[08h26] Games — Am Dienstag konnte ich nur eine Stunde lang die Tutorials spielen, gestern immerhin zwei Stunden lang die erste Kampagne von
Railroad Tycoon 3, frisch für den Mac erschienen.
Ich brauche für das Spielen immer etwas länger. Eisenbahn-Aficionado der ich bin, wird bei mir die Spielgeschindigkeit selten über die dritte von sechs Stufen („Slow“) geschaltet.
Und wie ist nun Railroad Tycoon 3 (RRT3)?
RRT ist eines meiner persönlichen Kultspiele, Klassiker des Genres, neben
Civilization (was macht der
Sid Meier eigentlich gerade? Schraubt an
Pirates! herum). Diese Spiele begleiten mich nun schon 13 Jahre (RRT1 kam 1991 raus) quer durch verschiedene Plattformen (Amiga, PC, Mac, Dreamcast). Obwohl sie sich gut verkauften, waren es nie Franchises die derart gemolken wurde, wie
The Sims. Drei RRT-Spiele und 2 oder 3 Expansion-Sets über einen Zeitraum von 14 Jahren sprechen Bände.
Sieht als Standbild nicht schick aus.
Man meint, zumindest bei einer 32MB-Grafikkarte, jeden Pixel auf der
Textur zu erkennen. In Bewegung sieht es aber fett aus, wenn man
den Schienenstrang noch bis zum Horizonten nachblicken kann.
Grafik — Am auffälligsten ist die neue 3D-Engine. RRT 1 war Anfang der 90er-Jahre noch gute alte, flache VGA-Grafik. Eine simplifizierte, abstrahierte, halbwegs isometrische Draufsicht. RRT 2, 1998 erschienen und nicht mehr von Sid Meier produziert, wartete mit einer zeitgemäßen Grafik auf. Sogenanntes 2.5D, also Pseudo-3D in vier ausschließlich isometrischen Blickwinkeln. Aber dafür hochauflösend und sehr detailliert.
Mit RRT 3 hält nun echtes 3D Einzug. Man kann in alle Richtungen stufenlos zoomen. Nicht unähnlich WarCraft III verändert sich mit der Höhe des Betrachters auch der Kamerawinkel. Je näher man ranzoomt, desto flacher der Kamerawinkel. Eine übersichtliche Draufsicht gibt es nur aus großer „Höhe“. Und mit der neuen Engine komme ich auch an den Schmerzgrenzen meiner Macs. Mein G4-400 macht mangels 32MB-Grafikkarte schlapp und mein Powerbook G4-800 keucht beim Spielen derart aus allen Ventillationsschlitzen, dass ich fürchte dass es sich in den Holztisch einbrennt.
Daher habe ich vieles an grafischen Details heruntergeschaltet. Beim ersten Anblick sieht es beeindruckend aus. Das wirklich stufenlose Zoomen von der Draufsicht auf eine Deutschlandkarte bis runter zu einem Haus wo man jede einzelne verbaute Holzplanke nachzählen könnte, sieht schon geil aus. Das ganze wird garniert mit Tag/Nachtwechsel (ein Tag scheint ein Bilanzjahr zu sein), auf- und untergehendem Mond und Sonne sowie vereinzelten Regenschauern.
Sieht so eine Großstadt aus?
Aber, zumindest so wie ich die Grafik runtergefahren habe: wenn man sich daran gewöhnt hat, sieht es nicht mehr so prickelnd aus. Die Fahrten aus Lokperspektive ähneln in der Grafikqualität „A-Train IV“ auf der Playstation 1, das nun auch schon sechs, acht Jahre oder so auf dem Buckel hat. Nicht unähnlich RRT2 sieht „Stadt“ eben nicht nach Stadt aus, sondern nach einer Ansammlung von zehn Häusern. Im Sinne des Spiels ist das maßstabsgerecht, im Sinne der Optik... na ja. Ich bin gespannt wie die Geschichte auf einem fetten Rechnersystem aussieht. Die offiziellen Screenshots lassen zwar keinen Quantensprung vermuten, aber 3D-Engines haben es an sich, auf „Stills“ nicht gut auszusehen.
Nahtloses Zoomen von der Übersichtskarte
bis runter zu den Baumwipfeln
Es gibt aber ein anderes, finsteres Problem dass mit der neuen Engine einhergeht. Das Spiel wird unübersichtlich. Die Zeiten sind vorbei, wo man sich einfach mit Cursortasten vorwärts bewegen kann. Die Steuerung an drei Bewegungsachsen entlang ist nicht simpel, zumal die mittlere Maustaste bei mir vom Spiel nicht erkannt wird. Für das Spiel aber fataler: die einzelnen Gebäude sind aus der Distanz nicht mehr auszumachen, die unterschiedlichen Industriegebäude sind zu Gunsten des optischen Realismus alle schlammgrau oder beige und damit nicht mehr per Augenschein zu unterscheiden. Stattdessen muss man mit der Maus drüberfahren um in der Statuszeile den Gebäudetypen angezeigt zu bekommen. Hier hätte man sich zumindest einen Anzeigemodus gewünscht, der wie früher in den RRT-Spielen, die Gebäudetypen zur Kennzeichnung farblich unterschieden hätte.
Auf der anderen Seite ist auch viel Liebe zum Detail zu erkennen. Für das Spiel sinnlose Gebäude wie Wohnhäuser, Kaufhäuser oder Schulen zeigen bei Doppelklick witzige Kommentare.
Immerhin, das muss man der Grafik lassen: sie ruckelt nicht. Mir geht aber darüberhinaus tierisch auf den Sack, dass das „Chrome“, also die Bedienungsoberfläche mit Listen, Buttons u.ä. noch größer und verschwenderischer mit dem Platz umgeht, inzwischen mehr als ein Drittel des Bildschirmes einnimmt und trotzdem z.B. nicht mehr als 4 Züge gelistet werden. Die Zugliste läßt sich zur Anzeige weiterer Züge ausklappen und das „Chrome“ nimmt dann sogar Dreiviertel des Screens ein.
Gameplay — Die Grundprinzipien scheinen unverändert. Schienennetz aufbauen, Waren, Güter, Personen und Post transportieren, Kredit aufnehmen oder Aktien ausgeben, Aktien der Konkurrenz kaufen etc...
Und doch hat sich ein Detail verändert, dessen vollen Auswirkung man erst im Spiel spürt und der den Charakter des Spiels verändert.
Das Wirtschaftsmodell in RRT war bislang simpel: eine Ware wurde von A nach B transportiert. Die Einnahmen richteten sich nach Ware, Entfernung und Dauer des Transportes. Wobei der Faktor „Dauer des Transportes“ je nach Warentyp unterschiedlich ins Gewicht fiel. Bei Kohlen war es wumpe ob der Transport einen Monat oder ein Jahr dauerte, während z.B. ein Lebensmitteltransport sehr schnell wertlos wurde. Der einzige weitere Faktor der noch mit einfloß: konnte der Bahnhof etwas mit der Ware anfangen? Ein Transport von 8 Waggons Lebensmittel in einen Dorfbahnhof war sinnlos, da dass Dorf zur Abnahme nicht groß genug war.
RRT3 hat nun sinistrerweise „Angebot und Nachfrage“ eingeführt. D.h. der Grundpreis einer Ware ist dynamisch. Ein Viehtransport in eine Gegend mit Viehfarmen zu schicken macht wirtschaftlich keinen Sinn mehr.
In RRT3 können diese Preise auf mannigfaltiger Art und Weise abgefragt werden, da hat man sich wirklich Mühe gegeben. Man kann eine Farbeebene über die Landschaft legen und anhand der Farben hochpreisige Regionen erkennen und per Mausrollover den genauen Preis in jedem Quadrat erfahren. In den Bahnhöfen kann man sich eine Liste mit den aktuellen Preisen bestimmter Waren in anderen Bahnhöfen anzeigen lassen, gleichzeitig werden in der Landschaft kleine Preisfähnchen eingezeichnet.
Das Problem ist aber, dass der Preis zu dynamisch ist und sich sehr schnell verändert. Meine Erfahrung nach einem Spiel: es macht im Gegensatz zu früher i.d.R. keinen Sinn mehr, Güterzüge mit einer festen Zusammenstellung fahren zu lassen. Stattdessen empfielt es sich den „Wizard“ in Anspruch zu nehmen und Züge nach dem Motto „Warte bis 1-3 Fracht-Waggons voll sind und fahre dann los“ zu beladen.
Und genau das schmeckt mir nicht. Einerseits führt man ein neues Spielelement ein, andererseits macht man dadurch das Spiel so unkontrollierbar, dass man einen Computer-Assistenten anflanschen muss, der einem nun die Zusammenstellung der Züge abnimmt. Mit meinem aus RRT1 und RRT2 gewohnten „Mikro-Management“ ist RRT3 nicht mehr zu handlen.
Das Problem wird dadurch verschärft, dass die Bahnhöfe keine festen Einzugsbereiche mehr haben und nun auch Waren außerhalb des angezeigten Einzugsbereich verarbeitet werden können (Begründung: „Attraktivität des Bahnhofes“).
Weggefallen ist auch die Möglichkeit Lagerhäuser an Bahnhöfe anzubauen. Dadurch ist es z.B. nicht mehr möglich mit Zug A Vieh von Hamburg nach Hannover zu bringen und Zug B dieses Vieh von Hannover nach München weiter transportieren zu lassen.
Verpackung — Die Verpackung sieht mit dem Prägedruck auf dem Karton schick aus. Die Handbücher sind mir zu dürftig geraten, es sind leider eben nicht alle Optionen oder Features erklärt. Negativ kreidet ich aber dem Spiel den Kopierschutz an: das Spiel kommt, keine Neuigkeit in der Spielebranche, mit zwei CDs an. Auch dies keine Neuigkeit: das Spiel verlangt beim Start dass die zweite CD eingelegt wird. Bislang war es aber auf dem Mac möglich von der 2ten CD sich auf Festplatte ein Image zu ziehen, das Image dann als Volume zu mounten und so dem Spiel das Vorhandensein der zweiten CD vorzutäuschen. Das ersparte das Rumgeschleppe von CDs. Und genau dieser Trick hat bei mir bei RRT3 nicht mehr funktioniert. Eine „Kopierschutz-Idiotie“ auf Kosten des zahlenden Users, danke.
Unterm Strich — ich weiß noch nicht wie meine Bilanz von RRT3 ausfallen wird. Mal sehen was die Langzeit-Motivation macht. Für RRT3 spricht alleine schon die Tatsache, dass es leider keine OS X-Version von RRT2 gibt (ich habe zumindest kein derartiges Update gefunden).