[01h33] Ach ja, ich wollte noch von Aya schreiben.
Diese Woche war in mehrererlei Hinsicht „Generalprobe“ für die neuen Büroräume. Am Dienstag war Schlüsselübergabe und grobe Planung für Umzug und vorher zu erledigende Arbeiten.
Wir wollten dazu in unseren Räumen frühstücken, was aber nicht ging, da im kleinen Konfi-Raum eine Avid-Anlage aufgebaut war, wo Etagen-Nachbarn schnell einen Dokumentarfilm zusammenschnitten. Man hätte gerade soviel zu tun und so wenig Platz in den eigenen Räumen, ob es da nicht möglich wäre die nächsten Tage... Klar, kein Thema, Räume stehen noch paar Tage leer... Hey, wollt ihr nicht stattdessen bei uns frühstücken? Wir haben Kaffe, Tisch, Stühle und aufgedrehte Heizung.
Done Deal. Flexibilität, Improvisation, Freundlichkeit, was will man von Nachbarn mehr verlangen.
Unseren Flügel der Etage teilen wir mit Aya, die irgendetwas in Richtung Yoga-Kurse macht, und im übrigen die Frau oder Freundin eines unserer Vermieters ist.
Am Montag trafen wir Aya das erste Mal. Der Vorraum zu Ayas Praxis ist eine Gemeinschaftsküche, die ab 1ten Januar nicht mehr „Gemeinschaft“ ist, sondern ausschließlich zu Ayas Praxis gehört. Die Benutzung durch uns, geschieht nur auf dem Wege der „Kulanz“, solange bis vom Vermieter eine kleine Küche bei uns im Konfi eingebaut worden ist.
Jochen fragte ebenso vorsichtig wie umständlich an, ob man den gewissen Krempel vorübergehend in der Gemeinschaftsküche abstellen könnte, z.B. ein Mikrowellenherd. Jochens Rhetorik tänzelte minutenlang um den heißen Brei herum, Aya begriff aber schon nach drei Sekunden worauf es hinauslaufen sollte.
Aya ist ein Kopf größer als ihr Lebenspartner, hatte ein kleines Mützchen, bißchen wie eine Inka-Cap auf, ein grün-blaues Tuch um den Hals gewickelt und war in einer warmen Jacke eingehüllt. Sie hat asketische, harte Gesichtszüge und Augen wie ein Huskie: ohne dass die Augen weit aufgerissen wären, war die Iris in voller Größe zu sehen, eine leuchtend stahlgraue Iris mit einer kleinen, zentrierten Pupille.
Und während Jochen sich um Kopf und Kragen redete, war am Gesicht von Aya deutlich zu erkennen, dass sie Jochen nicht anschauen wollte, da sie sonst ihm mit ihren Augen die Rübe weglasern würde. Sie wusste zu gut was ein Mikrowellen-Gerät bedeuten würde. Yoga-Schülerinnen, denen Millionen von Gehirnzellen alleine beim Durchmarsch durch die Küche wegfrittiert werden würde. Bad Vibes. Stocks on Karma will fall. Chi für'n Arsch. Reinkarnation als Einzeller im Ganges. Und Verspannungen im Nacken
Sie machte das einzig richtige. Anstatt Jochen mit ihren Rasierklingen-Blicken den Schädel zu spalten, schaute sie ihren kleinen Lebensabschnittsgefährten an. Ein Blick der in der geheimen Codesprache der zwischenmenschlichen Beziehungen ungefähr sagte: „Stopf' ihm das Maul, oder ich laß dich die nächsten sechs Monate nicht mehr rauf auf mir“
„Ähh, eh, die Sache ist, hähäh, die...“ warf der Vermieter ein.
Mit solchen Augen wie die von Aya bekommt man bei Max Bahr sogar Farbe die beim ersten Anstrich deckt. Scary.