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Buch: John Scalzi „Old Man’s War“

John Scalzi gehört zu den bekannteren Science-Fiction-Autoren der Gegenwart. 2005 schrieb er mit „Old Man’s War“ seinen ersten traditionell veröffentlichten Roman. Aus OMW wurde ein Zyklus mit insgesamt sechs Romanen.

Der Roman spielt mehrere hundert Jahre in der Zukunft. Die Menschheit hat dank Sprung-Raumschiffe zahlreiche Planeten anderer Sonnensysteme kolonialisiert.

John Perry ist ein verwitweter 75jähriger Werbetexter, der zum Ausklang seines Lebens für zehn Jahre bei den Kolonial-Streitkräften (CDF) Berufssoldat wird. Und „Berufssoldat“ heißt in diesem Fall: aus dem genetischen Material von Perry wird eine jüngere Ausgabe von ihm geklont, inkl. genetischen „Optimierungen“, Nanorobotern, künstlichem Blut und einen Computer als Gehirnerweiterung. Anschließend wird das Bewusstsein des 75jährigen auf das Hirn des Klons übertragen.

Das Buch begleitet Perry durch seine Ausbildung und die ersten Kämpfe. Der Wendepunkt kommt mit einer Schlacht um den Planeten Coral, bei dem die CDF-Streitkräfte fast komplett zerstört werden, obwohl der Gegner, die Rraey, technologisch noch nicht die Mittel dazu haben sollten. Der schwerverletzte Perry wird von einer Frau der „Ghost Brigade“ gerettet, die äußerlich seiner verstorbenen Frau gleicht.

Die „Ghost Brigade“ ist eine Spezialeinheit der CDF, deren Soldaten nicht von DNA lebendiger Menschen gezüchtet wird, sondern von verstorbenen Menschen – logisch: exklusive Bewusstseinsübertragung. Der Klon hat keinerlei Erinnerung an seinen DNA-Spender. Diese Soldaten werden „as is“ geboren. Ohne Erinnerung, mit leerer Festplatte, aber dank des am Hirn angeschlossenen Computers, mit viel Wissen und sind binnen weniger Wochen Ausbildung in einem kampffähigen Zustand.

Perry versucht sich der Frau, Jane, anzunähern und zusammen versuchen sie die Gründe für die verlorene Schlacht zu finden: woher hatten die Rraey die Technologie? Der Kontakt mit John Perry verändert auch Jane und ihre Einstellung zu sich selbst – geboren ohne Vergangenheit.

Der Roman ist ein Page Turner und unterhaltsam geschrieben. E vermeidetr Plattitüden und Fettnäpfchen, so das ich mich nicht unter Niveau unterhalten fühlte.

Mit den Senioren, die sich für die Streitkräfte verpflichten und in einen geklonten, optimierten Körper transferiert werden und den aus Toten „gezüchteten“ Ghost Brigades, hat Scalzi sich zwei interessante Mechaniken ausgedacht, deren Implikationen er aber, etwas überraschend, nur anreißt. Es ist fast vergeudetet — dachte sich Scalzi auch, denn im zweiten Band „The Ghost Brigades“ geht er anscheinend tiefer darauf ein.

4 von 5 Sternen.

Comic: „Ducks – Two Years in the Oil Sands“

Hardcover-Einband

Es gibt in Nordamerika eine Schule von autobiographsichen Comics, sehr häufig mit sehr reduzierten Zeichnungen und Seiten-Layouts. Der „Hit“ der letzten Jahre war Kate Beatons „Ducks: Two Years in the Oil Sands“. In der Szene räumte es den Will Eisner-Preis für die beste Autobiographie ab und außerhalb der Comic-Blase räumte es Empfehlungen der New York Times und Barack Obamas ab.

In „Ducks“ schildert die Kanadierin, wie sie zwei Jahre lang im mittleren Westen Kanadas auf den Ölsandfeldern Albertas gearbeitet hat. Doch die letzten siebzehn Wörter greifen als Zusammenfassung der 430 Seiten viel zu kurz. Zu umfangreich sind die Facetten um auf alle einzugehen.

Das beginnt, wie der Comic, mit der Herkunft Beatons: Nova Scotia, die im Osten vorgelagerte Halbinsel Kanadas, die so anders als der Rest Kanadas tickt. Und Beaton stammt eigentlich nicht aus Nova Scotia, sondern den Kap Breton-Inseln, die noch einmal ein Stück im Nordosten weiter vorgelagert sind. In Kap Breton gibt es noch massive keltische und französische Einflüsse. Gleichzeitig gab es in den letzten Jahrzehnten Abwanderung und man kämpft um seine Identität.

Ein Teil des Problems, sind die fehlenden Arbeitsplätze. Die wenigen Arbeitsplätze, die es noch gibt, sind häufig nicht lukrativ. Viele Einwohner zieht es daher zur Arbeit in weit entfernte Landesteile Kanadas, um die Familie zuhause zu ernähren.

Auch Kate Beaton ist dieser Mechanik ausgesetzt, als sie vor der Frage steht, wie sie ihre massiven Studentenkredite wieder abbezahlen soll. Nichts in Kap Breton wirft genügend ab, um substantiell von ihrer Verschuldung herunter zu kommen. Und so geht sie den Weg vieler Kanadier: den Ölboom auf den Ölsand-Feldern Albertas nutzen, um für 1-2 Jahre dort viel Geld zu machen und ihre Schulden abzuzahlen.

Die simplen Zeichnungen sollten nicht über die Komplexität der Facetten von Beatons Schilderung hinweg täuschen. Das erste Mal für längere Zeit von Kap Breton weg. Heimweh. Die absurde Welt der Ölsandfeldern. Die toxische Maskulinität auf den Feldern. Die Umweltzerstörung. Der Raubbau an den Ländern der First Nations. Die Isolierung. Die Einsamkeit. Die Stupidität der Arbeit. Die sexuellen Übergriffe. Die zunehmende Leere und Depression. Die Monstrosität, die die Arbeit und Umgebung körperlich und geistig bei den Arbeitern und Angestellten hinterlässt.

All das, eingebettet in die tägliche Routine, zwei Jahre lang. Umgesetzt in Form eines sehr statischen Layouts und eines Erzähltempos mit wenig Höhepunkten, aber im stoischen Takt eines Tages, dem der nächste Tag folgt. Und der nächste Tag. Und der nächste Tag.

Erzählerisch liegt Beatons Meisterschaft darin, trotz dieser Statik, die langfristigen Änderungen darzustellen. Die Vergewaltigung ist dann kein dramatischer Höhepunkt mehr, sondern folgerichtige Conclusio aus den vorherigen Vorfällen und dem Umfeld.

Beatons Zeichnungen spiegeln den Erzählstil wider. Es sind sehr einfache Zeichnungen, auf das Essentielle heruntergedampft. Sie betonen mit ihrer Einfachheit den Tagebuchcharakter und die „Höhepunktlosigkeit“ des Buches. Der simple Strich sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass sie immer die „Essenz“ des Charakters oder des Gegenstands trifft. Im Laufe der zwei Jahre trifft sie viele unterschiedliche Menschen, die sie aber tatsächlich mit einem Minimum an Strichen unterscheidbar macht.

Die Essenz Beatons Zeichnungen liegt in dem „Fühlbar-Machen“ der Stimmung und Atmosphäre, abseits anatomisch korrekter Zeichnungen.

Ich glaube der Knackpunkt, ob einem „Ducks“ gefällt oder nicht, liegt in der Akzeptanz des Erzähltempos von Beaton. Ob man die repetitive, monotone Erzählung als Stilmittel, als Spiegelung des Beaton’schen Alltags in Alberta akzeptiert.

4 von 5 Sternen.

Buch: John Scalzi „Slow Time Between the Stars (The Far Reaches collection)“

Amazon hat unter seinem Label „Amazon Original Stories“ sechs Kurzgeschichten namhafter SF-Autoren/Autorinnen veröffentlicht. Das Thema für die sechs Kurzgeschichten ist „The Far Reaches“. Die Geschichten kosten €2,– oder sind kostenlos für Amazon Prime-Kunden „ausleihbar“ – siehe auch Ann Leckies „The Long Game“, Nnedi Okorafors „Just Out of Jupiter’s Reach“, Veronica Roths „Void“, Rebecca Roanhorses „Falling Bodies” oder James S.A. Coreys „How It Unfolds“.

John Scalzi nimmt etwas, was inzwischen öfters in der Science-Fiction verwendet wird: das Raumschiff als lebendiges Etwas (siehe auch Okorafors „Just Out of Jupiter’s Reach“) – in seinem Fall ein Raumschiff, welches mit AI mit einem Bewusstsein ausgestattet wurde.

Die Menschheit baut Ende des 21ten Jahrhunderts ein AI-getriebenes Raumschiff, das all das Wissen der Menschheit bündelt und sich eigenständig auf der Jahrtausende dauernden Suche nach einem bewohnbaren Planeten begeben soll, um dort eine neue Menschheit zu gründen.

Die Kurzgeschichte ist ein 28-seitiger Monolog der AI über die Reise – auch metaphorisch, denn es ist auch ein Monolog über die Bewusstseins-Werdung der AI und rührt an fundamentalen Fragen, wie zum Beispiel Zeit (der Monolog umfasst zigtausende von Jahre) und der Sinn des Daseins.

Es passiert nichts dramatisches. Es gibt keinen „HAL 9000“-Moment. Es ist nur ein unaufgeregter Monolog. Über das Nichts-Tun. Über Reifeprozesse. Und über Bestimmung.

5 von 5 Sternen.

Buch: Rebecca Roanhorse „Falling Bodies (The Far Reaches collection)“

Amazon hat unter seinem Label „Amazon Original Stories“ sechs Kurzgeschichten namhafter SF-Autoren/Autorinnen veröffentlicht. Das Thema für die sechs Kurzgeschichten ist „The Far Reaches“. Die Geschichten kosten €2,– oder sind kostenlos für Amazon Prime-Kunden „ausleihbar“ – siehe auch Ann Leckies „The Long Game“, Nnedi Okorafors „Just Out of Jupiter’s Reach“, Veronica Roths „Void“ oder James S.A. Coreys „How It Unfolds“.

Damit hatte ich nicht gerechnet: etwas was wie ein „Young Adult“-Roman anfängt und am Ende einen derartigen Punch hat.

Ira landet mit einem Passagierraumschiff auf die Raumstation „Long Reach“ und soll ein Studium beginnen. Was seine Kommilitonen nicht wissen: Ira ist nicht sein richtiger Name. Sein Aussehen wurde ebenso verändert, wie er eine neue Identität bekommen hat. Denn er ist auf Bewährung „draußen“. Eigentlich müsste er im Gefängnis sitzen, für eine Tat, die er als menschlicher Adoptivsohn eines Senators der Genteels verübt hat und Bekanntheit weit über die von den Genteels besetzte Erde oder den Heimatplanet der Genteels erlangt hat.

Es beginnt als Geschichte eines Studenten der an einen neuen Ort ankommt und versucht sich einzuleben. Da Ira kann sich emotional nicht von seiner Situation lösen und sieht am Ende nur einen Ausweg.

Obwohl sich das Ende einige Seiten zuvor abzeichnet, hinterlassen die zunehmenden Emotionen des zuvor blässlichen Iras einen Eindruck.

5 von 5 Sternen.

Buch: Veronica Roth „Void (The Far Reaches collection)“

Amazon hat unter seinem Label „Amazon Original Stories“ sechs Kurzgeschichten namhafter SF-Autoren/Autorinnen veröffentlicht. Das Thema für die sechs Kurzgeschichten ist „The Far Reaches“. Die Geschichten kosten €2,– oder sind kostenlos für Amazon Prime-Kunden „ausleihbar“ – siehe auch Ann Leckies „The Long Game“, Nnedi Okorafors „Just Out of Jupiter’s Reach“ oder James S.A. Coreys „How It Unfolds“.

Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: für mich ist es mit Abstand der bislang schwächste Band der „The Far Reaches“-Sammlung und folge ich den Bewertungen bei Goodreads, stehe ich mit dieser Meinung recht alleine da.

Die Kurzgeschichte spielt auf dem Passagier-Raumschiff „Redundancy“, welches mit Überlichtgeschwindigkeit zwischen den Sternensystemen der Sonne und Centauris pendelt. Dadurch kann das Raumschiff nicht mit der Außenwelt kommunizieren und vergeht die Zeit langsamer als in der Außenwelt (Relativitätstheorie und so…). Ist dies das von Roth anvisierte Hauptthema? Die Beziehungen der Passagiere und Crew zu ihrer schneller alternden Umwelt auf solchen Raumflügen?

Ich weiß nicht, ob es an meine Müdigkeit und dem dadurch absurd langsamen Lesetempo lag, aber bei mir ist vor allem ein „Whodunit“ angekommen: auf der Reise wird ein reicher Passagier umgebracht und die Protagonistin, ein Crew-Mitglied, versucht herauszufinden, was dahinter steckt.

Die Aspekte der Isolation und der Verschiebung der Zeitrelation kamen mir zu kurz vor. Die Geschichte war mir dadurch zu flach.

2 von 5 Sternen.

Buch: Nnedi Okorafor „Just Out of Jupiter’s Reach (The Far Reaches collection)“

Amazon hat unter seinem Label „Amazon Original Stories“ sechs Kurzgeschichten namhafter SF-Autoren/Autorinnen veröffentlicht. Das Thema für die sechs Kurzgeschichten ist „The Far Reaches“. Die Geschichten kosten €2,– oder sind kostenlos für Amazon Prime-Kunden „ausleihbar“ – siehe auch Ann Leckies „The Long Game“ oder James S.A. Coreys „How It Unfolds“.

Die US-Autorin Nnedi Okorafor ist eine der prominenteste Vertreterin des Africanfuturism und auch durch ihre Arbeiten für die Comicfigur „Black Panther“ bekannt geworden.

Die Prämisse in „Just Out of Jupiter’s Reach“ bilden sieben Menschen, die auf der ersten Reise der Menschheit in Richtung Jupiter unterwegs sind. Die Reise dauert zehn Jahre und jede Person fliegt für sich alleine und ohne Kontakt zur Außenwelt. Die sieben Raumschiffe bestehen aus lebendigen Material und jeder Mensch ist anhand seiner genetischen Kompatibilität zu dem Raumschiff ausgesucht worden. Wer die Mission ohne Abbruch durchführt und zurückkehrt, bekommt auf der Erde viel Geld.

Ohne Kontakt zur Außenwelt“ gilt mit einer Einschränkung: nach fünf Jahren, kurz vor Eintreffen in der Nähe des Jupiters, dürfen sich die sieben Menschen für eine Woche treffen und zusammen kommen. Die Kurzgeschichte schildert diese Woche des Zusammentreffens.

Es ist eine zärtliche Schilderung der Interaktion dieser unterschiedlichen Menschen und was für eine Entscheidung jedes Individuum nach diesem Treffen für der Fortsetzung der Mission trifft.

Die Geschichte agiert ohne wirkliches Fundament, da die Kürze der Story die Figuren teilweise sehr blaß hinterlässt. Aber irgendwie passt dies dann doch ganz gut zum Hintergrund, der fünfjährigen Isolation und einem kurzen Treffen von einer Woche. Ein Treffen wie ein kurzes Vorbeiwischen. Und so prägt sich eigentlich keine der Protagonisten wirklich ein. Die Story hinterlässt nur ein Gefühl – eine Emotion irgendwo zwischen wohlig und melancholisch. Wie eine schöne Sommernacht mit einem Menschen, von der man weiß, dass sie in ihrer Einmaligkeit nicht wiederkehren wird und nur als Erinnerung fortleben wird.

4 von 5 Sternen.

Buch: James S.A. Corey „How It Unfolds (The Far Reaches collection)“

Amazon hat unter seinem Label „Amazon Original Stories“ sechs Kurzgeschichten namhafter SF-Autoren/Autorinnen veröffentlicht. Das Thema für die sechs Kurzgeschichten ist „The Far Reaches“. Die Geschichten kosten €2,– oder sind kostenlos für Amazon Prime-Kunden „ausleihbar“ – siehe auch Ann Leckies „The Long Game“.

Hinter dem Pseudonym „James S.A. Corey“ verbirgt sich das Autorenduo von „The Expanse“. „How It Unfolds“ ist eine interessante Variation des „Multiverse“-Themas: Menschen und Gegenstände können per „Slow Light“-Lichtstrahl geklont und auf Planeten von weit entfernten Sonnensysteme geschickt werden. Diese Technologie wird genutzt um mit einer ausgewählten Gruppe von zweihundert Menschen (Wissenschaftler, Techniker et al.) diverse Planeten in diversen Sonnensystemen zu kolonialisieren.

Die Menschen sind zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt und haben ihre Vergangenheit. Mit dieser Vergangenheit werden sie mittels des Lichtstrahls abgetastet, dupliziert und auf neue Planeten geschickt.

Die Kurzgeschichte hat den dreiunddreißigjährigen Roy im Zentrum, dessen Ehe zu Anjula zuvor in die Brüche gegangen ist. „Slow Light“ gibt Roy mehrere tausend Chancen, die Beziehung wieder zu kitten. Deswegen steckt sich Roy vor dem Scan-Prozess ein kleines Kästchen mit dem alten Ehering ein.

Die Story wandert zeitlich und räumlich zwischen verschiedenen Ebenen und verstärkt den Eindruck, in einem Kaleidoscope zu blicken, mit einer vielfach aufgebrochenen Ansicht auf Fragmente – die aber, im Gegensatz zu Kaleidoscopen, nicht einfache Spiegelungen sind, sondern immer weiter auseinander driftende Biografien sind.

Das Konstrukt ist faszinierend. Aber ich denke, ich muss die Geschichte noch ein zweites Mal lesen, um, im Wissen des Gesamtkontextes, die Nuancen besser wahrzunehmen.

4 von 5 Sternen.

Buch: Ann Leckie „The Long Game (The Far Reaches collection)“

“The Long Game (The Far Reaches collection)” von Ann Leckie. Amazon, 31 Seiten (kostenlos ausleihbar via Amazon Prime)

Amazon hat dieser Tage sechs Kurzgeschichten von namhaften SF-Autoren als “Far Reaches Collection” veröffentlicht. Die sechs eBooks können für €1,99 gekaut werden oder sind kostenlos via Prime Reading ausleihbar.

In Leckies “The Long Game” haben Menschen einen Planeten zum Rohstoffabbau kolonialisiert, entdecken aber dummerweise intelligentes Leben in Form von knapp ein Meter großen Schleim/Schnecken-Wesen. Dummerweise, weil dies die Rohstoffkonzerne dazu verplichtet, sich um diese Lebewesen zu kümmern.

Die Story wird aus der Perspektive eines dieser Wesen erzählt. Diese haben mit i.d.R. zwei Jahren, eine eher kurze Lebensdauer und einen sehr überschaubaren IQ. Aber Leckie erzählt, wie dieses Wesen allmählich den etwas größeren kontext begreift: das es den Weltraum gibt, dass es auch Leben gibt, das älter als zwei Jahre wird. Leckie zeigt eine Art Bewusstseinswerdung oder Reifeprozess.

Das ist im Grunde genommen auch der Clou der 31 Seiten.

Auf der einen Seite ist dieses Erzählen aus der Bodenperspektive eines geistig limitierten Wesens und seines geistigen Wachstums interessant. Auf der anderen Seite fand ich die Schreibe in der Handhabe der “Andersartigkeit” (remember: Außerirdische, Schleim-/Schneckenwesen) nur mäßig überzeugend. Es klang … zu menschlich.
Das Problem hatte ich schon bei Becky Chambers und der Beziehung zwischen Rosemary und der Reptilienfrau Sissix, bei dem menschliche Muster einfach auf ein außerirdisches Ding draufgestülpt wurden.

Die Story ist irgendwie okay. Die Schlußpointe IMHO etwas leichtgewichtig. Aber jut… für 31 Seiten und für lau…

3 von 5 Sternen.

Buch: William Gibson „Cyberspace – Erzählungen“

In dem Band sind 10 Kurzgeschichten von William Gibson zwischen Ende der 70er und Mitte der 80er Jahre veröffentlicht worden, u.a. auch das verfilmte „Johnny Mnemonic“.

Was Gibsons Kurzgeschichten auszeichnet, ist die niedrige Amplitude seiner Stories. Atypisch für Science-Fiction, sind die Geschichten heruntergebrochen auf zwischenmenschliche Beziehungen, deren Grundgerüst auch aus der „Jetzt-Zeit“ (na ja, die Achtziger Jahre sind nun auch schon fast ein halbes Jahrhundert weit weg) kommen könnten und aus einer melancholischen Ich-Perspektive erzählt werden, irgendwo zwischen Film Noir und Hardboiled.

Faktisch weiß ich noch nicht einmal, ob Gibson die Stories wirklich aus einer Ich-Perspektive geschrieben hat, aber zumindest hat es sich in meiner Erinnerung eingebrannt, dass die Geschichten immer aus der Perspektive von ein, zwei Protagonisten betrachtet wird.

Nicht alle, aber etliche Stories besitzen jene Versatzstücke, die später in Neuromancer wieder zu finden sind: Cyberspace, Konzerne, Daten und Informationen als wertvolles Gut, Menschen, die mit dem Cyberspace verbunden sind und/oder auf andere Arten elektronisch oder biomechanisch aufgerüstet sind.

Gibson will aber damit kein Feuerwerk abbrennen. Dies ist für ihn alles nur eine natürliche Fortschreibung des Menschen und im Kern bleibt er bei den Menschen und ihren Sehnsüchten.

Ich habe das als angenehm empfunden. Es ist aber auch mit dem Nachteil verbunden, dass ich mich kaum noch an Details der Geschichten erinnere, sondern nur an diffuse Emotionen – meistens verschiedene Arten von Melancholie.

New Rose Hotel“, die Geschichte, die mich am stärksten beeindruckt hat, handelt von Industriespoinage – in der Zukunft werden nicht Informationen geklaut. Stattdessen werben Konzerne Wissenschaftler von konkurrierenden Konzernen durch Agenten ab. Wie in klassischen Agentenfilmen, entpuppt sich einer der Agenten als Doppelagent eines anderen Konzerns…

Dieser Plot wirkt aber fast wie eine Hintergrundmusik. Im Vordergrund geht es im einen der Agenten, seinen Emotionen zur Doppelagentin und der Umstand, dass er vermutlich in absehbarer Zeit umgebracht wird (BTW: es gibt eine Film-Adaption von Abel Ferrara, 1998 → YouTube)

„Sich nur an diffuse Emotionen erinnern“, statt an Plotdetails, schrieb ich gerade. Das mag auch an der Schreibe von Gibson liegen. Tatsächlich lässt Gibson bei mir keine Bilder im Kopf entstehen. Seine Sprache bleibt für mich kaum greifbar: „das Hybridomlabor in Okajama“, „das Installieren retrograder Biochips“, „Der hat sich einen bösen Zellmembranschwund weggeholt”, „Ich habe mich über ein dreifach abgesichertes Mietsystem in Mombasa und einen algerischen Fernmeldesatelliten an sie rangehängt“.

Das sind Phrasen, die machen etwas im Kopf, aber sie lassen bei mir keine Bilder entstehen. Gibson hinterlässt mich frustriert zurück und ich frage mich, was mein Problem ist.

3 von 5 Sternen.

Brian K. Vaughan, Fiona Staples – „Saga“, Volume 1 + 2

Neben Gibson lese ich auch die Trade Paperbacks der Comic-Serie „Saga“. Die ersten zwei Bände habe ich durch. Derzeit: gemischte Gefühle, aber im positiven Bereich.

Ich verorte meine Probleme eher mit der falschen Erwartungshaltung, dass ich hier eine ausgefeilte, epische Geschichte bekäme. Tatsächlich würde ich den Rhythmus der Story eher mit Mangas vergleichen: zehn Hefte, 320 Seiten durch. Gefühlt war immer was los, aber wenn du den Plot zusammenfassen sollst, kommst du mit zwei oder drei Sätzen aus.

Zum Beispiel: „Eine Romeo & Julia-Geschichte mit zwei Protagonisten unterschiedlicher Völker, die derzeit im Krieg stehen, retrospektiv geschildert aus der Perspektive der Tochter der beiden“.

Die Story irrlichtert ganz famos zwischen Science-Fiction und Fantasy, und das Bestiarium, welches sich Vaughan und Staples ausgedacht haben, erinnert mich an Drogenrausch franko-belgischer Comic-Zeichner in den 70er Jahren. Das hebt die Serie weit über 08/15 hinaus.

Fiona Staples zeichnet superbe Protagonisten, am Strich dezent an Kyle Baker erinnernd. Die Figuren leben. Exzellente Mimik und Gestik. Wie die Figur von Izabel innerhalb weniger Panels anfängt in der Imagination des Lesers zu sprechen und sich zu bewegen, ist vor allem Staples zu verdanken. Du glaubst mehr über die Figur zu wissen, als eigentlich geschrieben wurde.

Im Gegenzug bin ich fast schon persönlich beleidigt vom Umgang Staples mit der Kulisse, den Bildhintergründen. Es erinnert mich an Trickfilme. Die gemalten Hintergründe haben wenig mit den gezeichneten Figuren zu tun.

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