[14h13] Warnung: nicht in den SPAR-Markt Hoheluftchaussee gehen (ex-Safeway). An jeder Ecke lauern gemeingefährliche Ohr-Abkauer.
Ich gehe in den frisch umgebauten Markt rein, um zu gucken was man nun alles auf halber Fläche untergebracht hat. Wie mein Blick durch die Gegend schweift, auf der Suche nach fertig abgepackten Gouda-Brocken, spricht mich auf einmal jemand an. Zwei Köpfe unter mir ist eine verhutzelte, 88jährige Frau, die mir mit dünnen, vertrockneten Ärmchen eine Packung Küchenpapier entgegenhält. Ob ich denn mit meinen gesunden Augen sagen könnte, ob das Papier Weiß sei? „Na ja, es ist eher Altpapier-grau, und...“ -- „Nein, das meine ich nicht, sondern ob da Muster drauf sind, wissen Sie, ich mag nämlich nicht dieses vollgemalte Papier“ ... der Beginn einer längeren Konversation.
Sie wäre fast blind und hätte mich gefragt, weil sie sofort gesehen habe, dass ich ein echter Mann sei (zeigt mit der Hand auf mein aufgeknöpftes Hemd und meine Shorts), nicht sowas verweichlichtes wie diese (Gemurmel), wie die Weiber (murmel).
Das Gequatsche geht weiter und ich frage mich wieso es ihr wichtig sein sollte, blankes Küchenpapier zu bekommen, wenn sie den Unterschied offensichtlich noch nicht mal bemerkt wenn sie sich die Rolle vor die Nase hält?
Heute wäre ja alles anders. Da würden die Frauen arbeiten und die Männer zu Hause hocken. Und die Kinder sollte man (Murmelmurmel) ... vor drei sollte man die sowieso nicht in den Kindergarten schicken (Murmelmurmel) ... und wie mein Mann aus dem Krieg mit seiner braunen Uniform gekommen ist und bei der AOK hier in Hamburg anfangen wollte, haben sie ihm gesagt, dass er lieber in die, na wie hieß sie noch, sagen Se mal ... na .. die SPD eintreten. Neeee, hat mein Mann gesagt, die Partei würde ja nicht vor alles schützen, hätte er im Weltkrieg Mist erzählt, hätten sie ihn auch erschiessen lassen, obwohl er in der Partei drin war (MurmelMurmel) ... die Menschen ändern sich nicht. Auch wenn alles anders ist, es bleibt dasselbe ... (Blubber) ... Früher, nicht ich, haben wir das cleverer gemacht, da haben wir uns den ganzen Tag ausgeruht und wenn der Mann von der Arbeit kam, haben wir angefangen zu arbeiten und der Mann sah das und kam an und fragte ob er mithelfen sollte ... nach dem Krieg hatten wir nicht viel, na, wie nennt man dass, sagen se, wie nennt man das, Haushaltsgeld gehabt, daher habe ich nur Grützwurst gemacht und ... ( ... Laber ... ) aber wir Deutschen, ich sagen ihnen, wenn jetzt mit der EU, da müssen wir aufpassen, sonst sind wir keine Deutschen mehr ...
Offensichtlich froh einem Halbfranzosen mit halbverbrämtem Arier- und Kerle-Geschwätz das Ohr abkauen zu können, bedankte sie sich artig mit einem herzhaften Händeschütteln und ich ließ sie mit ihrem Kindereinkaufswagen und Krückstock alleine.
An der Kasse entpuppte sich das cent-genaue Bezahlen von 6,54 EUR abenfalls konversationsfördernd, weil die Kassiererin sekundenlang auf die Münzen starrte und man förmlich den Abacus im Kopf klackern hörte. Sie entschuldigte sich, sie wäre noch nicht auf Touren blablabla... Dann war auch mein anderes Ohr futsch.