täuschen“ zur Maxime erhoben hat. Ein glücklicher und erfolgreicher Verlagsbesitzer gerät zwischen zwei Frauen, einem Selbstmordversuch und Autounfall, der sein Gesicht verunstaltet und einem Verhör bei der Polizei. Immer wieder legt sich über die Geschichte eine weitere Schicht bis völlig unklar ist, was real oder Traum ist.
Der Film wirkt wie ein Puzzlespiel, bei dem in mehreren Anläufen die Puzzleteile aneinander gelegt werden. Doch immer wieder fehlt ein Teil und das Spiel wird für den neuen Anlauf neu gemischt. Perfekt gemacht, denn jeder Zuschauer kann ein Puzzle-Teil für sich heraussuchen, dass ihm nahe geht, das an ihm nagen wird. „Wahre und reine Liebe“,„Eifersucht“, „Rausch“, „Erfolg“, „Moral“. Gewertet wird nichts, weil die Puzzleteile sofort wieder anders angelegt werden.
Der Film ist cinematographisch wunderbar fotographiert. Wer danach keine Lust auf New York bekommt, ist nicht von dieser Welt.
Nicht nur hierbei erinnert der Film an andere Filme. Es ist nicht nur Tom Cruise der eine Schnittstelle zu Kubricks „Eyes Wide Shut“ legt. „Vanilla Sky“ als „Roadmovie durch die Alpträume“, zeigt wo „Eyes Wide Shut“ gut gewesen ist und wo es seine Defizite hatte. An „Memento“ erinnert das Spiel mit der Zeit, das Zeigen des eigentlich auslösenden Kristallationspunktes erst am Ende des Films.
Tom Cruise ist kein Schauspieler, sondern ein Typ, der immer dann am besten ist, wenn er diesen glatten yuppie-esken Typ spielt: „Eyes Wide Shut“, „Magnolia“. Cameron Diaz in ihrem besten Film. Süßer sah sie noch nie aus.
Kein Film, sondern ein Rätsel. Für den, der sich darauf einlässt. Acht von zehn Punkten im
Film-Ranking.
[11h22] Movies -- „
Ice Age“, ein Computer-Animationsfilm rund um ein Faultier, Mammuth und Säbelzahntiger, die ein aufgegabeltes Kleinkind zurück zu den Menschen bringen.
Der Film lief damals in Konkurrenz zu Pixars „Monsters Inc.“ und es gab nicht wenige die meinten, das „Ice Age“ der bessere Film sei.
Nö. „Ice Age“ ist „nur“ ein durchschnittlicher Film (was aber offensichtlich imer noch besser ist, als einige Fincher-Filme). Handwerklich sind Story und Animationen sauber gemacht. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. So sehr einige Charaktere wunderbar anarchistisch veranlagt sind (Faultier + Eichel-Hörnchen), der Film geht nicht wirklich auf sie ein, die Story bleibt straight auf ihrem Pfad und ist ungefähr genauso überraschend und vielschichtig wie ein McDonalds-Menü. Insofern leider verschenktes Potential.
Apropos verschenktes Potential: das gilt leider auch für die Computergrafik. Die Tiere sind mitunter wunderbar abstrahiert konstruiert (das Faultier oder die wunderbaren Zähne von Mammuth und Tiger). Aber bis auf die Eishöhle, ist die Landschaft, die Umgebung zu ernst, zu realistisch designt. Da hat wieder jemand rechenpower nicht ausgenutzt um seine eigene Vorstellungen umzusetzen, sondern um Realität nachzubilden.
Der Film ist nicht wirklich schlecht, aber besitzt die Halbwertzeit eines McDonalds-Menü. Aussem Kino und wieder vergessen. Next, please...
[10h10] Movies -- „
Panic Room“. Wird es bei
David Fincher zur Regeln immer abwechselnd einen guten und einen schlechten Film zu produzieren? Nach „
Seven“ der Absturz mit dem völlig durchkonstruierten und alleine auf Schlußgag basierenden „
The Game“. Drei Jahre nach „
Fight Club“ nun „Panic Room“ der statt einer Story wieder nur ein „Konstrukt“ mit „Schlußgag“ aufzuweisen hat.
Jodie Foster und Balg ziehen in ein großes Haus in New York ein. Jenes Haus besitzt einen „Panic Room“, eine Art Bunker zum Schutz gegen Einbrecher, Atomkriege u.ä. Es kommt wie es kommen muss: in der ersten Nacht steigen Einbrecher ein, Klaustrophobie-Foster und Diabetiker-Balg rennen in den „Panic Room“. Dummerweise sind die Einbrecher auf etwas aus, was im „Panic Room“ versteckt worden ist.
Der Film braucht eine halbe Stunde bis diese Ausgangssituation hergestellt ist und die restliche Stunde melkt dieses Konstrukt nach kühlem Kalkül aus. Was dann auch schon alles über den Film sagt. Er ist kalt, er ist genauso berechnet wie berechenbar.
Fincher unternimmt nicht den Hauch um gegen das Kalkül zu bürsten. Regel: Alles was anfangs in Großaufnahme gezeigt wird, spielt später eine wichtige Rolle. Regel: Ein Forest Whitaker spielt nie einen wirklich bösen Charakter. Regel: Alles was aufgebaut wird, muss auch benutzt werden. Hast du ein Diabetiker-Balg, laß es an sinkenden Zuckerspiegel leiden. Regel: Dauert der Film knapp anderthalb Stunden, laß alle „Rettungspläne“ in der ersten Stunde scheitern.
Die Story war so fad, dass ich den Film das erste Mal nach einer Stunde weggeschaltet habe und erst im zweiten Anlauf zuende ertragen habe. Der Film ist auch cinematographisch äußerst fad. Abgesehen von diversen Extem-Kameraschwenks gibt es nichts außergewöhnliches zu sehen. Mit einer Ausnahme: in einer der letzten Szene flieht Forest Whitaker in einen Hinterhof, wo die Polizei mit Scheinwerfer und allen Gedöns auf ihn wartet. Draussen stürmt es, Bäume wanken im Wind, Blätter fliegen umher, ein diffuses Lichtgewitter aus Scheinwerferkegeln und vielleicht auch Blitze. Whitaker hebt die Hände und die gestohlenen Aktienpapiere wirbeln weg. Mich hat diese Szene richtig gepackt, eine ganz große Szene. Früher hätten Regisseure ganze Filme nur um solche Szenen herumgebaut. Bedeutungsschwanger, symbolisch. Und in diesem Film wie Luxus wirkend, weil nicht wirklich nicht notwendiger Teil zum Konstrukt „Panic Room“.
Sehr enttäuschender Film. Drei von zehn Punkte in meinem
Film-Ranking.