Zurück? Danke.
Also, viel Aufregung um 100.000 EUR für ein scheinbar kaum verändertes Logo.
Schade nur, das man nicht wirklich des Lesens mächtig zu sein scheint. Ich zitieren den Kernsatz aus der Pressemitteilung der Arbeitsagentur:
Die Entwicklung und die
Maßnahmen zur Einführung des neuen Erscheinungsbildes der BA wurden
überwiegend mit internen Ressourcen und Kosten von rund 100.000 Euro
realisiert.
Es ist dort nicht vom Logo, sondern vom „Erscheinungsbild“ die Rede. Etwas weiter oben heißt es in der Pressemitteilung erklärend: „Mit einem neuen Erscheinungsbild will die BA die Kernelemente der Reform ergänzen und den Kunden den Zugang zu den vielfältigen Angeboten der Agenturen für Arbeit erleichtern. Dies geschieht unter
anderem durch ein Farbsystem für Broschüren und Infoschriften.“
Die Änderungen am Logo sind marginal. Aber ad 1: Design wird ebenso wenig wie Bücher zum Kilopreis verkauft („Für 100.000 Ditscher erwarte ich minimum zwei Farben“)
Ad 2: nirgends lese ich eine konkrete Aufstellung darüber, was konkret in diesem Gesamtpreis enthalten ist. Ich nehme an schwer an, das es sich um eine Umgestaltung der CI handelt, das also nicht nur ein Logo neu gestaltet worden ist, sondern auch die entsprechenden „Einsatzorte“ des Logos, wie z.B. Briefpapier gestaltet wurden. Konkret wurden in der Pressemitteilung z.B. ein Farbleitsystem genannt
Ad 3: Bei einer Umgestaltung einer CI drückt man nicht der Chefsekretärin eine CD mit dem Logo-GIF in die Hand, sondern erstellt pfannenfertige Vorlagen für Word, Quark/InDesign usw, usf.
Die boulevardeske Art und Weise wie das Thema diskutiert wird, geht mir u.a. deswegen auf die Nüsse, weil viele Leute hier mitreden, ohne das Gesamtbild zu kennen bzw. Willens sind, dieses darzustellen, oder, wie der eine oder andere bloggender Rechtsanwalt, aus dem Glashaus heraus mit Steinen wirft (schaut zu, dass ihr euer Gebührensystem und Mist wie Abmahnungen in Griff bekommt).
In abgewandelter Form erlebe ich dieses Gekasper an eigener Haut. Ich baue für eine Agentur Word- und PDF-Vorlagen für einen weltweit aktiven Großkonzern. Weil dieser Konzern seine Firmierung in Deutschland und Europa geändert hat, mussten da Anpassungen vorgenommen werden. De-facto wurde nur ein Wort aus der Firmierung geändert, aber inzwischen bin ich auf 25 Word- und PDF-Vorlagen gekommen, die ich anfassen musste. „Internete Mitteilung“, „FAX“, „Geschäftsbrief“, „Geschäftsbrief“ für vorgedrucktes Briefpapier, „Rechnung“, „Spesenabrechnung“, „Kundenblatt“ etc... Und wenn die Arbeitsagentur auch nur einigermaßen so chaotisch strukturiert ist, wie „mein“ Großkonzern, dann wundern mich die 100.000 oder 30.000 Euro nicht wirklich.
Ein anderer Punkt kommt aus Gestalter-Sicht bei so etwas hinzu. Bei Photografen oder wenn eine Broschüre gestaltet wird, ist es ersichtlich. Ein Bild kostet nicht den Fixpreis x, sondern ein Preis/Lizenzkosten o.ä., der abhängig ist vom Einsatzgebiet, Auflage, Verwendungzweck usw, usf..
Als Gestalter wäre ich ein Idiot, wenn ich essentielle WORD-Vorlagen für die interne und externe Kommunikation eines weltweiten Konzerns zum Preis des reinen Arbeitsaufwandes verkaufen würde. Stattdessen muss ich auch einrechnen, was das Produkt meiner Arbeit für den Konzern tut: es ist ein wichtiges Arbeitsmittel und muss als solches auch entlohnt werden.
Das ist das was mein eigentlicher Auftraggeber, die Agentur nicht wirklich begreift, weswegen es jedesmal Diskussionen um den Preis gibt, der damit anfängt dass ich gefragt werde wie lange ich gebraucht habe und ich stattdessen mit einer Eurosumme antworte.
Nochmals: 100.000 EUR scheinen mir als Umgestaltung für die CI der Arbeitsagentur keine völlig absurde Summe zu sein. Das Problem ist eher ein anderes: wurde es richtig kommuniziert und ist sowas jetzt, zu diesem Zeitpunkt, notwendig. Nach dem Selbstverständnis der Arbeitsagentur muss man letztere Frage mit ja beantworten. Und kann sich stattdessen fragen, ob der Weg das Ganze „überwiegend mit internen Ressourcen“ zu lösen (Pressemitteilung) hinsichtlich Kompetenz der ideale Weg war.
Also eher ein Problem der Kommunikation als der Abzocke, was dann von Thomas Knüwer auch gut dargestellt wird. Knüwer relativiert zwei Tage später, dass, was man schon aus der Presseerklärung hätte ahnen können. Die Logo-Entwicklung selber soll nur zirka 30.000 EUR gekostet haben. Auch hier ist immer noch nicht expresis verbis benannt, ob damit auch die Adaption des Logos für verschiedene Vorlagen gemeint ist.
PS: Ein weiterer interessanter Nebenkriegsschauplatz wären die Kommentare des (Schrift-)Designers Erik Spiekermann (mangels Permalink keinen Link auf die Kommentare bei Th.Knüwer). Die neu eingeführte Schrift ist die Hausschrift von Daimler-Chrysler und muss von eben dort lizensiert werden. Der Beobachter fragt sich, was da wohl abgelaufen ist...