[12h36] Wenn man sich gestern das Spektakel der deutschen Politik angetan hat, fragt man sich, was einem eigentlich davon abhält deutsche Politiker pauschal als „
asoziales Gesindel“ zu bezeichnen, die jegliche normalen Umgangsformen verlernt haben?
Da werden demokratische Rechte in Anspruch genommen und die jeweils opponierende Partei erhebt ein Tremolo, als hätte man sich eben außerhalb der Verfassung gebombt.
Natürlich hatte die SPD all Recht dieser Welt es mit einer tolerierten Minderheitsregierung zu versuchen. Sie darf es, die entsprechenden Möglichkeiten sind in der schleswig-holsteinischen Verfassung festgeschrieben, so what. So viel Speien kann ich gar nicht, wie ich angesichts der Aufregung von CDU und FDP gemocht hätte.
So, und nun hat jemand, vermutlich von der SPD, in einer geheimen Wahl wieder und wieder der Minderheitenregierung seine Unterstützung versagt. Auch das ist demokratisch völlig legitim. Angesichts des Aufschreis den es nun um diesen „Nein-Sager“ gibt, kann man nachvollziehen, warum dieser in Deckung bleibt. Wenn man sich in den letzten Jahren die Sprüche von Müntefering zum Thema „Fraktionsdiziplin“ anhört, dann ist es nachgerade logisch das man lieber anonym bleibt. Verwerfenswert ist allerdings, dass der Abtrünnige bei den angeblich geheimen Probewahlen der SPD-Fraktion sich nicht ebenfalls der Stimme enthalten hat und Simonis ins offene Messer rennen ließ. S.o., „Umgangsformen“.
Ob nun Kiel oder Berlin, es ist das Geplänkel um die Sachfragen rundherum, das bei mir ein gewisses Aggressionspotential gegenüber Politiker aufbauen läßt. So wie Heide Simonis gestern vormittag in der Kirche schnippisch ihren eine Bank weiter hinten sitzenden Konkurrenten Harry-Peter-Harry ignoriert hat, die unbändige Freude von Peter-Harry-Peter dass sich Simonis mit derartiger Brutalität (vierter Wahlgang!) selbst zerlegt. Das affige, weil von langer Hand vorbereitete Rede-Duell von Schröder und Merkel, das Aufplustern von FDP-Gerhardt, blablabla. Nicht ein Jota eigener Gedanke außerhalb der qua Parteibuch angenommenen Ideologie.
Und dann gab es gestern nachmittag im „Deutschlandradio Berlin“, in der 17h-„Ortszeit“ einen Beitrag über die wirtschaftliche Situation eines kleinen sächsischen Mittelständler, das erhellender war, als all das Papier von dem in Kiel und Berlin abgelesen wurde. Ein sächsischer Unterwäsche-Hersteller, der langsam aber sicher gen Wand gedrückt wird und der schilderte wie sinnlos all das Gefasel um Steuererleichterungen ist, da Unternehmen wie er, von Bürokratie erstickt werden. Zillionen von Kammern, Verbänden und Verordnungen. Hier mal 100 Euro, dort mal 100 Euro. Für irgendein Papier eines Angestellten in einem anderen Bundesland (war es eine Arbeitserlaubnis?) musste er 11 verschiedene Stellen anlaufen und zahlte 125,— EUR Gebühren, während die Steuererleichterungen an ihm vorbeirauschen. Behörden und Kammern mit Reaktionszeiten von Eismoränen.
Es sind solche Beiträge die allemal erhellender sind, als die sinnlosen und -leeren Statements die sich gestern über die Mikros ergossen haben. Und die einen noch wütender machen.