dogfood Januar 2005 [1]

Freitag, 07. Januar 2005

[09h48] Was für ein Sinn macht Kleingedrucktes in der Werbung, wenn das Kleingedruckte nicht leserlich ist?
Unten ist ein Screenshot eines aktuellen T-Online-Werbebanners in Originalgröße. Das Kleingedruckte besteht aus zwei solchen Seiten die jeweils eine Sekunde lang zu sehen sind.
Unter solchen Umständen können wir den gesetzlichen Zwang zum Kleingedruckten gleich in den Gully spülen.
[09h15] Aussichten? Orkanboen, Windstärke 11 am morgigen Samstag.
Als ich heute morgen schlaftrunken aus der Wohnung wankte, habe ich mich die tiefen Windgeräusche erschrocken, die da heftigere Winde ankündigten. Keine Umgebungsgeräusche, nur die kargen, nackten Bäume. Es hatte etwas majestätisches.
[09h09] Links — „Viva — Furzende Klingeltöne“, FAZ, über die Abwicklung von VIVA

Donnerstag, 06. Januar 2005

[10h17] Business — Ich sehe mich gerade gezwungen den Begriff „Dödel“ in ein Projekt einzuführen. So ärmlich ist die deutsche Sprache (oder mein Sprachschatz) bereits geworden. Und sollte icheines Tages auch noch „Nippel“ einführen, erschlagt mich und verscharrt meine Leiche am Elbstrand.

Mittwoch, 05. Januar 2005

[12h36] Comics — IT&W melden dass Will Eisner vorgestern gestorben ist, im Alter von 87 Jahren. Viele Eisner-Comics waren Meilensteine. Teils inhaltlich (Spätwerk), teils im Layout (The Spirit). Meine Lieblingsgeschichte vom Spirit, und einer meiner Lieblings-Comic-Story überhaupt, ist die Geschichte des kleinen Angestellten, der eines Morgens beschließt sich umzubringen. Er fährt aufs Dach eines Wolkenkratzer und will sich vom Dach stürzen. Unterdessen kämpft der Spirit gegen einen Bösewicht.
Der Angestellte springt vom Dach und entdeckt dass er fliegen kann. Er freut sich, er ahnt das sein Leben einen neuen Sinn bekommen kann. Er ist der erste Mensch der fliegen kann! Viel weiter kann er nicht mehr denken, denn er wird von einem Querschläger des Bösewichts getroffen und schmettert als normaler Angestellter, der Selbstmord gemacht hat, auf den Asphalt.
Ich hatte die Freude 1992 bei einem Comic-Seminar in Angouleme zwei Tage lang Will Eisner in Person zu erleben. Irgendwo hatte man sich vorher das Bild des „weisen, alten Mannes“ gemacht und er wurde dem Image gerecht. Ein extrem freundlicher Herr, offen für alles was einigermassen in die Richtung der traditionellen Comics ging.
Aber mir hat sich nichts konkretes eingebrannt. Das ganze Comic-Festival war zu überwältigend.

Dienstag, 04. Januar 2005

[15h25] Zu den martialischen Feierabendfreuden gehörte es gestern mich zu entscheiden ob ich lieber in Sim City 4 neue Wohngebiete an- und Straßenzüge verlege oder in OmniGraffle im Diagramm für eine Flash-Anwendung neue Objekte an- und Linien verlege.
Nachdem ich gestern beides gemacht habe, kann ich sagen: beides hat gleich viel Spaß gemacht.
[10h02] Mal wieder eine kleine Best-Of-Auslese aus dem aktuellen Economist. Der Artikel „When deadly force bumps into hearts and minds“ (leider bezahl-Archiv) gehört zum härtesten Stuff zum Thema Irak, den ich in den letzten Wochen gehört/gelesen habe.
Ein Economist-Korrespondent beobacht die US-Truppen bei der „Arbeit“ in Ramadi.
THERE is only one traffic law in Ramadi these days: when Americans approach, Iraqis scatter. Horns blaring, brakes screaming, the midday traffic skids to the side of the road as a line of Humvee jeeps ferrying American marines rolls the wrong way up the main street. Every vehicle, that is, except one beat-up old taxi. Its elderly driver, flapping his outstretched hand, seems, amazingly, to be trying to turn the convoy back. Gun turrets swivel and lock on to him, as a hefty marine sergeant leaps into the road, levels an assault rifle at his turbanned head, and screams: „Back this bitch up, motherfucker!“
The old man should have read the bilingual notices that American soldiers tack to their rear bumpers in Iraq: „Keep 50m or deadly force will be applied“. In Ramadi, the capital of central Anbar province, where 17 suicide-bombs struck American forces during the month-long Muslim fast of Ramadan in the autumn, the marines are jumpy. Sometimes, they say, they fire on vehicles encroaching within 30 metres, sometimes they fire at 20 metres: „If anyone gets too close to us we fucking waste them,“ says a bullish lieutenant. „It's kind of a shame, because it means we've killed a lot of innocent people.“
And not all of them were in cars. Since discovering that roadside bombs, known as Improvised Explosive Devices (IEDs), can be triggered by mobile telephones, marines say they shoot at any Iraqi they see handling a phone near a bomb-blast. Bystanders to an insurgent ambush are also liable to be killed. Sometimes, the marines say they hide near the body of a dead insurgent and kill whoever comes to collect it. According to the marine lieutenant: „It gets to a point where you can't wait to see guys with guns, so you start shooting everybody... It gets to a point where you don't mind the bad stuff you do.“
Seit dem 1ten September haben die US-Truppen allein in und um Ramadi herum 400-500 Menschen getötet. Die US-Truppen sind zwar gute Soldaten, aber überhaupt nicht für „peacekeeping“ oder „policing“ vorbereitet, was schon bei den Sprachproblemen anfängt (die 800 Soldaten in Ramadi haben 4 Dolmetscher).
Die Angriffe der Aufständigen gehen immer mehr in Richtung „weiche Ziele“, also zivile Ziele wie Versorgungskonvoys, Polizisten, Journalisten. Dazu dann das martialische Auftreten der US-Truppen führt dazu, dass die US-Truppen kaum Unterstützung aus der zivilen Bevölkerung bekommen. In Ramadi weigert sich die irakische Polizei mit den Amis zusammen zu arbeiten, in Mosul im Norden finden die US-Truppen quasi keinen einheimischen Dienstleister mehr, der Aufträge annimmt. Vielerorts bricht die zivile Administration aufgrund von Drohungen oder Anschlägen zusammen.
Am 30ten Januar wird im Irak gewählt. Mehr im Irak-Schwerpunkt der BBC.
[08h57] Apple — Die erste Stufe des MacWorld-Hypes ist gezündet, nächste Woche Dienstag, 18Uhr ist es wiedr soweit und man lauscht den salbungsvollen Worten von „Black Turtleneck“ Jobs.
Selten waren die beiden Spitzen-Gerüchteportale ThinkSecret und AppleInsider so effektiv wie dieses Jahr. Ein neues iLife'05, ein Apple-Office-Programm namens iWork und nun vermutlich auch Adobe Creative Studio 2.0.
Laut AppleInsider soll Photoshop 9 nicht wirklich sensationelles bieten. Am spektakulärsten verspricht die Verknüpfung von externen Grafik-Dateien wie man es von InDesign/Quark kennt: ändern sich die externen Grafikdateien, ändern sie auch in Photoshop ihr Aussehen.
Was für mich der Bringer sein könnte, um die Suite doch upzudaten, ist Illustrator 12, dass doch massiver aufgerüstet sein soll, als erwartet. Es wurde intern viel umgekrempelt, am Mac angepasst und dadurch Performance-Gewinner erzielt und vorallem: die Vektorisierungs-Werkzeuge sollen an das einstige „Streamline“ erinnern, ein seit langer Zeit von Adobe eingestelltes Produkt, dass nie seinen Weg zu MacOS X gefunden hat. Auch im Jahre 2005 wird Illustrator immer noch nicht mehrseitige Dokumente bearbeiten können. Dies soll erst mit Illustrator 13 kommen, im Jahr 2006.
Gerüchteweise soll die Produktaktivierung in Adobe CS 2.0 massiver sein als in der Vorversion.
Wenn Adobe seine neue Suite im März raushaut, so ist dann damit zu rechnen dass auch Macromedia im 2ten Quartal Flash, Dreamweaver und Konsorten auffrischt.

Montag, 03. Januar 2005


„Ist Geborgenheit käuflich“
Ausschnitt aus einem Plakat der Ausstellung „At and Alpha“
[12h08] Auf einmal waren alle Werbeplakate im U-Bahnhof Schlump neu. Regliöse Symbolik gepaart mit Hi-Tech, meistens Kopfhörer, aber ohne Produkt- oder Herstellername. Hmm, Sony mit einem viralen Rettungsversuch für Connect? Der Versuch einer Werbeagentur mit einer Goldidee noch rechtzeitig vor Einsendeschluß in den ADC-Wettbewerb 2005 reinzukommen?
Unten zwei Symbole und die URL: „http://www.atandalpha.com“. Heute habe ich nachgeschaut. Eine Künstleraktion bis Mitte Januar. Mehr im Web bei „@ and α
[09h26] Mit einem Mal fing es zu blitzen an. Fünf Minuten später kam der Hagel. Kichererbsengroße Hagelkörner, zehn Minuten lang. Im Internet ließ sich dann auch unschwer eine Unwetterwarnung (Sturm, Hagel, Schnee) finden.
Der Hagel wurde dann von mächtigem Schneefall abgelöst. Bei plus 3, 4 Grad. Ergo blieb der Schnee nichtwirklich liegen, sondern verwandelte sich in eine furchtbare Pampe.
Heute morgen unverändert, fiesestes Schmelzwetter, tiefe Pfützen auf Straßen und Bürgersteigen.

Samstag, 01. Januar 2005

[17h06] Lesestoff — Nachklapp zu meinem Hartz-IV-in-Action-Beitrag. Inzwischen mit einem zweiten Bekannten gesprochen. 101 Bewerbung, Erfolg gleich null.
In der ZEIT gibt es einen sehr lesenswerten Artikel zu Hartz-IV, der die Reform etwas differenzierter zu betrachten versucht. Hartz-IV bedeutet nicht nur Anziehen der Daumenschrauben, sondern im Idealfall auch eine verbesserte, „ganzheitlichen“ Betreuung von Arbeitslosen
Fazit des Artikels: das Ganze ist ein gigantisches soziales Experiment, dessen Ausgang keiner kennt.
Nach Angaben der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit (BA) kommen in Ostdeutschland derzeit vierzig Arbeitslose auf eine offene Stelle. Zwar kann man aufgrund von Befragungen in Unternehmen davon ausgehen, dass im Osten nur knapp vierzig Prozent der offenen Stellen tatsächlich gemeldet werden. Doch wenn man dies einbezieht, beträgt das Verhältnis noch immer 15 zu 1. Selbst wenn durch Hartz IV alle vorhandenen Stellen besetzt und noch einige neue entstehen würden, weil Arbeitslose sich zu geringerem Lohn anböten es würde nicht reichen. Hunderttausenden Menschen wird das neue Gesetz deshalb keinen Job bescheren, sondern lediglich weniger Geld.
So beseitigt Hartz IV eine alte Schieflage und schafft gleichzeitig eine neue. Die bisherige Arbeitslosenhilfe hat all jene alimentiert, die es sich in der Arbeitslosigkeit bequem gemacht oder einfach nur den Absprung verpasst hatten. Das war unfair gegenüber den arbeitenden Steuerzahlern. Die neue Regelung macht Arbeitslosigkeit unbequem. Aber sie stellt auch all jene schlechter, die händeringend suchen und trotzdem keine Stelle finden.
Die NY Times hat vorgestern ein interessantes Editorial über einen „Kollateralschaden“ der Bushen Antiterror-Politik geschrieben: „Legal Breach: The Government's Attorneys and Abu Ghraib“. Weil der dauerhafte Permalink nicht funktioniert und der Artikel daher in Bälde ins Bezahlarchiv wandert, zitiere ich ihn etwas auführlicher.
To get around the inconvenience of the Geneva Conventions, the administration twisted the roles of the legal counsels of the White House, the Pentagon and the Justice Department beyond recognition. Once charged with giving unvarnished advice about whether political policies remained within the law, the Bush administration's legal counsels have been turned into the sort of cynical corporate lawyers who figure out how to make something illegal seem kosher - or at least how to minimize the danger of being held to account.
[...] „One view of the law and government,“ Mr. Johnson said, „is that good things can actually come out of the legal system and that there is broad benefit in the rule of law. The other is a more cynical approach that says that lawyers are simply an instrument of policy - get me a legal opinion that permits me to do X. Sometimes a lawyer has to say, 'You just can't do this.'“
[...] Normally, the civilian policy makers would have asked the military lawyers to draft the rules for a military prison in wartime [...] But the civilian policy makers knew that the military lawyers would never sanction tossing the Geneva Conventions aside in the war against terrorists.
Deswegen haben zivile Berater im Pentagon und im Weißen Haus an den Militär-Juristen vorbei den Vorschlag gemacht, das Bush fallweise entscheiden könne, wann die Genfer Konvention anzuwenden sei und wann nicht. Bush schloß sich der Meinung an, Guantanamo Bay und später der Irak wurden von der Genfer Konvention „ausgenommen“ und Folter erlaubt.
Es waren anonyme Armee-Juristen die letztendlich Untersuchungsberichte anfertigten, die die Aufdeckung von Abu Ghrarib mit herbeiführten.
Diese Umstände werden nun wieder akut, weil einer der wichtigsten zivilen Berater die die partielle Ausschaltung der Genfer Konvention emfohlen haben, nun Generalstaatsanwalt werden soll.
[16h59] Mein Jahr beginnt mit einer ziemlichen Wut auf den Hamburger Verkehrsverbund HVV. Die Busse gestern fuhren trotz extra verteiltem Sonderfahrplan bereits ab gestern Nachmittag zur recht willkürlichen Zeiten. Zweimal durfte ich am eigenen Leibe erleben, dass 20er alles fuhr, nur keinen 10-Minuten-Takt. Nicht zum ersten Mal seit Weihnachten habe ich das Gefühl dass da einfach der eine oder andere Bus ausgelassen wird.
Was aber überhaupt nicht ging, waren die Platzkapazitäten. Um 18 Uhr der 20er: in beiden Richtungen so voll, dass Leute schlichtweg nicht einsteigen konnten. Um halb acht unverändert: in beiden Richtungen so voll, das an einigen Haltestellen Fahrgäste abgewiesen werden mussten. Um drei Uhr nachts schließlich der 3er stadtauswärts: gleiches Bild.
Zumindest beim 20er war das nun wirklich vorhersehbar, da bereits an normalen Tagen der 10-Minuten-Takt außerhalb der Rush-Hour zu vollen 20er zwischen Holstenstraße und Osterstraße/Gärtnerstraße führt. Wie ich bereits hier mehrfach angemerkt habe: warum der HVV keinen Doppelbus einsetzt, erschließt sich mir nicht.