[16h28] Die Erwähnung des Bistros (
s.u.) fördert andere sinistre Erinnerungen wieder zu Tage.
Mein Vater war Speditionskaufmann und arbeitete in der Altstadt, in einem 60er-Jahre Bürobau an der Curienstraße, gegenüber dem alten Backsteinbau der ZEIT, den Ruinen der
Hammaburg und den Ruinen abendländischer Radiokultur, Radio Hamburg. Der zweite Weltkrieg hat in diesem Viertel zwar einige böse Lücken gerissen, trotzdem ranken noch zahlreiche dreckig-dunkle Backsteinbauten sechs-, achtgeschössig in den Himmel.
Mein Vater ließ sich, so wie ich es als Teen in den 70er und Achtziger Jahren mitbekommen habe, durchaus mit den handelsüblichen Parodien über „
white collar“-Arbeiter karikieren, Stichwort Al Bundy.
Nach Feierabend wurde das Speditionsgebäude verlassen, einmal um den Block, in den
Schopenstehl gegangen, wo an der Ecke zum Kattrepel, im
Miramar-Haus, die Stammkneipe meines Vaters und seiner Kollegen, „
Alt Berlin“, war.
Es war alles so dunkel. Die Häuser in dem Viertel waren dunkel und die Kneipe war auch dunkel. Schummrig. Es wurde einen auf preußisch gemacht. Mit Pickelhaube ecetera. „Rustikal“ nennt man das heute, aber bereits als Kind habe ich nichts damit anfangen können. Auch nichts mit den langweiligen Stammtisch-Gesprächen oder Würfel- und Karten-Spielen.
Mir fallen aber als erstes die „Buletten“ ein. Kalte Buletten. Kriege ich bis heute nicht runter. Kalte Buletten, mit erstarrten, gelblich-weißen Fettbrocken an den Buletten-Rändern.
Es sind die Bilder die bei mir abgerufen werden, wenn Begriffe wie „Kneipe“, „nach Feierabend“ oder „rustikal“ oder „urgemütlich deutsch“ fallen. Und weswegen ich Ekelherpes kriege, wenn ich heute die Schlipsträger sich um 19Uhr in Bistros zusammenrotten sehe.
[13h30] Eine Anmerkung zu
meinem Eintrag weiter unten bzgl. der Konvertierung von RGB in CMYK. Von Ralph und Jan kamen inzwischen zwei ähnliche eMails, die mir die Verwendung des Photoshop-Farbwählers und des „Art Directors Toolkit“ (seit mehr als einem Jahr mit PowerBooks und PowerMacs gebundlet) nahelegten.
Ich brauche dummerweise das Resultat für ein Druckerzeugnis. Jedwede mathematische Konvertierung, und sei der Algorithmus noch so ausgefuchst, liefert auf einem nicht-kalibriertem System wie meines, kein vertrauenswürdiges Ergebnis. Ein Monitor kann nicht alle gedruckten Farben darstellen, ein Buch kann nicht alle auf einem Monitor anzeigbare Farben darstellen. Die RGB- bzw. CMYK-Farbräume sind nicht deckungsgleich.
Ich kann nun für
dieses eine Projekt mir einen neuen Monitor und neuen Drucker anschaffen und mir einen Kalibrations-Dienstleister anlachen oder aber eben mittels gedruckten Farbtabellen arbeiten um dann in Absprache mit dem Verlag vor dem Druck noch ein letztes Mal Hand anzulegen. So schweineteuer Euroskala-Bücher sind (je nach Versionen zwischen 80 und 300,- EUR, plus Billigversion für 20,- EUR), sie kommen immer noch günstiger als das erstere Modell, was für mich wg. meines Schwerpunktes auf On- und Offline-medien „
overdone“ wäre, und im übrigen zeigt dieser Satz auch wieder meine Liebe zu Schachtelsätzen mit beschissener Kommasetzung.
[11h01] Wer ab 18h31 in Hamburg Grafikbedarf, in meinem Fall eine CMYK-Farbtabelle („Euroskala“), braucht, ist aufgeschmissen.
Der hiesige Laden am Schulterblatt zeigte sich um 18h37 geschlossen. Also zum 3er gelaufen, am „Axel-Springer-Platz“ ausgestiegen und mich querfeldein zwischen den Bürobauten und Fleeten der Neustadt gezwängt. Als der Michel, der ab und zu zwischen der Silhouette zu sehen ist, anfängt aus allen Leibeskräften zu läuten, jagt es mir einen kalten Schauer hinunter.
Am Bleichenfleet laufe ich an den Fenstern eines Bistros entlang, werde von einer geschätzten halben Hundertschaft an Schlipsträgern die sich nachfeierabendlich einen hinter die Binde kippen, aber gepflegt, angeglotzt. Als ich in die Admiralitätsstraße einbiege, kommen mir drei Menschen entgegen, die ich dunkel als Verkäufer bei „Sauter & Lackmann“ in Erinnerung habe. Es ist 18h53 und „Sauter & Lackmann“ ist dunkel und verschlossen.
Also den Weg zurück und nach Jahren der Abstinenz mal wieder zu „
Schacht & Westerich“ im Hanse-Viertel gehen. Auf Stadthausbrücke fährt kein Auto, man kann auch bei Rot rübergehen. Sitzen wohl alle in Bistros und knallen sich die Lampen zu. Am Neuen Wall schaut eine Gruppe von Italienern interessiert zu wie Deutsche hupenderweise sich beim Einparken fertigmachen. Zum ersten Mal fällt mir der Klotz von
Marlies Möller auf, den sie am Neuen Wall hingesetzt hat. Es sieht fast wie ein großer unbehauener Stein aus, der einige Sehschlitze nach innen frei gibt, aus denen pures Weiß zu strahlen scheint.
„Schacht & Westerich“ war ziemlich niederschmetternd und darf als Laden für Grafikdesigner die anderes als Copic-Marker kaufen wollen, von der Liste gestrichen werden. Büro-Lrempel wo das Auge hinblickt, plus eine kleine Ecke für die Selbstverwirklicher unter uns, die mit Pastellkreiden oder Ölfarben ihren Lebenspartner malenderweise anöden wollen.
Raus aus dem Hanse-Viertel, quer durch den „Hamburger Hof“, die Colonnaden entlang, an denen schon wieder oder immer noch gebaut wird. Die Rolltreppe zu der kleinen Passsage rauf. Mir fällt zum ersten Mal auf, dass es an der Esplanade Privatwohnungen gibt. Wohungen in die man von der Rolltreppe aus ungeniert reinglotzen kann. Frau XYZ, blond, kurzhaarig, mittleren Alters, arbeitet noch ein bißchen am Schreibtisch, aber im Hintergrund ist auf dem langen, dunklen Holztisch schon für das Abendessen inkl. Weingläser gedeckt.
Die Passage die einst nach irgendeiner Bank hieß, ist immer noch so trostlos wie eh und je. Deckenhöhe geschätzte 2m10, die Hälfte der Läden steht leer, nur der Tee-Laden hält sich wacker. Was man von der Al-Pasha-Filiale im Dammtor-Bahnhof nicht behaupten kann. Weg. Geschlossen. Keine Wasserpfeife mehr.
Über den Theodor-Heuß-Platz rüber, die Rothenbaumchausse ein kurzes Stück rauf, bis zur Moorweidenstraße. Natürlich. „Art Service“ hat auch schon zu. What did I expect? Okay, dann werde ich eben dumm sterben müssen und nicht wissen, wie ich #990000 in CMYK umsetzen soll.
An der StaBi den 5er genommen, nach Hause gefahren. An der Gärtnerstraße sind auf der Kreuzung vier Wagen, inkl. Sanitäter, in einem Auffahrunfall verwickelt. Haben sie den Küblböck schon wieder aus dem Krankenhaus entlassen?