Ehrlich: ich habe keine Ahnung wie dieses Buch auf meinem eBook-Reader gekommen ist. Okay, ich hatte schon zwei Bücher von Suarez gelesen und anscheinend fand ich die Beschreibung so sexy, dass ich mir das Buch 2018(!) gekauft habe, als es damals 50% herabgesetzt war…
Suarez schreibt Thriller, die ein paar Jahrzehnte in der Zukunft liegen. Das erlaubt ihm, bestimmte Technologien in Richtung zu Extremszenarien weiter zu denken, bleibt aber immer noch nahe an unsere Zeit, um glaubwürdige Szenarien zu bleiben.
Es gibt für die Konzeption von Produkten und Dienstleistungen die Disziplin des Schreibens von spekulativen Szenarien, um daraus Designanforderungen, Forschungsziele u.ä. abzuleiten: „Wie wird das Internet 2040 aussehen“, „Wie werden Nachrichten 2050 konsumiert“, „Wie werden Menschen 2060 ihre Wäsche waschen“.
Was Suarez da auf 535 Seiten abgeliefert hat, wäre vermutlich auf 10 Seiten herunter komprimiert, interessanter gewesen … und angesichts seines offensichtlichen Desinteresse für Charaktere, auch ehrlicher. „Bios“ auf zehn Seiten eingedampft: so geht es mit der Gen-Technologie weiter, so entwickelt sich Südostasien, so leben Menschen in Metropolen, so entwickelt sich der Sklavenhandel etc…
Worum geht es in „Bios“: 2045. Kenneth Durand ist Leiter einer Interpol-Abteilung gegen den illegalen Einsatz von Gentechnologien an Menschen. Er wird gebeten, seine Ressourcen zur Verfolgung des Kopfes eines asiatischen Kartells, Marcus Demang Wyckes, einzusetzen.
Im Gedränge der abendlichen Rush-Hour in Singapur bekommt Durand eine Injektion verpasst und wacht nach fünf Wochen Koma auf: in der Haut des gesuchten Marcus Demang Wyckes. Die Injektion hat etwas gemacht, was als wissenschaftlich unmöglich galt: sie hat am lebendigen Menschen die DNA soweit verändert, dass aus Durand Wyckes wurde und sich nun im Polizeigewahrsam ist. Durand-Wyckes kann fliehen, versucht seine Unschuld zu beweisen und die DNA-Modifikation wieder rückgängig zu machen.
Der Plot hat Löcher, durch die ganze LKWs durch fahren können und ist künstlich aufgebläht. Suarez zeigt ein Desinteresse interessante Charaktere zu schaffen. Die Protagonisten wirken, als hätte Suarez sie sich in einem Rollenspiel zusammengewürfelt. Sie besitzen keinerlei Tiefe. Sie sind eine Aneinanderreihung eingängiger Versatzstücke.
Ebenso wenig Tiefe besitzt die zentrale Frage, die Suarez zwar in den Raum stellt, aber damit nichts weiter macht.
Wenn man sich nicht mehr darauf verlassen konnte, dass die DNA einer Person unveränderlich war, wie konnte man dann jemanden die Schuld an einer Straftat nachweisen?
Die Technologie könnte das Konzept der Identität selbst untergraben. Wer wer ist — [also] persönliche Verantwortlichkeit –, das war bislang die Grundlange allen Rechts
Was hätte wohl ein Philip K. Dick für ein dystopisches Szenario entworfen? „Der Dunkle Schirm“, der u.a. die Auflösung des eigenen Identitätsverständnisses durch Drogenkonsum schildert, zeigt den Unterschied, zwischen Auseinandersetzung mit dieser Frage und billiger Flugzeug-Lektüre. Ähnlich wie bei der Ausarbeitung der Charaktere, wirkt es wie Desinteresse von Suarez, etwas tiefer zu bohren.
Es war wieder eines der Bücher, wo ich nahe dran war, mittendrin abzubrechen. Das einzige was mich hielt, war die Hoffnung auf eine interessante Plotauflösung … aber die gab es nicht. Der Plot wurde so straight, wie befürchtet, aufgelöst. Am Ende bleibt als einziger Pluspunkt, wie Suarez aktuelle Entwicklungen an einigen Stellen interessant weiter gedacht hat. Aber für 535 Seiten ist das zu wenig und ich fühle mich meiner Zeit beraubt.
Als kleiner Bub bin ich in den Ferien öfters bei meiner deutschen Großmutter im Odenwald gewesen. Schräg’ gegenüber gab es einen Zeitschriftenladen, der einige Comics hatte. U.a. ein Comic-Magazin namens „Kobra“, das vorzugsweise britische Serien abdruckte. Mir hatte es vor allem die Serie „Das Reich Trigan“ angetan, die so bombastisch daher kam. Zeichnerisch aufwändig, epische Stories und eine verrückte Mixtur aus römisches Reich, Science-Fiction und Fantasy.
Denk ich an Trigan, denk ich an diese Kleinstadt im Odenwald, an die Kopfsteinpflaster-Straßen, das Geläut um 18 Uhr, mit dem gleichzeitig alle Ladengeschäfte schlossen, an den Spielzeugladen, der einer Freundin meiner Großmutter gehörte. An den kleinen Kohleofen im Wohnzimmer, das traditionelle Gläschen Rotkäppchen-Saft zum Abendbrot und „Onkel Otto“ im hessischen Werbefernsehen. An die zentnerschweren Bettdecken, an den Pisstopf unterm Bett (Toiletten gab es nur im Treppenhaus, eine halbe Etage tiefer).
Nach „Kobra“ habe ich „Das Reich Trigan“ nur noch 1-2 weitere Male gesehen.
Einige Jahre später bekam ich mit, dass die Serie als „faschistisch“ bezeichnet wurde. Naja, nun war es in den 70er und 80er Jahre so, dass die Comic-Kultur in Deutschland, und damit der Diskurs, noch reichlich ungesund war. Superhelden-Comics galten als moralisch verderbende Bildergeschichten. Mit den Tom & Jerry im ZDF-Vorabendprogramm entflammte eine Diskussion über zu viel gewaltverherrlichende Fernsehen für Kinder – 40 Jahre später hat keiner mehr ein Problem, wenn um 17 Uhr in CSI fröhlich Leichen obduziert werden … aber ich schweife ab.
Über 40 Jahre später, gab es ein Wiedersehen mit dem Reich Trigan. Bei HumbleBundle konnte wieder ein Bündel von eBooks von Rebellion erworben werden. Wie gut hat sich „Das Reich Trigan“ gehalten? Erlag ich als Achtjähriger irgendeinem Fascho-Zeug?
Zuerst braucht es etwas mehr Kontext: „The Trigan Empire“ ist eine britische Comic-Serie die von 1965 bis 1982 lief. Es handelt sich also um eine fast 60 Jahre alte Science-Fiction-Serie und wie man schon an Isaacs Asimovs Foundation-Trilogie sehen konnte, altert nicht jede Science Fiction gut.
Die Serie wurde anfangs in wöchentlich erscheinenden Comic-Magazinen jeweils mit zwei Seiten abgedruckt. Das erklärt die teilweise arg textlastigen Seiten und die Kurzatmigkeit der Story. Aufsehenerregend waren die aufwändig gestalteten Zeichnungen/Malereien von Don Lawrence.
Die Stories beschreiben Aufstieg und Fall des Kaiserreiches Trigan auf dem Planeten Elekton. Es ist eine recht krude Mixtur aus „Römisches Reich“ meets „Bibel“ meets Fantasy meets Flugzeuge und Strahlenwaffen. Architektur und Kleidung orientiert sich überwiegend am römischen Reich. Kaiser Trigo und seine Sippschaft hüpft mit Sandalen und einem Schwertchen herum, während die Soldaten um ihn herum am Flughafen, die Strahlenpistole im Holster tragen.
Die Serie beginnt als Trigo und seine beiden Brüder das Nomadenvolk der Vorg anführten. Das Volk wird bei einem grundlosen Angriff eines Kampffliegers eines Nachbarvolkes, der Lokan, fast ausgelöscht. Für Trigo ist dies der Auslöser, um das Volk sesshaft und wehrhaft zu machen. Zu Hilfe kommen ihnen dabei Flüchtlinge vom weitaus höher stehenden Volk der Tharvs, die ebenfalls von den Lokan fast ausgelöscht wurden. Es gelingt ihnen die Lokan bei einem Angriff auszutricksen und im Eiltempo eine Zivilisation hochzuziehen.
Die einzelnen Stories sind zwischen 7 und ca. 30 Seiten lang. Es wechseln sich die gleichen 3-4 Grundtypen von Stories ab. „Der Verräter“ (einer der Brüder, einer der Generäle etc…) versucht das Imperium zu stürzen. Das „fremde Böse“ (andere Völker, Außerirdische) versucht das Imperium zu stürzen. Es wird ein neues Volk/neues Gebiet/neuer Planet entdeckt und bei der Entdeckung riskiert eine Person aus dem kaiserlichen Umfeld draufzugehen.
Häufig gibt es irgendwen oder irgendwas, dass die Kontrolle über die Vorgs oder dem kaiserlichen Umfeld übernimmt: Hypnose, außerirdische Stimmen, außerirdische Seelenwanderer, ein Kraut, das Wahnvorstellungen produziert, Trinkwasser, das willenslos macht… etcetera pp…
Aber am Ende gewinnt das „Gute“. Über die knapp 20 Jahre in denen die Serie lief, hat sich das Reich nur wenig gewandelt. Rein äußerlich verbreitete sich im Reich die Architektur des 70er-Jahre Brutalismus, aber bei Trigo und seinem Berater Peric blieben die Vorlieben für römische Klamotten. All die Konflikte hinterließen keine Spuren, außer graue Haare an Trigos Schläfen. Die Popularität von Kaiser Trigo veränderte sich kaum. Das Volk war mit dem „Benevolent dictator for life“ zufrieden.
Das ist alles von einer Naivität, die auf Dauer maximal von Achtjährigen zu ertragen ist. Wo der Vorwurf der Verherrlichung von Faschismus kommt, ist zu sehen: Trigo und Co. sind ein Traum von Arier: blonde Haare, blaue Augen, muskulöser Körper. Seine Gegner hingegen…
In den ersten beiden Bildern sieht man die Hauptfeinde: die Lokan. Die Assoziationen mit „die Gelbe Gefahr“ und Mongolen liegen auf der Hand. Butterworth und Lawrence haben dies schnell etwas zurückgefahren. Die Lokan bekamen später eine grüne Hautfarbe. Aber das klare Freund-/Feind-Schema bleibt an Gesichtern und Mimik ablesbar und wird im Laufe der über 800 Seiten nur 2-3 Mal durchbrochen.
Verstärkt wird dies durch ein Grundthema, das sich durch viele der Stories durchzieht: das Unbekannte, das Ding, das von draußen kommt und immer Ungemach nach sich zieht. Ich kenne Butterworth und Lawrence nicht. Daher finde ich es etwas müßig ihnen Rassismus vorzuwerfen. Aber der Reaktionismus der durch die Seiten wabert, ist selbst als Erwachsener und unter Berücksichtigung, dass es sich um die 60er und 70er Jahre handelt, nur schwer zu ertragen.
Fast folgerichtig ist es, dass auch den 860 Seiten Frauen so gut wie keine Rolle spielen (Asimov lässt grüßen).
Und was sagt der achtjährige Bub in mir? Der hat sich so ein bisschen geschämt, kam aber bei einigen Panels wieder in mir hoch. Es gab Bilder von Lawrence, die haben sich mir im Kopf eingebrannt hatten und den Bub getriggert haben. Es sind die Mimiken, es ist die Formensprache einiger SF-Elemente und es sind die massiven Farben und die Kolorierung, die aus „Das Reich Trigan“ offensichtlich etwas derart einmaliges machen, dass ich nach über 45 Jahren einige Panels wieder erkannt habe.
Lawrence hat Dinge gezeichnet, die man als Achtjähriger nicht für möglich hielt. „Das Reich Trigan“ war die Comic-Entsprechung eines Monumentalfilms. Er hat nicht nur Dinge auf Papier gebracht, sondern den Sujets und Objekten auch eine Haptik gegeben. Sein Einsatz von Farben schaffte es, den Dingen eine Fremdheit zu geben, wie es im Bereich der realistischen Zeichnungen nur einem Richard Corben gelungen ist.
Aber das alles, ist ein Faszinosum vergangener Zeiten – als die Comics noch nicht am Computer koloriert wurden und als noch nicht alle zehn Minuten ein neuer Marvel-Film veröffentlicht wurde. Was in der heutigen Rezeption hängen bleibt, ist ein maximal einfältiger Stoff, der zu wenig aus der Langzeitbeobachtung eines Kaiserreichs macht. Dazu kommt eine Grundtonalität, die aus der heutigen Perspektive erzreaktionär und abstoßend wirkt. Der Bub in mir, hat sich eine Zeitlang gefreut. Aber das ist etwas zwischen mir und diesen Comics. Dazu braucht es keine 860 Seiten und für alle anderen ist es eh nicht relevant.
Gleich eingangs eine semantische Bemerkung zu diesem 2017er-Science Fiction-Film von Luc Besson: obwohl die Comic-Vorlage „Valerien und Veronique“ (bzw „Valerian and Laureline“) heißt, steht im Filmtitel, egal ob im englischen Original, der französischen oder deutschen Version nur der männliche Held im Titel. WTF?
Der französische Regisseur Luc Besson hat sich an der filmischen Umsetzung der zwischen 1967 und 2010 erschienenen französischen Comic-Serie versucht und dabei ist ein typischer Besson-Film herausgekommen: optisch interessant, aber ansonsten… („La femme Nikita“ und „Léon, the Professional“ nehme ich hierbei ausdrücklich aus).
Valerian und Veronique sind Raum-/Zeit-Agenten der „United Human Federation“. Sie werden beauftragt auf einem Schwarzmarkt-Planeten das letzte noch lebende Exemplar eines „Transmutators“ zu holen. Nach diesem Auftrag kehren sie zur Raumstation Alpha zurück. Alpha ist im Laufe von mehreren hundert Jahren die größte Raumstation des Universums geworden, mit einer Ansammlung von tausende von unterschiedlichen Völkern, die mit ihren Bauten an die Raumstation andockten.
Bei ihrer Rückkehr erfahren Valerian und Veronique, dass es inzwischen im Kern der Raumstation eine „Rote Zone“ mit Radioaktivität und tödlicher Atmosphäre gibt, die sich ausbreitet. Sensoren sind nicht in der Lage zu erkennen, was in dieser Zone vor sich geht und alles was an Spähtrupps ausgeschickt worden ist, ist nicht wieder zurückgekehrt.
Wegen dieser „Roten Zone“ kommt es auf Alpha zu einer Sondersitzung des Sicherheitsrats. Diese wird von unbekannten Wesen gestürmt und ein Fünf-Sterne-General entführt. Bei einer wilden Verfolgungsjagd zerschellt Valerian in der „Roten Zone“. Veronique macht sich auf, Valerian aus der „Roten Zone“ zu bergen…
Auch wenn der Filmtitel den zweiten Band von 1971 „Im Reich der tausend Planeten“ referenziert, basiert der Plot auf den 6ten Band von 1975 „Botschafter des Schatten“.
Und so ein bisschen ist dies Sinnbild für das Problem der Umsetzung einer Comic-Serie, die sich von 1967 bis 2010, also 43 Jahre, erstreckt und so fest an Autor Pierre Christin und Zeichner Jean-Claude Mézières gebunden ist. wie „Valerien und Veronique“: was bildest du eigentlich ab?
Die Stories, die Charaktere, die Zeichnungen und damit die Tonalität haben sich insbesondere Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre massiv geändert. Während die ersten Bände noch Abenteuer-Comics waren, rückten just ab dem 6ten/7ten Band zunehmend gesellschaftliche Themen in den Mittelpunkt und wurde die Comic-Serie „erwachsen“.
Die Comic-Serie wird vom Film in ihrer Tonalität überhaupt nicht getroffen. Besson schien dies komplett egal zu sein. Hauptsache Content für die Etablierung einer neuen Popkorn-Kino-Franchise.
Daraus ist nichts geworden. Der Film ist böse an den Kassen gefloppt. Geplante Fortsetzungen sind eingestampft worden.
Woran es nicht gelegen hat, ist die Optik. Das Bestiarium ist wirklich hervorragend aus dem Comic adaptiert. Man bekommt eine sehr „freshe“, weil ungewohnte Optik, die deutlich abseits der normalen US-Science-Fiction inspiriert ist.
Der Plot ist dagegen schon deutlich meh. Der Plot wirkt nicht kohärent und dreht einige Extraschleifen um den Film zu strecken (was soll bitte die ganze Episode rund um Rihanna/Bubble?).
Durch die Plotlöcher kannst du ganze Viehherden treiben. Die Schauspieler lassen einen kalt und die Charaktere sind vorhersehbare Genre-Abziehbilder. Eine Adaption der Comic-Serie wäre schon aufgrund der Entwicklung der Charaktere über die 43 Jahre hinweg, deutlich besser in einer Serien-Produktion statt eines/mehrerer Event-Filme aufgehoben gewesen.
Meine Wertung: 2 von 5 Sternen und dies auch nur aufgrund des Designs im Film.
Die „Wayfarer“ bohrt Wurmlöcher und damit Verbindungswege durch den Weltraum. Der Mars-Mensch Rosemary heuert zu ihrem ersten Weltraum-Job bei der Wayfarer an. Kurz darauf bekommt die Wayfarer ihren bislang lukrativsten Auftrag, als sie Verbindungswege zu einem bislang verfeindeten Reich bohren soll.
Klingt spannend, doch nach knapp 40% ist das Buch immer noch nicht in die Puschen gekommen. Stattdessen hüpft das Buch von Planet zu Planet und stattet Freunden und Bekannten Besuch ab. Wir lernen die Crew ausgiebigst kennen – es wirkt wie ein lang ausgewalzte Beschreibung von Charakteren für einen launigen Rollenspielabend.
Liest man Rezensionen zu diesem Buch durch, wird der Humanismus(sic!), Multikulti und optimistische Grundton gelobt.
Ich hab hingegen nach jenen 40% aufgegeben. Ein Plot ist bislang nicht zu entdecken. Die Charaktere aus den verschiedenen Rassen, haben einige gute Ideen, die aber nicht oder nur plump zur Anwendung kommen. Die Charaktere tragen bislang nichts zur Handlung bei, was das Buch beliebig und belanglos macht.
Aber vielleicht ist es auch nur meine falsche Erwartungshaltung gewesen, die nach den positiven Kritiken einen Plot mit Gravität und gesellschaftlicher Relevanz erwartet hatte, aber stattdessen nur die Weltraumentsprechung eines Road Movies bekam.
Ein weiteres Problem habe ich mit der deutschen Übersetzung. Ich weiß nicht, ob ich der Übersetzerin Karin Will einen Vorwurf mache oder ob es einfach ein grundsätzliches Problem ist, diesen extrem kumpelhaften Ton der Crew ins Deutsche zu übersetzen. Die Dialoge lesen jedenfalls infantil und befördern das Fremdschämen.
Nach meinem erfrischenden Intermezzo mit „And Shall Machines Surrender“, machte auch das Durchlesen der Kurzfassung im Internet keinerlei Bock, das Buch noch mal anzufassen. Damit: DNF.
Im Buch stecken einige Charakterideen, aber zumindest in der ersten Hälfte kein Plot, der diese Charaktere agieren lässt. Dem Buch fehlt bis hierhin die raison d‘être und damit ist für mich das Ende erreicht.
Dieses Buch hat mir mehr Spaß gemacht, als es vermutlich angesichts der Schwächen machen sollte. Aber ich wurde in eine neue Welt hineingezogen und im Kopf sind immer wieder Bilder entstanden. Ich spüre eine Lust die Bilder zu zeichnen. Das ist mir schon länger nicht mehr mit einem Buch passiert.
„And Shall Machines Surrender“ ist ein Science Fiction-Roman, irgendwo in der Zukunft und irgendwo im Universum und irgendwo in der Menschheit. Die Novelle spielt auf einer Raumstation (nein, stimmt nicht, eigentlich eine „Dyson-Sphäre“) namens Shenzen.
Mit Ankunft der Protagonistin Orfea, einer desertierten Spionin, die sich hier niederlassen will, werden wir langsam in eine Welt eingeführt, in der sich verschiedene AIs zum sogenannten „Mandat“ niedergelassen haben und in Koexistenz mit Menschen zusammenleben.
Die Menschen verehren die AIs wie Götter und streben danach von den AIs als „Haruspex“ auserkoren zu werden. Haruspex gehen über einen längeren Zeitraum eine immer symbiotischere Beziehungen mit einer AI ein, ersetzen Körperteile durch Implantate und leben letztendlich mit zwei Persönlichkeiten.
Im Rahmen des Verfahrens zu ihrer Aufenthaltserlaubnis fängt Orfea an, in einem Krankenhaus zu arbeiten. Sie ist überrascht, als sie am ersten Tag ihre letzte Patientin empfängt: Krissana, ihre einstige Vorgesetzte und Liebhaberin – und Haruspex-Anwärterin.
Das Setup setzt sich in Bewegung, als eine Serie von Haruspex-Anwärter|innen Selbstmord begehen. Plötzlich taucht auch Seung Ngo auf, die einst Pflegemutter der Waise Orfeo war und sich nun als eine der AIs des Mandats entpuppt. Seung Ngo bittet Orfea und Krissana die Gründe der Selbstmord-Serie zu ermitteln.
Im Laufe der Novelle werden Orfea und Krissana mit ihrer Vergangenheit konfrontiert und geraten in einen Machtkampf und Selbstfindungsprozess der AIs.
Es ist der erste Band einer kleinen Serie von Novellen, die im gleichen Umfeld angesiedelt sind: „The Machine Mandate“.
Offiziell stammt die Novelle von der thailändischen Autorin Benjanun Sriduangkaew. Sie ist als Person nicht unumstritten, da sie eine Vergangenheit als Internet-Troll in Foren und Blogs besitzt, inkl. Gewaltandrohungen u.ä..
Es ist unklar, ob Benjanun Sriduangkaew wirklich die Person ist, die sie vorgibt. Es gibt Gerüchte, dass die Radikalität ihrer feministischen, antiamerikanischen und LBGT-Positionen nur aufgesetzt ist und die in Wirklichkeit eine weiße Upper-Class-Hausfrau von der US-Westküste wäre.
Das World-Building im Buch ist sensationell. Nicht zu viel und nicht zu wenig, aber ungewöhnlich und interessant.
Weitaus größere Probleme habe ich mit den Charakteren. Haben die Charaktere in der Novelle alle einen interessanten Startpunkt, so verlieren sie zunehmend an Profil und werden austauschbar – sowohl in Handlung als auch Sprache. Auch die Motivation der Protagonisten wird eine zunehmend wackeligere Brücke.
Ist es die Unerfahrenheit der Autorin? Es fällt auf, dass die Novelle anfangs rund um Orfea verankert wurde, die aber im Laufe der Seiten immer mehr an Bedeutung verliert, während Krissana zur zentralen Figur wird. Das fühlt sich nicht passend zur Exposition an.
Die Novelle geht recht offensiv mit geschlechterneutraler Sprache um. Die massive Verwendung von Pronomen wie „xe“, „xem“ oder „they“ war für mich gewöhnungsbedürftig. Als nicht-super-duper-Englisch-Leser irritierte mich vor allem die Verwendung von „they“. Sind damit mehrere Personen gemeint? Oder geschlechtsneutral nur eine Person? Oder ist es eine Anspielung auf die beiden Persönlichkeiten, die in eine|r Haruspex stecken?
Apropos offensiv: Orfea und Krissana sind zumindest lesbisch und haben ausführlich beschriebenen Sex, der in Maßen auch in Richtung BDSM geht. Ich fand es interessant, einen ersten Einblick in die Denke hinter BDSM zu bekommen. Einen Einblick der eine etwas größere Fallhöhe hat, als das was sonst zum Thema in elektronischen Medien serviert wird.
Bei allen Schwächen und Diskutablen, bleibt am Ende eine Novelle mit einem ungewöhnlichen Setting, die mir Spaß gemacht hat, die originell war und die mich beschäftigt hat.
Dies ist ein nur 23 Seiten langer Comic, entstanden nach einer Kurzgeschichte von Ray Bradbury von 1950 „The Long Rain“.
Der Tipp auf den Comic ist über eine Empfehlung von Kieron Gillen reingekommen. Artyom Topilin (T: @artyomtopilin, I: artyomtopilin) ist ein Zeichner u.a. aus dem Superhelden-Umfeld, den ich bislang nicht kannte. Da der Comic auch auf russisch erschienen ist, liegt es nahe, dass Topilin mindestens russischer Abstammung ist.
Das passt auch ganz gut zur Kurzgeschichte von Ray Bradbury, über eine Gruppe von Raumfahrern, die auf einem Planeten gestrandet sind, auf dem es seit tausenden von Jahren ununterbrochen regnet. Die Raumfahrer sind auf der Suche nach einer Basis, wo sie Unterschlupf finden können.
Die Kurzgeschichte hat jene Tonalität, die man auch von etlichen osteuropäischen SF-Filmen kennt: sehr introvertiert, melancholisch, düster und die Grenzen zwischen Realität und Irrsinn sind fließend.
Topilin liefert auf den nur 23 Seiten eine eigenständige Interpretation der Bradbury‘schen Geschichte, die vollends überzeugt – sowohl in der Ästhetik, als auch in der Erfindung des Settings. Der Kurz-Comic kann über Gumroad als eBook (PDF) gekauft werden.
4 von 5 Sternen.
P.S.: Gumroad wird mir als Plattform für Comics immer sympathischer. Nicht dass sie technologisch besonders herausragend wäre. Aber sie erfüllt ihren Zweck u.a. Comic-Zeichner*innen eine Bezahlplattform für verschiedene Formate zu geben: Kurzgeschichten, Skizzen, eigenständiger Vertrieb längerer Comic-Geschichten. Es senkt die Hemmschwelle von „Link im Newsletter“ bis zum Kauf des Comics. Das ist gut. Auch gut: Gumroad gibt die Möglichkeit, über den Mindestpreis hinaus, noch mehr on the top zu bezahlen.
Clare Winger Harris ist die erste weibliche US-SF-Autorin, die unter eigenen Namen veröffentlichte. Alle ihre Kurzgeschichten, zwischen 1926 und 1930 geschrieben, sind in diesem Buch versammelt.
85 Jahre später, wirkt es komisch, was alles als Fortschritt und Erfindungen für die kommenden Jahrhunderte beschrieben worden ist. Obwohl die weltweit erste TV-Station bereits 1928 on air ging, hat Winger Harris keine Ahnung von der schnellen Verbreitung dieses visuellen Massenmediums gehabt. Viele Kommunikationsgebahren in ihren Stories sind stattdessen deutlich vom Rundfunk geprägt. Während Weltraumfahrt bis zum Neptun kein Problem ist, werden Fernsehübertragungen erst im 24ten Jahrhundert erfunden.
Winger Harris scheint auch recht fest von Leben auf dem Mars und der Venus auszugehen – gleich Ausgangspunkt mehrerer Kurzgeschichten.
Der Schreibstil ist dem Zeitalter gemäß, altbacken und distanziert. Die Personen sind unnahbar und schablonenhafte Charaktere.
Die Geschichten haben im Zentrum meistens eine Idee oder ein Gedankenspiel, die mal mehr, mal weniger spannend ausgeführt werden. Es sind teilweise recht abstrakte (oder abstruse?) Ideen, wie die Veränderung des Aggregatzustand des Universums.
Wo es heute noch Berührungspunkte gibt, wird es schnell spannend. Zuvorderst „The Ape Cycle”, das auch als Inspiration für “Planet of the Apes” dienen könnte und genauso wie “Planet of the Apes” auch als Allegorie auf die vergangene Sklavenhaltung verstanden werden könnte – von Winger Harris aber so straight geschrieben, dass ich mir nicht sicher bin, ob ihr diese Doppeldeutigkeit auch bewusst war. “The Ape Cycle” verstärkte daher den Eindruck, dass man bei den Kurzstories gar nicht erst nach weiteren Deutungsebenen zu suchen braucht – es gibt schlichtweg keine.
In “The Miracle of the Lily” münden die Themen Ökologie und intensive Landwirtschaft für die Fleischproduktion in einen großen Krieg zwischen der Menschheit und den Insekten.
Doch selbst bei noch heute modernen Themen, wirkt die Ausführung der Stories 85 Jahre später, sehr altmodisch und überraschungsfrei. Was am Ende übrig bleibt, ist mit den Augen der Science-Fiction Ende der 20er Jahre auf die heutige Zeit zu schauen und zu merken wie weit wir gekommen – oder nicht gekommen sind.
Ich gehe erst einmal Wasserflaschen kaufen, um für den großen H2O-Diebstahls des ausgetrockneten Mars‘ gerüstet zu sein.
Science Fiction-Kurzgeschichtensammlung von Gary Whitta, Christie Yant und Hugh Howey.
„Resist“ ist eine Sammlung von fast 30 Science Fiction-Kurzgeschichten von ebenso vielen Autoren mit dem Schwerpunkt dystopischer Zukunft. Die Einnahmen aus dem Verkauf gehen an einen gemeinnützigen, linksliberalen Verein in den USA, der ACLU.
„Dystopische Zukunft“ ist das einzige, was diese Geschichten eint, die von völlig unterschiedlicher Qualität und „Schreibe“ sind. Es gibt im Gegensatz zu einer Kurzgeschichtensammlung eines einzigen Autors, keinen impliziten roten Faden, die eine zusätzliche Bedeutungsebene einzieht. Das Lesen durch so eine Sammlung gleicht dem Prinzip Fire and Forget. Auf einer Geschichte folgt die nächste, die mit der vorigen so ziemlich nichts zu tun hat – die Autoren/Autorinnen dieser Sammlung sind sehr heterogen zusammengestellt.
Es gibt Themenschwerpunkte, aber die Reihenfolge der Stories im Buch wirkt zufällig und streut Geschichten um Diktaturen, AI, Social Media/Social Networks, und Gender, wild durcheinander.
Nur oder immerhin knapp ein halbes Dutzend von Stories ist über die Halbwertszeit der 300 Seiten hinaus, haften geblieben. Zahlreiche Geschichten treten in die Kurzgeschichtenfalle: auf neun Seiten Exposition folgt eine Seite Schlusspointe.
Genau dies war das Problem mit dem ersten monotonen Drittel der Sammlung. Die festzementierten Erzählstrukturen wurden das erste Mal vom Comic-Szenaristen Kieron Gillen durchbrochen. In „The Arc Bends“ gibt es keine Schlusspointe, sondern eine Startpointe, mit der Gillen dann in irrwitziger Geschwindigkeit durch die Zeit rauscht.
Einige Geschichten ragen heraus, weil sie den Leser in einen Perspektivwechsel hinein bringen. Charlie Jane Anders schildert in „Horatius and Clodia“ den Versuch eine AI über Emotionen zu hacken – aus Perspektive der AI. „Catcall“ von Delilah S. Dawson lässt in der Ich-Perspektive eines aufwachsenden Mädchens den Alltags-Sexismus und die Veränderung der Person spüren.
Eine andere Form des Perspektivwechsels geschieht durch Sprache. Jason Arnopp in „The Nothing Men“ entwirft eine Zukunft die nur noch aus Social Media, Influencern, YouTubern und virtuellen Wellten besteht – aus der Perspektive eines aufstrebenden Influencers, in einer kalten, aggressive, menschenverachtenden Sprache, die aber aus der gleichen DNA besteht, die sich bereits heute in viel besuchten Foren und Kommentarsträngen auf YouTube oder Facebook lesen lässt.
Die gute, klassische Kurzgeschichte entwickelt in der Exposition ein Szenario, um dann elegant aus der Hintertür zu verschwinden und den Leser mit der impliziten Aufforderung des Weiterspinnens, alleine zu lassen – so wie der SF-Bestsellerautor John Scalzi in „The Tale of the Wicked“: kann AI eine Religion entwickeln? Wann wird das Streben nach gemeinsamen Zielen einer Gruppe, zur Religion? Zwei Geschichten später zeigt Laura Hudson in „The Well“ auf, wie Religion als Werkzeug für Diktaturen eingesetzt werden können – und Diktaturen auch als Werkzeug von Religion dienen können.
Wie man zu dieser Anthologie als Ganzes steht, ist eine Frage, inwieweit man willens ist, sich durch 27 Kurzgeschichten zu lesen, um eine Handvoll von Nuggets herauszufischen. Gerade in der Retrospektive, wenn die Erinnerungen an das harzige erste Buchdrittel verflogen ist, überwiegen die Gedanken an diese Nuggets. Aber das funktioniert auch nur mit Hilfe von Notizen und einem späteren Rückblick, um diese Nuggets herauszufischen.