[11h56] Politics —
Raffarin ist zurückgetreten und
de Villepin wird neuer Premierminister in Frankreich. Ich weiß nicht ob
Sarkozy sich zur Verfügung gestellt hätte. Wenn ja, dann ist es eine sehr defensive Entscheidung von Chirac. Villepin gilt als getreuer Gefolgsmann von Chirac und dürfte aufgrund seiner Statur, seinem latenten Snobismus nicht wirklich volksnah sein. Seinen „Erzfeind“ und Partei Sarkozy zu küren, wäre ein offensiver „Move“ gewesen. Da hätte sich der kleine Nicolas eine blutige Nase geholt und nix wäre es mit Präsidentschafts-Ambitionen als Chirac-Nachfolger geworden.
Vielleicht wusste es Sarkozy und hat deswegen das Amt des Premierministers abgelehnt.
Auf der anderen Seite: die Sozen sind noch auf Jahre mit sich beschäftigt.
François Hollande ist alles andere als Menschenfänger und
Laurent Fabius wird vorgeworfen als einer der Anführer des „Non“ gegen die EU-Verfassung, die Linke gespalten zu haben. Der eh schon nicht sonderlich gute Ruf des skrupelosen Karrieristen hat eine Delle mehr. Bleibt „DSK“
Dominique Strauss-Kahn, aber ob der wollen würde?
[11h38] Mann, Mann, Mann, wo leben wir bloß. Gestern ist das Päckchen aus Hongkong mit
einem Import-Videospiel angekommen. Nicht bei mir, sondern dem Zollamt. Heute traf bei mir nur die Benachrichtung ein. Gegen das Ausfüllen einer Ersatz-Zollinhaltserklärung sowie zwei Kopien der Rechnung darf ich es binnen 7 Tage vom Zollamt abholen.
Die Rechnung liegt, wie meistens in solchen Fällen, natürlich im Paket. Also müssen es die per eMail versandten Bestellungsbestätigungen tun, die jeder Depp binnen zehn Minuten fälschen kann.
Das „Zollamt Post“ liegt natürlich inzwischen nicht mehr am Stephansplatz sondern am „am Arsch der Welt“ (Heidenkampsweg). Die Öffnungszeiten orientieren sich eher an Verhaltensmuster der Fünfziger Jahren als am 21ten Jahrhundert.
Auf ein Wort: wieviel verkackte Manpower gehen beim Zoll, bei der Post und bei mir flöten, weil ich ein verschissenes Videospiel im Wert von US$ 34,90 aus dem hintersten Winkel der Stadt abholen und verzollen muss?
Die Türkei-Frage spielte in der Tat beim Referendum eine Rolle. Es war grundsätzlich eine Protestwahl gegen Chirac, eine Protestwahl gegen die herrschenden Politiker die sich von der Basis entfernt haben und es war eine Protestwahl gegen „angelsächsische“ Einflüße im Wirtschaftsleben und in der EU ("Heuschrecken"-Krankheit). Die Stimmung in Frankreich ist nicht unähnlich der deutschen Stimmung. Darniederliegende Wirtschaft die nicht in Schwung kommt, Weggang von Arbeitsplätzen, hohe Arbeitslosigkeit und zaghafte, aber schmerzhafte, unpopuläre Reformen.
Der Irak-Krieg hat seine massiven Wunden in Frankreich hinterlassen, weil die Spaltung zwischen den "alten Europäern" und den "Transatlantikern" deutlich geworden. Die einen wollen Europa als eigenständige Macht positionieren, die anderen verstehen Europa als Writschaftsbündnis und suchen ansonsten Partnerschaft mit den USA. Der Irak-Krieg hat deutlich gemacht, dass durch den Beitritt der osteuropäischen Ländern sich die Gewichte innerhalb der EU massiv richtig Transatlantismus verschoben haben.
Und in dieser Atmosphäre wird nun der Beitritt nicht nur eines neuen großen Landes, der Türkei, debattiert, sondern auch eines muslimischen Landes. Dreimal darf man raten wie die Stimmung ist.
Ich glaube nicht dass die Türkei-Frage entscheidend war, sondern vielmehr für viele ein weiteres Indiz dafür war/ist, dass die EU in eine Richtung steuert, die sie nicht mehr wollen.
Das Wahlverhalten des Referendums zeigt, dass dabei die negative Stimmung vorallem in den ländlicheren Regionen verbreitet war. Nicht zuletzt weil die ländlichen Regionen massiv um den Wegfall ihrer Subventionen fürchten. Je größer und wohlhabender die Stadt war, desto EU-freundlicher war sie. In Paris haben die reichen (und tendenziell konservativen) Arrondisments mit 60-70% pro EU-Verfassung abgestimmt.
Nachtrag: vermutlich hätte ich auch gegen das Referendum gestimmt. Auch aus blankem Protest. Mir gefällt nicht die Selbstverständlichkeit mit der die Politiker im Rahmen der EU-Verfassung erwartet haben, dass das Ding einfach abgenickt wird.
Das „Nein“ war vorhersehbar und trotzdem fuhren die Politiker wie mit Autopilot weiter auf die Wand zu. Gestern gab aus EU- oder Regierungskreisen nicht ein Jota Verständnis, dass vielleicht einmal grundsätzlich über die Ausrichtung der EU diskutiert werden müsste.
Die Bedenken gegen die Aufnahme der osteuropäischen Staaten im letzten Jahr haben sich als richtig erwiesen. Die EU war noch nicht reif für die Aufnahme von sovielen Staaten und von sovielen Staaten die völlig anders strukturiert sind. Die EU ist zur einer Wirtschaftsunion verkommen, da alles darüberhinausgehende nicht mehr konsensfähig ist.
Die Konsequenz kann nur noch ein Europa mit unterschiedlichem Tempo sein, bei dem sich Länder für bestimmte Projekte fallweise zusammentun, oder eines neuen „Kerneuropas“ dass über die Wirtschaft hinausgehende gemeinsame Politik verfolgt.
Das Fankreich und Deutschland mit ihren anstehenden Strukturreformen ganz ähnliche Probleme haben, passt ganz gut.