Nach knapp drei Monaten habe ich letztendlich auf den letzten 50 der ca. 1.700 Seiten der Trilogie aufgegeben. Meine Rezension zum ersten Band ist im Blog. Die Rezension des zweiten Bandes liegt auf irgendeinem Rechner als Draft herum. Und irgendwie habe ich keine Lust die Rezension zu Ende zu schreiben und dann den Aufriss für den dritten Band zu machen. Stattdessen spüle ich die komplette Trilogie in einem Rutsch weg. Und übrigens: Scheiß auf Spoiler. Wer keine Spoiler haben will, sollte sich an dieser Stelle vom Blogeintrag verabschieden.
Der Plot
Der erste Band „Die drei Sonnen“ beschäftigt sich mit dem ersten Kontakt der Erde mit einer außerirdischen Zivilisation, Trisolaris. Trisolaris hat die Radioübertragungen eines chinesischen Forschungsprojektes empfangen und damit die Koordinaten der Erde berechnet. Trisolaris hat eine Eroberungsflotte losgeschickt. Da diese mit einem Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit fliegt, wird sie erst in 400 Jahren eintreffen. Gleichzeitig hat Trisolaris auch sogenannte „Sophonen“ entwickelt, multidimensionale Computer und Kommunikationseinheiten mit künstlicher Intelligenz. Zusammengeklappt auf nur drei Dimensionen, besitzen Sophonen die Größe eines Protons, konnten auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden und sind seit einigen Jahren auf der Erde. Dort sabotierten sie die Grundlagenforschung z.B. von Teilchenbeschleuniger.
Der zweite Band „Der dunkle Wald“ fokussiert sich auf die 400 Jahre Zeit, bis die Angriffsflotte eintrifft. Das Buch mäandert durch unterschiedliche Verteidigungspläne, stets unter Beobachtung der Sophonen. Am Ende erweist sich nur ein Plan als substantiell: der von Luo Ji.
Fermi-Paradoxon und der Dunkle Wald
Wenn etwas Substantielles von dieser Trilogie übrig bleibt, dann sind es die Überlegungen rund um das „Fermi-Paradoxon“ und die daraus resultierende Idee des „Dunklen Walds“.
Das Fermi-Paradoxon geht davon aus, dass das Universum fucking groß und fucking alt ist. Es ist also fucking wahrscheinlich, dass sich auch woanders intelligentes Leben und Zivilisationen gebildet haben und es ist wahrscheinlich, dass diese bereits sehr viel länger existieren und damit sehr viel fortschrittlicher sind. Aber warum zum fuck, haben wir sie noch nicht bemerkt? Oder was ist mit diesen Zivilisationen passiert?
Liu Cixin trägt mit dem „Dunklen Wald“ einen Erklärungsversuch bei.
Darin wird „Friede“ als anormaler Zustand gesehen. Sei es, weil Zivilisationen sich aus Eigennutz expansiv verhalten (bzw. aufgrund ihres exponentiellen Wachstums expansiv verhalten müssen), sei es, weil das Misstrauen so groß ist, dass man lieber präemptiv zuschlägt. Damit wird aber eine Eskalationsspirale ausgelöst, an deren Ende man irgendwann selber Opfer einer fortschrittlicheren Zivilisation wird, die des eigenen Überlebens willen, präemptiv zuschlägt, die ihrerseits damit die Eskalation weiter dreht und auch wieder Opfer einer fortschrittlicheren Zivilisation wird, etc… pp…
Mit dem „Dunklen Wald“ wird ein anderer Pfad aufgezeigt: sich ruhig zu verhalten und keinen Mucks zu geben. Wie ein Tier in einem dunklen Wald, durch das Jäger wandern und nach Lebenszeichen suchen.
Eine Vorhut der trisolarischen Flotte trifft früher als erwartet ein und zerstört nahezu die komplette irdische Raumflotte. Nur wenige Raumschiffe können fliehen und brechen in andere Sonnensysteme auf, im Glauben, dass die Erde verloren sei.
Parallel entwickelt Luo Ji aus der oben erwähnten „Dunklen Wald“-Theorie eine Abschreckungsstrategie: er droht den Trisolariern mit einer Ausstrahlung der Trisolaris-Koordinaten ins All über Gravitationswellen, sollten sie die Erde angreifen. Trisolaris lenkt ein und bietet Friedensverhandlungen an.
Der dritte Band „Jenseits der Zeit“ schildert die Übergabe des Auslösers für die Gravitationswellen-Ausstrahlung der Koordinaten von Luo Ji zu der chinesischen Wissenschaftlerin Cheng Xin. Diese wird aus mehreren Kandidaten ausgewählt, u.a. weil sie höhere Sympathiewerte besitzt und als berechenbarer gilt. Dies macht sich Trisolaris zu Nutze: kurz nach der Übergabe des Auslösers zerstören sie die Gravitationswellen-Sendeeinrichtung, im Wissen, das Cheng Xin den Auslöser nicht drücken wird, da die Ausstrahlung der Koordinaten auch die Position der Erde an andere Zivilisationen ausstrahlen würde.
Eines der entflohenen irdischen Raumschiffe verfügte jedoch auch über eine Gravitationswellen-Sendeanlage. Als die Nachricht der trisolarischen Invasion eintrifft, werden die Koordinaten Trisolaris’ ausgestrahlt. Trisolaris zieht sich sofort aus dem Sonnensystem zurück, um das eigene System zu unterstützen. Einige Jahre später wird eine der Trisolaris-Sonnen von einem unbekannten Geschoss zerstört und der Planet Trisolaris verbrannt.
Die Erde versucht sich nun auf bevorstehende Angriffe anderer Zivilisationen vorzubereiten. Und wieder verfolgt man mehrere Pläne gleichzeitig. Die Pläne scheitern, weil der Angriff nicht, wie bei Trisolaris beobachtet, über die Zerstörung der Sonne passiert, sondern durch die Konvertierung des Sonnensystems aus dem drei- in den zweidimensionalen Raum (yep, I know).
Und wieder können ein paar Leute fliehen, u.a. Cheng Xin. Im Schlussspurt des dritten Bandes landet man in einem anderen Sonnensystem, nur um dort über außerirdische Artefakte festzustellen, dass sowieso alles für den Popo ist, weil das komplette Universum dem Tod geweiht ist. Die Zivilisationen im Universum sind längst im permanenten Kriegszustand, der die Naturgesetze (Reduzierung der Lichtgeschwindigkeit, der Masse, Raumzeit-Krümmung und der Dimensionen) derart auseinanderreißt, das selbst der Kreislauf des Universums durch „Big Crunch“ und Urknall ein Ende finden werden.
Ich muss sagen, wenn ich den Stoff der 1.500 Seiten derart herunterdampfe, klingt das sogar wie ein interessanter Roman. Die Trilogie ist es leider nicht. In der Goodreads-Rezension zum dritten Band, resümierte ich meinen Eindruck der Trilogie:
Es gibt keine Kohärenz. Es liest sich wie eine Ansammlung von Notizzetteln, von Gedankenexperimenten, die aneinander getackert wurden. Ich glaube, eine Sammlung von Kurzgeschichten wäre für diese drei Bände die angemessenere Erscheinungsweise gewesen.
Der Trilogie fehlt ein Amalgam. Der Plot/die Plots ist/sind es nicht. Die Charaktere, mangels Haptik, Dimensionalität und Entwicklung, auch nicht. Diese Probleme waren bereits im ersten Band zu erkennen und blieben über die gesamte Trilogie bestehen. Stell dir vor, du schreibst eine Trilogie, deren Zeitraum sich über mehrere Jahrhunderte (bzw je nach Zählweise: Jahrtausende & Jahrmillionen) erstreckt und es macht nichts mit den Charakteren. Und diese Blutleere zieht sich durch alles: den Charakteren, dem Ambiente und den Umgebungen. Alles wurde nur aus einer sehr großen Flughöhe betrachtet und blieb damit keimfrei und ohne Haptik.
Ich habe mich bei der Mars-Trilogie vom Kim Stanley Robinson über vieles geärgert. Aber Robinson gelang es beides miteinander zu verknüpfen: die großen Ideen mit den Details und Haptik. Robinsons Trilogie hat sich derart bei mir im Kopf eingebrannt, dass ich sie noch mal lesen möchte. Die Trisolaris-Trilogie liest sich dagegen, als wäre sie selber ein Opfer der Konvertierung aus einem drei- in einen eindimensionalen Raum(?) geworden.
Wenn die Essenz von Liu Cixins-Trilogie die Konzepte von Konflikt, Abschreckung und Fermi-Paradoxon sind, was hätte man da für ein Werk schaffen können … inklusive Diskussionsstoff mit Aktualität bzgl. der Konflikte auf der Erde.
von 5 Sternen