Seitdem ich die Schule verlassen habe (eigentlich schon vorher), kümmere ich mich um meinen eigenen Kram und mit Ausnahme einiger Tage meiner Rundfunkzeit und den Jahren als Geschäftsführer der eigenen Firma (bei der ich mich also selbst um die Einnahmen kümmern musste) kenne ich Begriffe wie „Anstellung“, „Urlaubsgeld“, „Sicherheit“ oder gar „Weihnachtsgeld“ ebenso wenig wie „Arbeitslosenunterstützung“, zumindest nicht für meine Person. Und so, wie es aussieht, werde ich auch den Begriff „Rente“ nicht kennenlernen. Macht nichts, diesen Weg habe ich selbst gewählt, ich hätte ja auch zur Post gehen können oder mich von einer Agentur anstellen lassen können [...]
Und in den ganzen Jahren kein einziges Bisschen, nicht einmal ein winziges, klitzkleines Stückchen staatlicher Einfluss oder auch nur Unterstützung bezüglich dieser Lebens- und Arbeitseinstellung. Im Gegenteil. Hat mal jemand versucht, als Freiberufler oder Selbständiger oder unregelmäßig Angestellter eine Wohnung, einen Kredit, ein Konto zu bekommen? Siehste.
Und so wie ich das da oben alles weiß, weiß ich auch, dass man diese beschriebene Lebenseinstellung nicht per Werbekampagne vermittelt bekommt, sondern sie nur dadurch fördern kann, indem man die Voraussetzungen dafür verbessert.
... was zumindest einige Parallelen mit meiner Biographie aufweist. Vielleicht im Unterschied zu Johnny, habe ich den Weg in die Selbständigkeit seinerzeit nicht bewusst gewählt. Vor achteinhalb Jahren habe ich meinen Agenturjob nach einem Jahr gekündigt, nachdem verschiedene Indizien darauf hindeuteten, dass die Agentur beizeiten gegen die Wand fahren würde (sie tat es zirka 3 Jahre später). Ich kündigte damals u.a. im Glauben, dass eine damals frisch gegründete Konkurrenzagentur mich nach einiger Zeit anstellen würde. Zumindest wurde es mir damals so versichert.
Aber dann nahm das Schicksal seinen Lauf. Einerseits hat jene neue Agentur fast zwei Jahre gebraucht um neben ihren vier Geschäftsführern noch einen zweiten Angestellten anzuheuern, andererseits hatte die alte Agentur das Interesse an ihrem damals zweitgrößten Kunden verloren, der plötzlich eines Morgens dann bei mir anrief.
Langer Rede, kurzer Sinn. Ich bin mehr unfreiwillig in die Selbständigkeit hineingeglitten.
Seit 1997 selbständig. 1997. Netscape Navigator 3.0. Browser-Plug-Ins fingen sich erst langsam durchzusetzen, das Rennen zwischen Shockwave-Director und Flash, formerly known as Shockwave-Flash, war völlig offen (Macromedia hatte Flash erst 1997 gekauft). Ich legte mir ISDN zu. 64kbit/s.
Wenn ich was in der Zeit gelernt habe, dann ist es sich den Kopf nicht über die nächsten zehn Jahre zu zerbrechen, denn rückblickend habe nie gewusst, wass ich 18 Monate später tun würde, an welchen Projekten ich sitzen würde, mit welcher Software ich arbeiten würde, ob off- oder online.
Mir ist es nach meinem Empfinden gelungen die Balance zu halten, einerseits für neue Dinge offen zu sein, andererseits nicht jedem neuen Hype hinterherzurennen oder zum „one pony trick“ zu verkommen, der einige wenige Dinge zu Tode melkt.
Insbesondere letzteres läßt Leute immer wieder ins Leere laufen, weil es anscheinend den Mechanismen widerspricht, die sie kennen. Bestimmte Dinge eben nicht zu machen, weil man nicht darauf aus ist Gewinn- oder Ego-Maximierung zu erreichen.
Wenn man den Kreis zu der Deutschland-Kampagne schließen will, dann wird die Zukunft Deutschlands auch davon abhängen, inwieweit Politik, Gesellschaft und Wirtschaft es schaffen ihre festen Raster und Mechanismen abzulegen, um der Individualisierung der Gesellschaft Rechnung zu tragen. Freiberufler und Basel II gehen nicht. Feste Ladenöffnungszeiten gehen nicht. Privatisierung von Unternehmens-Profit bei gleichzeitiger Sozialisierung von Unternehmens-Kosten geht auch nicht, und und und.