In dem Band sind 10 Kurzgeschichten von William Gibson zwischen Ende der 70er und Mitte der 80er Jahre veröffentlicht worden, u.a. auch das verfilmte „Johnny Mnemonic“.
Was Gibsons Kurzgeschichten auszeichnet, ist die niedrige Amplitude seiner Stories. Atypisch für Science-Fiction, sind die Geschichten heruntergebrochen auf zwischenmenschliche Beziehungen, deren Grundgerüst auch aus der „Jetzt-Zeit“ (na ja, die Achtziger Jahre sind nun auch schon fast ein halbes Jahrhundert weit weg) kommen könnten und aus einer melancholischen Ich-Perspektive erzählt werden, irgendwo zwischen Film Noir und Hardboiled.
Faktisch weiß ich noch nicht einmal, ob Gibson die Stories wirklich aus einer Ich-Perspektive geschrieben hat, aber zumindest hat es sich in meiner Erinnerung eingebrannt, dass die Geschichten immer aus der Perspektive von ein, zwei Protagonisten betrachtet wird.
Nicht alle, aber etliche Stories besitzen jene Versatzstücke, die später in Neuromancer wieder zu finden sind: Cyberspace, Konzerne, Daten und Informationen als wertvolles Gut, Menschen, die mit dem Cyberspace verbunden sind und/oder auf andere Arten elektronisch oder biomechanisch aufgerüstet sind.
Gibson will aber damit kein Feuerwerk abbrennen. Dies ist für ihn alles nur eine natürliche Fortschreibung des Menschen und im Kern bleibt er bei den Menschen und ihren Sehnsüchten.
Ich habe das als angenehm empfunden. Es ist aber auch mit dem Nachteil verbunden, dass ich mich kaum noch an Details der Geschichten erinnere, sondern nur an diffuse Emotionen – meistens verschiedene Arten von Melancholie.
„New Rose Hotel“, die Geschichte, die mich am stärksten beeindruckt hat, handelt von Industriespoinage – in der Zukunft werden nicht Informationen geklaut. Stattdessen werben Konzerne Wissenschaftler von konkurrierenden Konzernen durch Agenten ab. Wie in klassischen Agentenfilmen, entpuppt sich einer der Agenten als Doppelagent eines anderen Konzerns…
Dieser Plot wirkt aber fast wie eine Hintergrundmusik. Im Vordergrund geht es im einen der Agenten, seinen Emotionen zur Doppelagentin und der Umstand, dass er vermutlich in absehbarer Zeit umgebracht wird (BTW: es gibt eine Film-Adaption von Abel Ferrara, 1998 → YouTube)
„Sich nur an diffuse Emotionen erinnern“, statt an Plotdetails, schrieb ich gerade. Das mag auch an der Schreibe von Gibson liegen. Tatsächlich lässt Gibson bei mir keine Bilder im Kopf entstehen. Seine Sprache bleibt für mich kaum greifbar: „das Hybridomlabor in Okajama“, „das Installieren retrograder Biochips“, „Der hat sich einen bösen Zellmembranschwund weggeholt”, „Ich habe mich über ein dreifach abgesichertes Mietsystem in Mombasa und einen algerischen Fernmeldesatelliten an sie rangehängt“.
Das sind Phrasen, die machen etwas im Kopf, aber sie lassen bei mir keine Bilder entstehen. Gibson hinterlässt mich frustriert zurück und ich frage mich, was mein Problem ist.
von 5 Sternen.