dogfood

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Was war. KW#42

Things I did.

Das Projekt t5 ging letzte Woche nach zwei Wochen Quasi-Pause dann auch für mich wieder weiter. Nach dem Livegang in der vorletzte Woche und dem Aufschalten eines ersten Zusatzpaketes in der letzten Woche, gab es den ersten Teil einer Retro und als Startschuss für den zweiten Abschnitt des Projektes ein kleineres, frontendlastiges Briefing.

Die ersten Stunden am Ticket verbrachte ich mit dem Abgleich der Spezifikationen, der Ticket-Beschreibung und den impliziten Anforderungen, die durch die Integration eines bereits umgesetzten Features entstehen. Daraus ergaben sich ein Dutzend offene Fragen.

In der Umsetzung der Komponente, bin ich jetzt irgendwo bei 80%, aber die restlichen 20% werden noch ein ziemlichen Brocken darstellen. Ich musste erst einmal auf einem Stück Papier alle potentiellen Zustände dieser Komponente aufschreiben, um den Überblick zu behalten. Und diese muss ich alle noch verbauen…

In der vergangenen Woche wurde auch die weitere Beauftragung geklärt: bis Jahresende voraussichtlich zwei Tage die Woche. Es wird auch 2020 eine Beauftragung für das Projekt geben, deren Umfang und Timing allerdings noch fluide sind.

Dass dadurch entstehende Zeitreservoir will ich für eigene Projekte nutzen. Es gibt eine Menge von Sachen, die ich tun will. Ich muss aufpassen, meine Interesse nicht per Schrotflinte auf zu viele Dinge zu verballern und nirgends richtig voranzukommen.

In Sachen Code habe ich bereits vor zwei Wochen das Projekt „Neon“ gestartet, das auf der Basis von altem Code für allesaussersport aufsetzen wird und dessen Endziel eine React-Applikation werden wird – um diese gähnende Lücke in meinem Know-How-Portfolio geschlossen zu bekommen.

Das Wochenende blieb komplett Code-frei. Am Samstag bin ich stattdessen dreimal Einkaufen gefahren – meine Morgenrunde um sieben Uhr die Tarpenbek hoch, zum Edeka in Norderstedt. Um acht Uhr die Runde zum Bäcker auf dem Wochenmarkt in Langenhorn. Und irgendwann am späten Nachmittag, vor dem BBL-Spiel der Towers, nochmal Einkaufen beim REWE am Ochsenzoll. Das erste Produkt dieser Einkaufsrunde war am Sonntag eine Linsensuppe von Nigel Slater – auch um den Mangold aus dem Garten, zu verarbeiten.

Linsensuppe von Nigel Slater

Heute wird vermutlich ein Apfelkuchen folgen.

Things I watched.

Unter der Woche habe ich nix gezielt angeguckt, sondern nur maximal als Grundrauschen laufen lassen. Das Wochenende war überwiegend durch Sport (Rugby, Basketball, Football, Eishockey) und Brexit geprägt.

Things I read.

Umso mehr habe ich gelesen. Nachklapp vom TV, Teil 1: ich habe den ersten Omnibus der Grant Morrison-Ära von Doom Patrol gelesen… Das ist so gar nicht mein Ding. Der Comic noch weniger als die TV-Serie, die wenigstens quer durch die Episoden und Staffel versucht, eine Struktur aufzubauen. The Brotherhood of Dada als einer der Endgegner, trifft es schon ganz gut.

Gestern Abend habe ich mich durch das erste Tradepaperback von „The Boys“ gelesen. Auch dies eine Serie, die ich zuerst als TV-Serie kennen lernte. Auch hier konstatiere ich: die TV-Umsetzung ist besser als der Comic. Die erste Staffel ist inhaltlich kohärenter als das Comic-Pendant. Die Protagonisten sind in der TV-Serie differenzierter und selbst die Optik ist im TV ausgefeilter, als die teilweise unglückliche Panelaufteilung im Comic.

Passend zu „The Boys“ und Optik: The Boys in the boardroom ist ein Artikel von Matt Cole, der sich mit dem Set-Design des Tagungssaals der „Vought Seven“ beschäftigt:

Dave Blass told me that building a real world for corporate Superheroes begins with the humble boardroom chair: “How do you sit down when you have a cape? It seems a simple thing. Sitting, but when you have a long flowing cape, it becomes so much more challenging, and it also becomes a treasure hunt through cinema to see how other designers and actors dealt with the problem. Did you ever see Batman, Superman, or Darth Vader for that matter sit, or were they always standing or sitting? This cape issue partly explains the most recent Batmobiles all have Batman entering from the top.”


Ich weiß nicht mehr die Quelle, aber am Freitag kam ein Link auf eine Guardian-Fotogalerie zu einer Ausstellung von Brassaï rein: The City of Light and its shadows: Brassaï’s Paris – in pictures.

Ich bin derzeit sehr leicht zu triggern. Mir juckt es dann in den Fingern, zum Zeichenstift zu greifen (nur um schnell genug zu realisieren, wieviel ich inzwischen verlernt habe). Brassaï fotografierte das Nachtleben Paris‘ in den 20er und 30er Jahren. Den Glamour ebenso wie die Puffs, Transvestiten-Tanzsäle und Arbeiter der Markthalle.

Dabei sind Portraits entstanden, deren Gesichter, Bekleidung und Setting von alleine Geschichten zu schreiben scheinen. Die Portraits dieser Zeit machen auch deutlich, dass das „Gender“-Thema keine Erfindung des 21ten Jahrhunderts ist und schon in den „Roaring Twenties“ das Geschlecht kein binärer Zustand war.

Die Bilder in der Foto-Galerie veranlassten mich, gleich einen Fotoband von Brassaï zu kaufen.


Etwas, was mich visuell schon seit einigen Monaten beschäftigt, sind die Proteste in Hongkong (Beispiel: CNN-Bildergalerie).

Die in Hongkong entstehenden Bilder, die Neonfarben der Stadt, die Jugendkultur, die agile Protestbewegung und die chinesischen Schriftzeichen, schaffen eine abstrakte Bildsprache, die aus einem dystopischen Science-Fiction-Roman zu stammen scheinen. Es wirkt, als ob man in die eigene Zukunft sehen würde.

Hinter den faszinierenden Bildern steckt eine Generation, die um ihre Zukunft, um ihren verfassungsrechtlichen Spielraum kämpft, den China bei der Übernahme von Hongkong zugestanden hat, aber nun nach und nach zu reduzieren scheint. Es ist eine Generation, die darum kämpft, dass auch nach Auslaufen der Autonomie 2047, das Prinzip „ein Land, zwei Systeme“ erhalten bleibt. Die Financial Times hat hinter der Paywall Portraits einiger Protestler geschrieben, die seit Monaten bis zum Rande der Erschöpfung versuchen, die Proteste am Leben zu erhalten: Inside the battle for Hong Kong ($).

Things I listened to.

Die YouTube-Musikkanäle von „Chilled Cow, die sich wunderbar als Hintergrundmusik zum Lesen eignen.

Was war. KW#41

Things I did.

Die Planungen der Woche mussten umgeschmissen werden, nachdem ein für Mittwoch geplantes Briefing von Kundenseite aus, um eine Woche verschoben werden musste und ich damit kurzfristig 2–3 Tage zur fast freien Verfügung hatte.

Einen Tag schmiss ich gepflegt weg, als ich mich um fehlenden Festplatten-Platz meines Desktop-Macs kümmerte (nur noch 18GB frei), um das XCode-Update (7GB) zu installieren.

Das Problem ist das völlig verkorkste Festplatten-Management unter OS X:

  • Der Finder zeigt unter „xxx GB verfügbar“ irrerweise nicht den tatsächlich verfügbaren Festplattenplatz an, sondern eine Zahl, die belegten, aber „löschbaren“ Festplattenplatz dazu addiert. Bei diesem “löschbaren” („cancellable“) Platz scheint sich um Backups, Caches und iCloud-Dateien zu handeln. Einen „Knopf“ zum Löschen gibt es nicht. Angeblich soll sich das System selber darum kümmern.

    Die tatsächliche Größe des freien Festplattenplatz erfährt man nur durch andere Tools oder per Kopfrechnen bei den Festplatteninfos: Festplattenkapazität minus Benutzter Platz.

  • Selbst nach „harten“ Löschen (am Papierkorb vorbei) zB. der 60GB Musik, wurde der unbelegte Festplattenplatz nicht größer. Nach einem Neustart schrumpfte der freie Festplattenplatz gar auf 7GB, ehe er im Laufe von 5 Minuten wieder auf 18 GB anwuchs – bar jeder Logik.

  • Der eigentliche Übeltäter ist die Time Machine, Apples Backup-System. Auch wenn er angeblich nur 7GB „backupen“ wollte – einige Minuten nach Ende des Backups waren dann plötzlich 150GB Festplatte frei.


Donnerstag, Freitag, Samstag habe ich mit Lesen von „Fachartikeln“ verbracht. Siehe unten.

Am Freitag habe ich für ein privates Projekt mit dem Endziel „React“ mal in die Themen MariaDB, ORM und Node.js reingeschnuppert und einen ersten Durchstich gemacht. Beim Evaluierung des Node.js-ORMs „Sequelize“ tauchte „LoopBack“ auf dem Radar auf und lockte mit großer Mächtigkeit und den magischen Worten „API-Endpoints“ auf – eine Evaluierung am Montag zeigte aber die Unbrauchbarkeit. LoopBack 4 sollte realistischerweiser nur mit TypeScript verwendet werden, und das ist mir im Kontext meines Endziels, zu weit aus dem Fokus raus.

Things I read.

Bereits am Donnerstag verbloggt, aber es treibt mich immer noch herum: Programming as Theory Building, ein Papier von Peter Naur von 1985. Demnach ist Code von Software nur ein „Artefakt“ der eigentlichen Arbeit eines Programmierers: dem Aufbau eines Verständnisses für die zu bewältigenden Problemen, den Anforderungen, den erforderlichen Funktionen und den Weg, den man beschreitet, kurz: dem Aufbau eines theoretischen Verständnisses der zu bauenden Software.

Dieser Blickwinkel hat Konsequenzen wie man mit Teammitgliedern/Kunden über das Software-Produkt spricht und wie man es dokumentiert. Anstatt sich in der Kleinteiligkeit von Code-Zeilen zu verlieren, gilt es Ideen, Ansätze und Motivation zu beschreiben.

1985 geschrieben, trifft er aber genau einer der Schmerzpunkte die ich als Frontendler mit der Zusammenarbeit von Designern habe, die auch 2019, kein „Theory Building“ entwickeln, sondern Photoshop- oder Sketch-Dateien liefern. Ich darf dann raten, ob die 512px breite Spalte fix 512px oder 50% der Viewportbreite eines Tablets breit sein soll – weil des Designers Liefergegenstand nur eine Zustandsbeschreibung eines Viewports liefert, aber nicht die übergeordnete Idee des Designers vermittelt, was er sich dabei gedacht hat.


Zu meiner Überraschung schneite in meiner Twitter-Timeline der Hinweis rein, dass Sass, der CSS-Transpilator, in der ersten Oktober-Woche das einschneidendste Update der letzten fünf Jahre erfuhr – und keiner meiner abonnierten Frontend-Mailinglisten hielt es bis heute für nötig darauf hinzuweisen.

Sass hat sich in seiner neuesten Version ein Modul-System angelacht – vorerst nur auf der „führenden“ Sass-Implementierung Dart-Sass (Libsass und damit Node-Sass hinken hinterher).

Dies wird IMHO das Arbeiten mit Sass auf komplett neue Beine stellen – aber zu meiner Überraschung herrscht in der Frontend-Szene Schweigen im Walde. Ein Artikel bei css-tricks.com mit schlappen 5 Kommentaren. Totentanz dagegen bei Reddit und Stackoverflow.

Mit dem neuen Modul-System über den Befehl @use will Sass Partials bzw Module so kapseln, wie man es von JS-Modulen gewohnt ist – also kein globaler Zugriff auf Dinge die in den Partials stattfinden, sondern nur explizit deklarierter Zugriff.

Per Bauchgefühl bin ich recht begeistert, denn mein Gros an Bezahlarbeit findet in sehr großen Projekten statt und der Einzug eines Scopes für Sass, hört sich auf dem Papier gut an. Aber nach Lesen der Dokumentation habe ich exakt null Gefühl für die tatsächliche Implementierung (wie verändern sich Projektstrukturen?) und den tatsächlich relevanten Vorteilen.

Macht JS-artiges Scoping Sinn für CSS und dem „scope-losen“ HTML-Markup? Was macht SCSS-Scoping mit custom properties oder Scopes wie Shadow DOM und <style scoped>? Da hätte ich mir vom Sass-Team etwas mehr Hinweise auf sinnvolle Anwendungen in der freien Wildbahn gewünscht – man komme mir bitte nicht mit „Theming“.

Things I watched.

Am Samstag lief den ganzen Tag der Stream des japanischen Auslandssender „NHK World“, die die Taifun Hagibis-Sondersendungen aus dem Inlandsfernsehen übernahmen und auf englisch simultan übersetzten.

Ich habe mir On-Air-Designs angesehen und einige Übersetzungs-App angesehen, die über die Handy-Kamera eingeblendete japanische Schriftzeichen „live“ ins Deutsche übersetzten.

  • In Japan ist der Farbcode für höchste Gefahrenstufe nicht Rot, sondern Violett und dann Schwarz.
  • Japanische Moderatoren tragen fast ausnahmslos Nadelstreifenanzüge.
  • Wenn ein*e Moderator*in auf etwas an einer Videowall zeigen will, dann wird nicht ein normaler Zeigestab genommen, sondern ein Stab mit einem dicken Bommel am Ende.
  • Das japanische Schriftsystem wird problemlos sowohl horizontal als auch vertikal eingesetzt – ein Traum für das Screendesign.

Am Sonntag habe ich die erste Folge von „Doom Patrol“ auf Amazon gesehen – nach der gleichnamigen Comic-Serie von DC. Heute habe ich die Folgen 2+3 gesehen. Ich denke, man tut gut daran, die ersten drei Folgen am Stück zu sehen, da erst die dritte Folge den vorherigen Folgen einen Zusammenhalt gibt. Auf der anderen Seite ist es eine Form der Vergeudung (oder Minutenschinderei) für jenen Zusammenhalt fucking drei Stunden zu brauchen.

Abschließendes Urteil steht noch aus – ich habe parallel mir das erste Trade-Paperback der Serie aus der Grant Morrison-Ära geholt, auf die sich auch die TV-Serie beziehen soll. Inhaltlich fängt es noch wüster an und zeichnerisch ist das dunkelstes US-Comic-Mittelalter.

Things I listened to.

Hinter der Paywall, hat die „Financial Times“ eine schöne Serie: „Life of a Song“, in der die FT auf die Geschichte eines Lieds und seiner Cover-Versionen eingehen. Diesmal ist es Sittin’ On The Dock of the Bay“ von Otis Redding.

Der Artikel hat mir noch stärker die Größe dieses Titels offenbart. Otis Redding verstarb bei einem Flugzeugunglück kurz bevor er die Produktion von „The Dock of the Bay“ abschließen konnte. Es war Steve Cropper, der aus den einzelnen Aufnahmen, den Song zusammen bastelte. Das ikonische Pfeifen am Ende war nur ein Improvisorium von Redding, der für diese Stelle später noch einen Text schreiben wollte.

Wie perfekt das Original, mit seinem depressiven Text ist, erkennt man an den zahlreichen zerschellten Cover-Versionen. Die blutleere Version von Willie Nelson und Waylong Jennings, die Kasperle-Version von T-Rex und Gloria Jones, die mit Rod-Stewart-Mayonaise zugekleisterte Variante oder die Vergewaltigung durch das Tom Jones-Vibrato (Props für die Einbindung von Steve Cropper) oder das testosteron-getriebene, bemühte „Method Acting“-Cover von Justin Timberlake (auch hier Props für die Einbindung von Steve Cropper).


Zur Entgiftung von den ganzen katastrophalen Cover-Versionen, hier eines der besten Cover der Musikgeschichte überhaupt: Tom Petty und Freunde mit „While My Guitar Gently Weeps“ bei der posthumen Aufnahme von George Harrison in die Rock & Roll Hall of Fame. Der schüchterne Junge an der Gitarre neben Tom Petty ist Dhani Harrison, der Sohn von George. Im hinteren Teil des Covers rückt dann Prince in den Vordergrund, der eines meiner Lieblings-Gitarren-Solos derart abfackelt, dass dem Harrison-Sohn die Freunde nur so aus den Augen sprüht. (Und Tom Petty ist sowieso die Idealbesetzung für den Gesang)

Watching: “A Branch in Time – a story about revision histories”

Gesehen: der Vortrag von der RubyConf.au „A Branch in Time – a story about revision histories“ von Tekon Süleyman.

Auf der Basis einer fiktiven Geschichte einer Entwicklerin, verdeutlicht Süleyman, welche zentrale Rolle Git in Projekten einnimmt – nicht nur als bloßes Source-Verwaltungs-Werkzeug, sondern idealerweise als Dokumentation, warum bestimmte Dinge im Code so umgesetzt worden sind, wie sie umgesetzt wurden. Das ist eine weitaus weniger banale Frage, als es sich für Außenstehende anhört.

Süleyman dockt seine Geschichte und Vorschläge an ein Thesenpapier von Peter Naur an: „Programming as Theory Building“ (PDF).

Programmieren ist demnach nicht die Produktion von Code, sondern der Aufbau einer Theorie oder eines Gedankenmodells, wie die Software zu arbeiten hat. Code ist demnach nur ein Artefakt/Ausdruck dieser Denkprozesse.

Software-Projekte werden fast nur noch iterativ (in kleinen Schritten) entwickelt. Schritt für Schritt wird innerhalb des Teams das oder die Gedanken-Modelle entwickelt. Aber es gibt keine Prozesse und kein Format, um die entwickelten Modelle expressis verbis niederzuschreiben und dann weiter zu entwickeln. Stattdessen handelt es sich um „institutional knowledge“, also eine Art kollektives Wissen, dass sich entwickelt.

An dieser Stelle ist Code der Ausdruck für eine konkrete Umsetzung: “was ist wie umgesetzt worden”. Git kann und sollte an dieser Stelle die Rolle spielen, die Motivation und Abwägungen, also das „warum ist es so umgesetzt worden“, zu dokumentieren. Für Git Commits gilt daher der Leitsatz: „Capture the why, not the what“.

Naur geht in seinem Papier so weit, und spricht von einem Sterben der Software, wenn das Entwicklungsteam aufgelöst wird. Mit dem Verschwinden des kollektiven Wissens, schwindet auch die Wartbarkeit der Software.


IMHO setzt der Zerfall von Software schon sehr viel früher ein: wenn unter Zeitdruck und/oder Komfort Abkürzungen genommen werden. Das Wissen wird statt eines „nachschlagbaren“ (dokumentierten) Kollektiv-Wissens, zu einem individuellen Wissen, zu einem Herrschafts-Wissen.

Es fängt mit Petitessen an. Aber wenn der Damm löchrig ist, ist der Dammbruch nicht weit.

Code-Reviews können nicht mehr sauber geführt werden, weil der zu prüfende „Soll-Zustand“ für den Reviewer nicht mehr nachzuvollziehen ist. Die Code-Review verkommt zu einem menschlichen Linting-Prozess.

Es schleichen sich immer stärkere Inkonsistenzen ins Projekt rein, weil es keine eindeutige Referenz mehr gibt, sondern mehrere entstanden sind. Es gibt mangels eindeutiger Referenz keinen Konsens mehr, was richtig oder falsch ist, sondern nur noch mehr oder weniger kompetente Interpretationen.

Das Entwicklungstempo wird abnehmen. Entwickler, die einen anderen Teilausschnitt des „kollektiven Wissens“ haben, werden den Code falsch interpretieren oder andere Rahmenbedingungen bzw. Maßstäbe anlegen und Probleme mit dem Bestandscode bekommen.

Ich weiß nicht, wie dieser Kreislauf rückgängig zu machen ist.

Was war. KW#40

Sechs Wochen Pause im Blog, weil…

Things I did.

… es in der abgelaufenen Woche den Launch der Website t5 gab. Es wurde eng. Der Launch wurde kurzfristig dann noch um einen Tag, auf Dienstag, geschoben. Mein Werk war bereits aber am Montag getan. Die restliche Zeit verbrachte ich mit auf „Stand-By“-Stehen, falls Bugs auftauchen sollten, respektive Überstunden-Abbau.

Der Dauerregen ließ bis Donnerstag nicht all zu viele Alternativen zur Stubenhockerei zu. Also nutzte ich die Zeit um meine Mailbox wieder gen Null gehen zu lassen und meine Leseliste abzubauen.

Ab Donnerstag war das Wetter dann auch kompatibel mit Outdoor-Aktivitäten. Das Fahrrad wurde geputzt und geölt. Ich habe den Rasen ausgebessert und Rotklee als Gründüngung ausgesät. Heute kam meine neue Kreuzhacke zu ihrem Debüteinsatz im Krieg gegen den amokgelaufenen Bambus meines Vorgängers.

Gestern mit @nedfuller den Abend im Tati verbracht, mit normannischen Cidre („Cidre d’Anneville“) und bretonischen Galettes (herzhafte Buchweizen-Crepes).

Außerdem habe ich nach zirka anderthalb Jahren einige Dichtungen an meiner Pavoni ausgetauscht. An zwei Dichtungen bin ich aber nicht rangekommen. Hier braucht es zum einen einen Torx-Schraubendreher mit Mittelloch und zum anderen einen Dorn zum Rausschlagen eines Sicherungssplint. Also morgen zum Baumarkt.

Things I read.

Alles ist liegen geblieben. Bis auf tagesaktuelles in der FT und immer mehr werdenden Newslettern und meine Bookmark-Liste, nichts gelesen.

Aus meiner Reading-List:

  • Im Tech-Sektor platzen gerade einige Blasen. Nicht alle mit so einem lauten Knall wie „WeWork“ – einige glauben, dass „WeWork“ keine zwölf Monate mehr überleben wird – aber auch viele Sektoren, bei denen es sich zeigt, dass die Euphorie größer, als der reele heutige Nutzen war.

    Airware, the highest-funded startup to go under, initially developed cloud-based software and autopilot systems for drones. One early proposal was to fly over farmland collecting data on the status of crops, from moisture levels in fields to how much crops were being affected by pests and chemicals used to control them.

    But most farmers aren’t yet equipped to make use of that kind of information, said Wackwitz. That early interest in precision agriculture dimmed, forcing Airware to pivot to other applications, like consulting companies on drone use, before shutting down in September.

    Klammheimlich hat „Autonomes Fahren“ seinen Zeithorizont für Level-5-Fahrzeuge um 10–20 Jahre nach hinten geschoben.

    Etliches erinnert an die Tech-Blase zur Jahrtausendwende – aber auch das ist eine Erkenntnis aus der Zeit: das Platzen der Blase bedeutet nicht zwingend, dass die Dinge falsch waren. Häufig bedeutet es nur, dass die Zeit noch nicht reif war und sich diese Themen erst Jahre später, mit einer zweiten Welle durchsetzen.

    Erinnert sei z.B. an „NC“ (Network Computer) Ende der 90er Jahre, ein Computer mit einem Minimum an Hardware und Betriebssystem, der stattdessen seine Inhalte und Software aus dem Internet lädt – zwanzig Jahre später sind die Cloud und Thin Clients wie Chromebooks allgegenwärtig.

Things I watched.

Maschek“ ist seit geraumer Zeit aus der Sommerpause zurück und die Episode nach der Nationalratswahl ist wieder vom obersten Regal: „Das gestörte Klima“

Things I listened to.

Chilly Gonzales hat, basierend auf Material von „Solo Piano III“, FM4 eine zweite Radio Session gegeben. Das 98minütige Konzert gibt es bei YouTube.

Ich habe zwei Lieblingsstellen im Konzert. Im hinteren Drittel plaudert Chilly Gonzales wie aus Melodien Songs entstehen.

Aber vorne, nach dem Warmspielen, spricht Gonzales über den Entstehungsprozess von „Solo Piano III“. Nach 15 Jahren nahm Gonzales ein Sabbat-Jahr von Konzerten und öffentlichen Auftritten. „Without an audience, this entertainer became an artist“ – und Gonzales beginnt eine wunderbare Einleitung zu seinem nächsten Stück „Be natural.

Was war. KW#32

Things I did.

Im Job weiterhin von Projekt t5 vereinnahmt – u.a. auch mit Schmerzen bzgl. der unterschiedlichen Rechner der Entwickler (Mac, Windows, Unix). Shell-Skripte, die durch Git unter Windows aufgrund anderer Line-Endings mit Fehlern abbrechen und Grunt-Tasks, die bei Kopiervorgängen unter Windows Binärdateien korrumpieren.

Am Dienstag gab ich der Stream-Empfehlungsplattform Shelfd.com ein halbstündiges Interview für deren Podcast zum Thema „DAZN – das Netflix des Sports greift nach der Bundesliga“.

Im Garten sind meine Stockrosen zwar aufgegangen – aber zu meinem Entsetzen musste ich feststellen, dass die Stockrosen „gefüllte“ Blütten hatten. Also Züchtungen, bei denen alles was Bienen & Schmetterlinge lecker finden (Blütenstand), durch weitere Blütenblätter ersetzt wurden. Diese Pflanzen sind für Bienen & Co von null Interesse. Ich habe mich heute bei einer „ungefüllten“ Stockrose irgendwo am Erdkampsweg bedient und ein paar Samen abgegriffen und eingepflanzt.

Things I read.

Keine Comics, keine Belletristik, sondern überwiegend bei der „Financial Times“ und Bookmarks hängen geblieben – für mehr war diese Woche keine Zeit.

Jeff Jarvis: „Evidence, Please“ – Zuerst: ich bin kein Freund von Jarvis, dem ich „Armchair Quarterbacking“ vorwerfe. Aus der gemütlichen und gut bezahlten akademischen Ecke den Medien launige Ratschläge geben, wie sie viel besser sein könnten („Armchair Quarterback“ konnte ich bei allesaussersport auch gut, aber eben nur just for fun und nicht gegen Bezahlung).

Jarvis legt den Medien nahe, in ihrer Berichterstattung sich mehr akademischen Erkenntnissen anzunähern und zu ihren Sujets gezielt Studien und Daten zu recherchieren. Der Aufhänger ist für Jarvis, die Behauptung zahlreicher Journalisten, die Polarisierung der Gesellschaft wäre eine Folge der Sozialen Medien und der Filter Bubble. Lt. Jarvis gibt es zahlreiche Studien, die die Existenz einer Filter Bubble widerlegen.

Der Text hinterlässt aber in Ton und Aufbau eher den Eindruck, als wäre der Trigger des Jarvis’schen Blogeintrag nicht die mangelnde Berücksichtigung akademischer Erkenntnisse in der journalistischen Arbeit, sondern dass jemand dem Internet und den Sozialen Medien mit dem Vorwurf von „Filter Bubble“ ans Bein pinkelt. Im Laufe seines Blogeintrags wird Jarvis selber unsachlich und verzichtet dann auf jegliche Daten um Medien unsachliche, dystopische Technik-Berichterstattung vorzuwerfen und ehemalige Facebook- und Twitter-Mitarbeiter abzukanzeln, weil sie inzwischen als Mahner auftreten. Die raison d’être des Blogeintrags scheint eher ein gepflegter Rant, als Aufklärungsarbeit zu sein.

Die von Jarvis gewünschte Integration von akademischen Resultaten als Bestandteil journalistischer Recherche, ist natürlich nicht unproblematisch – wie auch Jarvis‘ Blogeintrag selber zeigt. Jarvis serviert uns zwar einige Studien in Sachen „Filter Bubble“. Doch wie wollen wir, als Außenstehende beurteilen, dass Jarvis‘, hier immerhin eine interessierte Seite, nicht nur eine einseitige Auswahl an Studien vorgelegt hat? Wie sollen wir die Qualität der genannten Studien beurteilen? Wir können es nicht. Wir müssen da Jarvis vertrauen. Es bleibt weiterhin die wertvollste Währung in der Kommunikation zwischen Medium und Rezipient: Vertrauen.

Charlie Owen: „The Real Dark Web“ – Charlie Owen schreibt über die 99% an „real“ stattfindender Webentwicklung, die im Schatten einiger Leuchtturmprojekte wirklich stattfindet. Otto/Ottoline Normalwebentwickler*in kennt das: man steht staunend vor den fetten Vorträgen auf Konferenzen oder den Newslettern aus der Branche, in der Elite-Webentwickler*innen darüber schreiben, wie sie den letzten Webentwickler-Scheiß beruflich einsetzen, während unsereins sich immer noch mit IE11 und statischen Designvorlagen abplagen muss.

Perhaps the client-side framework developed by a multi-billion dollar company isn’t the one that you should be pushing into the browser of your local grocery website? Perhaps the buildchains that require ancient dark magick to invocate are not appropriate on a team that simply compiles some Sass to CSS?

Let’s appreciate what the 1% does. But let’s not allow the 1% to dominate the conversations and our collective headspace.

Things I watched.

Im Sport neben einem Grundrauschen an Fußball, der keine besondere Erinnerung hinterlassen hat, die letzten Spiele des Rugby-Pacific Nations Cup gesehen. Für die USA, Kanada, die kleinen Pazifik-Inseln und Japan war es der letzte WM-Test. Japan hat mich mit ihrem Rugby Sevens-artigen Spielstil umgehauen. Ich bin mir aber noch nicht sicher, ob die Defense auch dann so stehen kann, wenn die erfahrenen Nationen kommen, die ihre Physis mit Spielintelligenz verknüpfen können. Zumindest würde ich jetzt keine Wette mehr eingehen wollen, dass in Gruppe A wirklich Irland und Schottland als #1 und #2 durch kommen…

Die erste Staffel von „The Boys“ (Amazon Prime) heute zu Ende geguckt. Die Staffel ging mit einem interessanten Plot zu Ende, aber hinterließ trotzdem bei mir unbefriedigende Gefühle.

Die Serie hatte eine interessante Flugkurve, mit den Highlights in Ep05 und Ep06, als ich das Gefühl hatte, dass die Serie ihre Tonalität als moderne Interpretation von „The Watchmen“ gefunden hatte. Stattdessen schmiss man in den letzten beiden Folgen alle Ambitionen weg und packte etliches Füllmaterial rein. Das Tempo war merkwürdig. Die Postproduktion, die beide Folgen in einer sehr altbackenen Farbpalette tünchte, tat ihre Übriges, um die beiden letzten Episoden wie ein Fremdkörper wirken zu lassen.

Was bleibt, ist ein Plot, der, auf wikipedia-kompatible Länge heruntergebrochen, sich interessant liest. Aber angesichts des Castings und einiger Elemente aus Ep05 und Ep06, war in der Staffel mehr drin.

HidaMari Cooking: „No-Bake Peach Cheesecake“ – ein japanisches Video zum Backen einer Pfirsich-Cheesecake-Torte. Die Machart finde ich faszinierend. Es wird kein Wort gesprochen. Es gibt keine Musik. Es dominieren die Küchengeräusche: das Durchschneiden eines saftigen Pfirsichs, das Rauschen der Gasflamme. Visuell gibt es nur Großaufnahmen der Utensilien oder der Zutaten zu sehen. Das was zu sehen ist, ist perfekt: weiß, clean. Unaufgeregte Bewegungen. In seiner Reduktion, ist das Video sehr entspannend.

Things I listened to.

Unter der Woche aus dem Nichts heraus, eine Assoziation: „The Woodentops“, eine Band die ich Mitte der 80er Jahre gerne gehört habe und von der ich heute noch 2, 3 Platten besitze. Mein Highlight war die Liveplatte „Hypnobeat“ – ich sah sie auch einmal live in Hamburg. Ich hab Hypnobeat damals rauf und runter gehört und war jedesmal durchgeschwitzt. Die Woodentops spielten live einige bpm schneller als auf den Studioplatten – und nie schneller als bei „Love Train“ – und das ist fucking 32 Jahre her…

Was war. KW#31

Things I did.

Das aktuelle berufliche Projekt t5 war auch diese Woche frustrierend, da die Umsetzung des Headers & Navigation aufgrund des Designs und der spezifizierte Funktionalität eine sehr komplexe = zähe Angelegenheit ist. Ich komme nicht von der Frage los, wie Mediengestalter und Frontendentwickler näher zusammen kommen können.

In all den Jahren seit der Einführung des iPhones (a.k.a “responsives Webdesign”) ist der Schmerz geblieben, dass Gestaltung sich unverändert am Vokabular von Photoshop/Illustrator/Sketch (a.k.a. statischen Viewports) orientiert und sich zu wenig an den Vor- und Nachteilen von Browsern.

Immerhin diese Woche im Projekt t5 einen Prozess zur Erstellung eines Icon-Fonts und für das Reinkippen von frontendseitigen Javascript-Modulen etabliert.

Things I read.

„Lesen“ war in den letzten zwei Wochen ein Hinterherhecheln von Inbox Zero im Mail-Client und dem abendlichen Überfliegen der Financial Times.

Via Kottke von einem wunderschönen Buch Tokyo Storefronts erfahren: Aquarellzeichnungen von kleinen Geschäften in Tokyo von Mateusz Urbanowicz. Siehe den ersten Teil des Making Ofs von Urbanowicz auf einem eigenen YouTube-Kanal. Als Ex-Zeichner habe ich wieder diesen bösen Stich im Herz gespürt. Eine Mischung aus Neid über das Können von Urbanowicz und den Schmerz in den letzten 20 Jahren nahezu alles Zeichnen verlernt zu haben.

Bei Amazon Deutschland und Libri war das Buch nicht zu bekommen, aber ein japanischer Versender liefert via Amazon.com aus… In drei Wochen soll das Buch kommen.

Things I watched.

Spontan mit The Boys“/Amazon Prime angefangen. Quasi „The Watchmen“ (Comic), nur mit erheblich weniger Gravitas und Komplexität.

Irgendwann, irgendwo sind Superhelden normal geworden und werden von einem Konzern unter die Fittiche genommen, der sie vermarktet. Ein junger, schüchterner Haushaltsgeräte-Fachhändler verliert seine Freundin, als diese bei einem Unfall von einem der Superhelden zerfetzt wurde. Auf der Suche nach einer gerechten Strafe, landet er bei einer kleinen Untergrundgruppe, die gegen Superhelden und den Konzern angeht.

Die Basis ist ein mir nicht bekannter Comic von Garth Ennis und Darick Robertson. Viel kann man der Serie nicht vorwerfen. Sie ist gut gemacht und unterhält – aber bei dem Thema hat einfach Alan Moores „The Watchmen“ eine nicht zu erreichende Latte gelegt, der „The Boys“ nur gelegentlich neue Facetten hinzufügen kann (Vermarktung durch Konzern, Social Media, Doping), während andere Elemente (sexuelle Nötigung) halt zum Anti-Superhelden-Genre-Standard gehören.

Zwei neue Sport-TV-Abos gegönnt. Zum Start der „The Ashes“-Serie im Cricket ein Monatsabo (5,–/Monat) von Willow TV geholt – Test-Cricket ist fantastische Audio-Begleitung während eines langen Tages vor dem Rechner.

Außerdem hat mich Sportdigital von seinem Angebot überzeugt – zumal man anscheinend substantiell mehr Championship und Eredivisie zeigt, als DAZN. Bei einem Stream-Jahresabo von 50,– Euro pro Jahr, kann der Kassenpatient nicht meckern.

Things I listened to.

Am Montag lief in FM4s Homebase Parade als Rausschmeißer New Orders „Blue Monday“. Ich hatte plötzlich einen Yipper auf New Order bekommen und mir dann ein Best-Of gekauft. „Blue Monday“ ist immer noch fantastisch und für eine Phase bis Mitte der 90er Jahre und dann noch einmal zur Jahrtausenwende ist New Order mit einem unverkennbaren Sound gesegnet gewesen.

Ich musste an Alan Bangs denken, der Mitte der 80er Jahre, in meiner spätpubertären Phase, so unendlich viel für meine musikalische Sozialisierung getan hat. An dessen Lippen ich immer nachts im Bett hing, wenn er wöchentlich (IMHO i.d. Nacht Dienstag/Mittwoch) im ARD-Nachtrock und Samstags um 22 Uhr bei BFBS in Nightflight zu hören war.

Seufz, dieser Begleiter meiner Adoleszenz ist auch schon 68 Jahre alt.

“More than $30tn of global assets are held in investment funds that promise daily liquidity to investors despite investing in potentially illiquid underlying assets, such as [emerging market] debt,” Mr Carney said. “We have recently seen analogous situations in the UK.”

Bank of England-Governor Mark Carney über mögliche Auslöser der nächsten Finanzkrise „Why embattled UK stockpicker may be a canary in the coal mine“, Financial Times vom 10.6.2019

Buch „The Artificial Man and Other Stories“ von Clare Winger Harris

Buchcover „The Artificial Man and Other Stories“
Clare Winger Harris ist die erste weibliche US-SF-Autorin, die unter eigenen Namen veröffentlichte. Alle ihre Kurzgeschichten, zwischen 1926 und 1930 geschrieben, sind in diesem Buch versammelt.

85 Jahre später, wirkt es komisch, was alles als Fortschritt und Erfindungen für die kommenden Jahrhunderte beschrieben worden ist. Obwohl die weltweit erste TV-Station bereits 1928 on air ging, hat Winger Harris keine Ahnung von der schnellen Verbreitung dieses visuellen Massenmediums gehabt. Viele Kommunikationsgebahren in ihren Stories sind stattdessen deutlich vom Rundfunk geprägt. Während Weltraumfahrt bis zum Neptun kein Problem ist, werden Fernsehübertragungen erst im 24ten Jahrhundert erfunden.

Winger Harris scheint auch recht fest von Leben auf dem Mars und der Venus auszugehen – gleich Ausgangspunkt mehrerer Kurzgeschichten.

Der Schreibstil ist dem Zeitalter gemäß, altbacken und distanziert. Die Personen sind unnahbar und schablonenhafte Charaktere.

Die Geschichten haben im Zentrum meistens eine Idee oder ein Gedankenspiel, die mal mehr, mal weniger spannend ausgeführt werden. Es sind teilweise recht abstrakte (oder abstruse?) Ideen, wie die Veränderung des Aggregatzustand des Universums.

Wo es heute noch Berührungspunkte gibt, wird es schnell spannend. Zuvorderst „The Ape Cycle”, das auch als Inspiration für “Planet of the Apes” dienen könnte und genauso wie “Planet of the Apes” auch als Allegorie auf die vergangene Sklavenhaltung verstanden werden könnte – von Winger Harris aber so straight geschrieben, dass ich mir nicht sicher bin, ob ihr diese Doppeldeutigkeit auch bewusst war. “The Ape Cycle” verstärkte daher den Eindruck, dass man bei den Kurzstories gar nicht erst nach weiteren Deutungsebenen zu suchen braucht – es gibt schlichtweg keine.

In “The Miracle of the Lily” münden die Themen Ökologie und intensive Landwirtschaft für die Fleischproduktion in einen großen Krieg zwischen der Menschheit und den Insekten.

Doch selbst bei noch heute modernen Themen, wirkt die Ausführung der Stories 85 Jahre später, sehr altmodisch und überraschungsfrei. Was am Ende übrig bleibt, ist mit den Augen der Science-Fiction Ende der 20er Jahre auf die heutige Zeit zu schauen und zu merken wie weit wir gekommen – oder nicht gekommen sind.

Ich gehe erst einmal Wasserflaschen kaufen, um für den großen H2O-Diebstahls des ausgetrockneten Mars‘ gerüstet zu sein.

Zwei von fünf Sternen.

People who have learned to answer email on Sunday evenings also need to learn how to go to the movies on Monday afternoons.

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