dogfood Juli 2005 [4]

Donnerstag, 28. Juli 2005

[06h25] Ich will es mal so formulieren: es gibt Morgen, da bin ich recht dankbar für einen strahlenden Sonnenaufgang, angenehm lauen Temperaturen und leeren Straßen auf denen nur die Zeitungsausträger mit ihren Wägelchen umherrollen.
Altbauten mit offenen Schlafzimmerfenster. Restaurants die die das Strasseneck mit Wasser abspritzen, Firmen die mit offenen Toren Mittagsmahlzeiten zur Auslieferung vorbereiten, Zeitschriftenladenfrau die beim Einsortieren der Zeitungen einem mit großen Augen anglotzt.
T minus NeunDreissig, Feierabend gegen AchtzehnNullNull. Here we go.

Mittwoch, 27. Juli 2005

[09h37] Heute scheint der Taubenblau-Ausgehtag zu sein. Zumindest sind heute um halb acht ausschließlich ältere Männer in taubenblauen Hosen unterwegs gewesen. Nicht völlig, aber ziemlich ausschließlich.

Montag, 25. Juli 2005

[12h56] Im Deutschlandfunk wird gerade über den erschossenen Brasilianer aus London diskutiert. Der Mann wurde von Zivilfahndern verfolgt, beim Erreichen der U-Bahn zu Boden gestoßen und mit fünf Kopfschüßen getötet.
Nach meinem Kenntnisstand läßt sich die Geschichte eben nicht darauf reduzieren, dass nun wild auf alles Arabisch-Aussehende mit Rucksack geschossen wird.
Viel mehr soll der Mann wohl aus einem unter Observation stehendem Haus gegangen und später auf Aufforderung der Polizisten losgerannt sein, weil er keine gültige Aufenthaltsgenehmigung hatte (Visa abgelaufen, wie die BBC heute mittag meldet).
Nun versetze man sich in die Haut der Zivilfahnder, die einen Tag nach dem zweiten Anschlagsversuch einen Verdächtigen in die U-Bahn rennen sehen. So brutal es sich anhört, aber die einzige Möglichkeit einen derartigen Mann aufzuhalten, ist der tödliche Schuß in den Kopf.
Die grundsätzliche Frage ist die Frage der Abwägung, ähnlich wie einst beim Frankfurter Polizeichef, ob ein Mensch gefoltert werden darf, um Menschenleben zu retten. Darf ein Mensch auf bloßem Verdacht hin erschossen werden? Soll er nicht erschoßen werden, auch wenn dadurch das Leben von 20-50 Menschen gefährdet wird?
Im Falle des Frankfurter Polizeichefs hatte ich die Frage damals beantwortet: nein, darf er nicht. Solche Opfer muß die freiheitliche Grundordnung aushalten. Im Falle des Londoner Erschoßenen habe ich spontan gesagt: das darf die Polizei, schließlich hat sich das Opfer verdächtig verhalten und die Schüße fielen im letzten Moment, an der Schwelle zur U-Bahn.
Aber je länger ich überlege, desto weniger kriege ich meine beiden Meinungen zusammen. Ich weiß es schlichtweg nicht.
[10h56] Ich habe eine virtuelle Halde an nicht geschriebenen Einträgen weil die Zeit fehlt etc...
Aus der Abteilung „Einträge die ich schon immer schreiben wollte“ verweise ich nun an Volker Weber und seine Lobpreisung für „Top Gear, das ultimative Auto-Magazin bei BBC und BBC WORLD.
Just dieses Wochenende habe ich „Top Gear“ versäumt. Aber am Wochenende davor wurde ein Aston Martin Cabrio getestet. Um den Sex-Appeal des Cabrios zu testen, wurde der Wagen in der Stadt geparkt und der Moderator nahm ein Hunde-Welpen auf dem Arm und sprach Frauen an, ob sie lieber den Hund streicheln oder mit dem Aston fahren wollen würden. Klarer Sieg für den Hund (Einwand Moderator: „Aber mit dem Hund kann man nicht fahren“)
In der Woche davor liessen sie drei Autos testen, ein Honda, ein Citroen und einen Renault. Die Prämisse des Testes lautete: „ein Zweiwagen für die Stadt, so einfach, dass ihn sogar meine Mutter nehmen kann um mal kurz einkaufen zu fahren.“
Die Prämisse haben sie auch konsequent durchgezogen und die drei Moderatoren nahmen ihre 70-80jährige Mütter zum Testen mit. Erster Test: ein Wettrennen zwischen den drei Müttern. Wer als erster einsteigt, den Sitz auf seine Position einstellt, im Radio den Klassiksender einstellt und losfährt, gewinnt.
Sehr amüsanter Test, aber verblüffend praxisnah. Uns selbstverständlich durften die Mütter auch auf dem „Top Gear Track“ um die Wette fahren.
[09h10] WebDev — Die interessanteste Technik-Meldung des Abends kommt aus dem Hause Yahoo, die die Macher von Konfabulator (Pixoria) aufgekauft haben (Mac Essentials). Zur Erinnerung: Konfabulator waren quasi der Vorläufer von Apples „Dashboard“: kleine Applikationen die aus HTML, CSS und JavaScript bestanden und auf der heimischen Festplatte saßen. Dieses waren kleine Helferlein die ihre Daten teilweise aus dem Internet holten, wie z.B. das Wetter-Widget.
Yahoo will das crossplattform-taugliche Konfabulator for free anbieten und wohl via Widgets seine Marke pushen und Traffic auf die eigene Site treiben.
Zwei Aspekte finde ich interessant: die weitere Stärkung von „Web Services“ und die Konsequenzen für Flash. Von der einstigen Vision Flash als omnipräsentes Tool ist nicht mehr viel übrig geblieben. Flash via „Central“ als Desktop-Applikation ist tot. Macromedia hatte mit seiner Vision von RIA („rich internet application“) recht. Allerdings nicht in der Geschmacksrichtung Flash. Flash tritt auf dem Gebiet immer noch auf die Stelle und hat große Probleme sich dort gegen den Emporkömmling AJAX durchzusetzen.
Ich will nicht soweit gehen und behaupten das Flash bis auf alle Zeit ein Tool für Animationen und Werbebanner bleibt. Und natürlich wird es Internet-Applikationen mit Flash geben. Allerdings im sehr, sehr viel bescheideneren Ausmaß als von Macromedia anvisiert.
Die Vision von Macromedia in Shops a la Amazon mit einem Flash-Frontend einkaufen zu gehen, wirkt heute genauso überholt wie 1997 die teure Vision von Corel ein Office-Paket für Browser in Java programmieren zu können.

Donnerstag, 21. Juli 2005

[11h40] Geek — Wer sich für die Anfänge der „Hackerkultur“ in den 50ern bis 70ern interessiert, sollte das Interview bei O'Reilly mit einem der besten IT-Journalisten, John Markoff von der NY Times, lesen: „How did computing as we know it come into existence?
In dem Interview geht es um die Einflüße der Hippie-Kultur auf die IT-Technologie und wie diese Einflüße durch das um sich greifende Sharing wieder aktuell geworden sind.
But you do have this sharing economy that has emerged largely because of the internet; the existence of the network makes it so easy to share digital information. And now you're getting these architectures that really enhance cooperation.
You're seeing things like My Web 2.0 and every other example of user-generated content structures that I think ... that sphere is expanding very rapidly and it will have more and more influence and compete directly with the proprietary sphere [...]
You know, the sense that I got that that culture that you described, the creative culture of the early PC world is sort of re-emerging in this new connected world, really came home when I went down to O'Reilly's Emerging Technology conference in San Diego, where I really had a sense that the platform had moved up a level and it was happening at a higher level than just the individual box.
In dem Interview gibt es auch interessantes Faktisches. Markoff hat vor einigen Tagen Steven Jobs befragt u.a. zum Thema ob Apple kostenpflichtige Podcasts einführen will.
Yeah, just yesterday I interviewed Steve Jobs and I was asking him what they were going to do with podcasts and if they were going to charge for podcasts and Steve was very adamant on the fact that Apple was going to do it differently, that they were creating ecosystems and they were going to take their slice on the hardware, selling iPods, and that they were not going to try to take a slice of revenue from the content. He said, „We think different.“
Jobs in particular is very attached to the counterculture. If you read his Stanford commencement speech — the whole bottom third of it is about the impact the Whole Earth Catalog had on him. He still takes these things pretty seriously, very seriously in fact.
[08h40] WebLumma und Hebig haben es verlinkt: Tagzania. Auf der Website können unter Einbindung von Google Maps Orte markiert und mit Tags versehen werden.
Klar gekniffen sind die Nicht-Angelsachsen, die sich nur mit Satellitenaufnahmen begnügen müssen und richtig fürn Arsch sind Kölner und Ost-Hamburger die sich mit Satelliten-Aufnahmen in der Auflösung von 10 Meter pro Pixel begnügen müssen. Ich bin z.B. mit meiner Wohnung gerade noch so auf der Seite der Guten.
Ansonsten gilt das was ich bereits zu Orkut und Plazes gesagt habe: guter Ansatz, aber suboptimal solange da nicht noch mehr verschmolzen wird. Tagzania schreit geradezu danach mit Plazes zu fusionieren: Plätze mit Blogeinträgen, Bilder-Upload und User-Verortung. Immerhin deutet das Plazes-Blog an, dass da was mit Google Maps in der Röhre ist.
Meine Tags sind unterm gewohnten Namen zu finden: dogfood
Nochwas habe ich gestern entdeckt (ich weiß gar nicht mehr wie): digg.com. Eine Art eierlegende Wollmilchsau die alles kann, aber nix richtig, so zumindest mein erster Eindruck:
What's Digg? Digg is a technology news website that combines social bookmarking, blogging, RSS, and non-hierarchical editorial control. With digg, users submit stories for review, but rather than allowing an editor to decide which stories go on the homepage, the users do.
Ein neuer Slashdot-Versuch? Don't know. Mich spricht es nicht an. Und überhaupt: der Username dogfood ist da bereits belegt. Bah!

Mittwoch, 20. Juli 2005

[11h18] Spam — In Niederkassel liegt jemand, der hat sich ins eigene Knie geschoßen.
Wie hier erwähnt, fand es die A & S GmbH von Hans Walter Schäfer eine pfiffige Idee in einer Massen-eMail an meiner allesaussersport.de-Adresse mir ein Linktausch-Angebot für seine Domain auslandstreff zu machen („Vom Thema her passen wir sehr gut zu sammen.“) (die Geschichte zur Gänze gibt es im allesaussersport-Eintrag der hinter den obigen Verlinkungen steckt).
Zwischenstand nach zehn Tagen:
  • Nach meiner eMail an die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs kam gegen Ende der Woche ein Antwort mit der Bitte um Ausdruck der eMail und einer eidesstattlichen Erklärung. Dem bin ich gestern nachgekommen. Hier scheint eine Abmahnung ihren Gang zu gehen.
  • Heute traf ein Brief der A & S GmbH ein mit einem 20,— EUR Amazon-Gutschein und einer Entschuldigung, dass man meinen Vermerk im Impressum (keine Linkaustausch-Angebote) übersehen hätte. Und das trotz meiner recht geharnischten eMail. Was nichts am Umstand ändert, dass auch ohne diesen Vermerk der Spam Spam ist, und ob dieser Uneinsichtigkeit sich meine Anteilnahme in recht kleinen Grenzen hält. Ich fürchte der Gutschein wird bei mir verschimmeln.
  • Das Angebot zum „Linkaustausch“ hat — wenn man so will — gefruchtet. Nach 10 Tagen hat sich der allesaussersport-Eintrag „Hans Walter Schäfer/auslandstreff.de mit unseriöser Werbung“ bei einigen Suchbegriffen direkt hinter auslandstreff.com geklemmt.
Resümee: In solchen Fällen wo der Spam einen eindeutig identifizierbaren Absender hat, bietet sich der Weg über die Wettbewerbszentrale an, auch wenn man letztendlich nicht mehr über den Ausgang des Verfahrens informiert wird (darf die Wettbewerbszentrale nach eigener Aussage nicht).
Ich hoffe dass dies ein richtiger Tritt in die Glocken ist, der in mindest ebenso großer Stärke an den Dienstleister weitergereicht wird, der die Adressen verhökert hat, die Idee aufgebracht hat und/oder das Script geschrieben hat. Dies ist rechtlich noch nicht einmal im Ansatz nahe irgendeiner Grauzone gewesen, sondern weit drüber.