[08h49] Politics — Der „
Heuschrecken“-Einwurf vom Müntefering-Franz war gut.
Er war zwar fragwürdig, weil er offensichtlich nur dazu dienen sollte, die niederen Wahlvolk-Instinkte anzusprechen, aber immerhin hat er eine „Kapitalismus-Debatte“ losgetreten, die so in Deutschland nie populär war, abgesehen von einigen Studentenzirkeln. Anders als z.B. in Frankreich, das sich qua Ego schon als Gegenpol gegen alles Angelsächsische versteht und von daher alles was „Kapitalismus“ ist, zumindest verbal bekämpft und versucht durch Beifügen von einem Hauch Sozialismus einen französischen Gegenentwurf zu produzieren. Ein Entwurf der meistens damit endet, dass der Staat subventioniert. Ob staatliche Betriebe oder Arbeitsplätze oder Arbeitsplatzprogramme.
Schade eigentlich, das die SPD diese „Kapitalismus-Debatte“ nur als Kurzzeitwerkzeug in den zwei Wochen vor der NRW-Wahl benützt hat, denn ich habe nicht das Gefühl dass sich weite Teile der Bevölkerung klar machen, was es heißt im Wettbewerb mit anderen Ländern aus der EU oder Asien zu stehen und wieviel eine Abschottung z.B. durch Zölle bringen würde oder nicht. Der erste und lauteste Reflex lautet immer „Grenzen dicht machen“ und ist ein Grund für die Anti-EU-Stimmung.
Noch lieber hätte ich gerne einen zweiten Effekt der „Heuschrecken-Debatte“ gesehen: dass sich nämlich die Industrie, Unternehmen, Wirtschaftsführer anfangen, selbst zu hinterfragen.
Wenn über die Schlechtigkeit Deutschlands die Rede ist, werden schnell die üblichen Punkte aufgezählt, wie z.B. zu hohe Lohn- und Nebenkosten.
Aber auch die Unternehmensspitzen stellen ein Problem dar, durch mitunter sehr kurzsichtige Strategien. Von den einst gefeierten Köpfen wie Schrempp und Pierer bleibt bei näherer Betrachtung nicht mehr viel über. Die ZEIT hat in der aktuellen Ausgabe drei Artikel dazu. Zwei Stück über die desaströse Handy-Sparte von Siemens: „
Top of the Flops“ und „
Siemens zahlt für den Verkauf“
Ein noch bedrückenderes Bild liefert „
Wer macht hier Pfusch“, dass den Druck der Automobilkonzerne auf seine Zulieferer beschreibt.
[Die] Konzerne wie Ford, Opel, PSA (Peugeot) oder Renault [haben] fast keinen Eigenanteil mehr an der Entwicklung. Wie extrem die Lage heute für die Markenhersteller ist, spitzt ein Lieferant in der Aussage zu: „ich mich meist an ein Ingenieurbüro in Aachen wenden. Dort lassen die Stuttgarter ihre Aggregate entwickeln.“
[...] Anders als die spezialisierten Zulieferer kennen die Auftraggeber die jüngsten Techniken kaum, vor allem nicht im Bereich der Elektronik, Software und neuer Werkstoffe. Diese Unkenntnis des technisch Möglichen und Sinnvollen kann zu einer Überforderung der Entwicklungsteams führen. So schieben die Auftraggeber kurz vor Serienanlauf rasch noch unzählige Änderungswünsche nach. Ebenso knapp fällt oft die Zeit aus, um die Entwicklung mit der Produktion und dem Produkt abstimmen zu können - das A und O jeder Qualität.
Der Artikel liefert einen ziemlich verheerenden Eindruck über das strategische Denken der Automobilkonzerne vs. kurzfristigen Kostenersparnissen. Und das sind in vielen Fällen die gleichen Manager, die bei Gelegenheit feine Sonntagsrede halten dürfen um dem Land zeigen zu dürfen, wo es lang geht.
Sowohl der normale Bürger, als auch die Unternehmenskreise Deutschlands sollten verstärkt in sich gehen, überlegen wen sie als wirtschaftliche Leitfiguren haben wollen und nicht einfach die Führer der größten Konzerne nehmen, im Glauben dass diese Position Autorität und Kompetenz mitliefert. Kritik an den Rahmenbedingung für die Arbeit kommt von Unternehmern überzeugender, wenn sie mit Selbstkritik gepaart ist. Aber was solche „Reinigungsprozeße“ angeht, sind die Unternehmer-Verbände nicht minder doktrinär wie Gewerkschaften. Hauptsache die Reihen sind geschlossen.
[00h09] Weise Worte von David Pogue in der NY Times über den Umgang mit Computern: „
You gotta spend time to save time“. Kaum ein Job oder Aktivität auf dem Rechner, bei der ich mich nicht frage: kann ich AppleScript einsetzen? Eine Photoshop-Aktion? Mache ich es schneller via Quicksilver oder rufe ich den Taschenrechner vie Dashboard auf? Mit den zunehmend variantenreicheren Möglichkeiten des „Workflows“ auf dem Rechner wächst auch die Zeit die man nicht für eigentliche Tätigkeiten verwendet, sondern dafür um die Tätigkeit erledigen zu lassen, also die „Meta-Tätigkeiten“.
Ein Punkt in Pogues Editorial kann ich nicht mehr nachvollziehen. Er hat in seinem Mailprogramm Dutzende von Regeln die seine Mails automatisch in verschiedene Mailboxen wegsortieren.
Hatte ich früher auch. Ich bin aber inzwischen mit dem Umstieg auf Tigers „Mail“ davon abgegangen.
Zum einen ist es aufgrund der schnellen Suchfunktion von Mail, die ähnlich wie das Suchfenster in iTunes funktioniert, nicht mehr notwendig z.B. für jeden Kunden einen Ordner anzulegen. Alles kann in einem Job-Ordner gehen und ggf. läßt man sich durch Eingabe des Kundennamens eben nur die betreffenden Mails im Job-Ordner anzeigen. Das geht auch bei mehreren tausend Mails im Ordner nahezu ohne Zeitverlust.
Zum zweiten verwende ich die Eingangsmailbox als eine Art „toDo“. Alles was drin ist, harrt der weiteren Bearbeitung. Alles was bearbeitet oder gelesen ist, kann gelöscht und per Hand in die Mailboxen wegsortiert werden. Kein Abklappern mehr von 10 Ordnern, stattdessen springt einem das noch Unerledigte immer wieder ins Auge.