[17h42] Die Hitze, gefühlte 67 Grad und weiter steigend. Eben im Spar-Markt: rollt ein kleiner 5jähriger Bub auf seinem Holzrad in den Supermarkt rein, seine bunte Sonnenbrille — wie frisch aus dem Kaugummiautomaten gezogen — schreit nach Ohrfeigen. Bub rollt direkt vor der Salatbar aus, lugt über die Tresenkante der Salatbar und schreit „
Guck Mama, Spaghetti!“
Dafür das der Junge danach in den folgenden fünf Minuten mir noch viermal über die Füße fahren sollte, ist er noch in einem verblüffend guten Gesundheitszustand.
[08h58] TV — Am Wochenende stolperte ich beim Zapping über eine äußerst interessante Sendung bei
BBC World. Im Rahmen „die größten Kunstwerke der Welt“ stellte eine Literaturprofessorin (Germaine Greer) die
Psalme von David vor: „
Art That Shook The World“
Clevererweise sah sie sich dabei verschiedene Facetten des christlich/jüdischen Glaubens an. So wurden freikirchliche Evangelen aus England gezeigt, dessen Chef offensichtlich rhetorisch für jedwede Angriffe gewappnet war, klassische Katholen aus England, ein jüdischer Kantor, Christen aus Äthiopien und Rastafaris aus Äthiopien, Ragga-Poems aus der Karibik.
Jeder mit seiner eigenen Wahrnehmung von Gott und jeder mit seinen eigenen „Besitzansprüchen“. Man interviewte z.B. zwei völlig verschrobene Rastafaris. Beide knapp 60 Jahre alt, zauselige Rastalocken, leicht verkifft aussehend aber so dermassen von der Sache (Rückkehr des Heilands ins erwählte Land Äthiopien) überzeugt. Das hatte in seiner völligen Abgespacetheit etwas knuddeliges und erschreckendes.
Dagegen der eiskalte katholische Priester in England der argumentiert, dass die „Überlegenheit“ der katholischen Kirche mit ihren hierachische Strukturen zusammenhängt. Weil eben nicht jeder die Bibel so interpretieren könne, wie er lustig ist.
All diese Facetten konzentriert in einer Dreiviertelstunde unterzubringen, in einer sehr filmisch angelegten Doku, das war sehr interessant.
Im Juli ist bei BBC World der Themenschwerpunkt „
Africa lives“ angesagt, mit einem sehr schönen Trailer (leider im Web unauffindbar). Programmübersicht „
Africa lives“
Nicht genug des Fernsehens.
„
Ben Johnson — Lost Seoul“. Am Freitag abend lief auf
BBC Prime eine Dokumentation zu
Ben Johnson, dem kanadischen 100m-Läufer der 1988 wg. Dopings bei Olympia weltweit verdammt wurde. Hier war die filmische Umsetzung noch extremer. Es hatte geradezu cinematographische Züge. Immer wieder verschwommene Läufer die im Winter eine Laufbahn entlangrennen, die Spritze die in einen dunklen Körper einsticht.
Für Außenstehende ist der Fall Ben Johnson erst mal nichts anderes als ein gedopter Spitzenathlet der Olympia aufgeflogen ist. Tatsächlich ist aber Ben Jonsohn möglicherweise eher der Prototyp von Athlet der damaligen und vielleicht jetzigen Zeit, die sich durch die Sachzwänge, dem Doping im Ostblock gezwungen fühlten zur Spritze zu greifen.
Auch hier beeindruckte die Dokumentation dadurch, dass sie über den eigentlichen Tatbestand des Dopings hinausblickte und z.B. auch auf die psychischen Veränderungen von Johnson durch das Doping einging. Und nicht zuletzt die wichtigste Komponente für den Absturz Ben Johnsons: ein Mann der es nie schaffte die Notbremse zu ziehen und immer nur ein Getriebener der Erwartungen von draußen war, der sich deshalb nach dem Doping monatelang in ein Lügengebilde verwickelte und damit erst recht endgültig abstürzte.
Obwohl er bis heute nur geringe Einsicht zeigte („Wer schummelt nicht? Alle schummeln! Jeder schummelt!“) kam er als eine der ärmsten Würstchen rüber, die ich seit langem gesehen habe.