Central ist eine Art „Browser“ der Flash-Module einladen kann. Die Flash-Module können in- oder extern miteinander kommunizieren. „Central“ ist darüberhinaus eine Dienstleistung von Macromedia, welche Flash-Module, gegen Provision, veröffentlicht und via der „Central“-Applikation verbreitet.
Mein Wissen über Central durchlief drei „Phasen“.
Phase 1 Mitte April: „
Das erinnert an Pointcast, wozu braucht man das?“,
Phase 2, Ende September: Erste Beispielanwendungen werden veröffentlicht. Ich verstehe es immer noch nicht.
Phase 3, Mitte November: Das macht Sinn: Central soll Macromedia irgendwann die Möglichkeit geben mittels Flash auf den Rechner direkt zuzugreifen (Abspeichern von Dateien), was aber die derzeitige Public Beta noch nicht beherrscht. Und die Diskussionen der MM-Entwickler lassen ahnen, dass man noch mindestens 6 Monate davon entfernt ist.
Jetzt, zwei Monate später komme ich zum Schluß dass „Central“, wenn Macromedia nicht schnell das Steuer umreißt, eine Totgeburt ist. Central ist die Lösung eines Problems das selbst Macromedia nicht kennt.
- Macromedia hat keine gefestigte Vision von Central
- Macromedia hat kein sinnvolles Business-Modell für Entwickler
- Macromedia hat keine sinnvollen Central-Module
- Macromedia hat keine Timeline
Um auf die Punkte einzugehen:
1/ Keine Vision. Aus sämtlichen Informationen, sei es auf der Macromedia Website, den Macromedia-Blogs oder Forenbeiträgen kann man die Fortschrittlichkeit der Technologie raushören, gerne buzzword-kompatibel ausgeschmückt. Nirgends hört man aber welches Problem oder welches Defizit angegangen wird, welches sich nicht mit bereits vorhandenen Technologien lösen lässt.
Man lese sich insbesondere die Kommentare in den Blogs und den Foren durch. Es ist erschreckend zu sehen, wie Macromedia seit dem Herbst rumeiert. Beispiel Lizenzkosten. Aussage Macromedia: „wir arbeiten noch dran“. Beispiel Lizenzbedingungen für die Publizierung im Central-„AppFinder“: „wir arbeiten noch dran“. Beispiel Feature-Umfang: „wir arbeiten noch dran“. Beispiel Erscheinungstermin: „wir arbeiten noch dran“ Beispiel europäische Entwickler „wir arbeiten noch dran“
Im Grunde genommen ist alles bei „Central“ noch im Fluss. Nur, welche Sorte von Entwicklern soll sich das leisten können, in ein Projekt Zeit zu investieren, dessen Rahmenbedingungen er nicht kennt? Rahmenbedingungen, die, das zeigt das permanente Überarbeiten der Lizenzbedingungen, offensichtlich noch nicht einmal Macromedia kennt? Dies werden sich mit Sicherheit keine Entwickler für Business-Anwendungen sein.
2/ Kein Business-Modell. Als ich die derzeit gültigen Lizenzbedingungen durchgelesen habe, bin ich vom Stuhl gefallen. Ich muss etwas weiter ausholen:
Eines der Kernstücke der „Central“-Applikation wird der „Application Finder“ sein. Simpel formuliert: damit guckt „Central“ auf den Macromedia-Servern nach, was für Central-Module erhältlich sind. Hier ein Sportticker, dort ein Wetter-Applet etc... Das bedeutet dass alle Central-Module von Macromedia zentral verwaltet werden.
Dieses macht aber Macromedia nicht für lau, sondern gegen Lizenzgebühren. Es gibt drei
Lizenzmodelle:
Try/Buy. Der User kann das Modul eine Zeit lang ausprobieren und muss sich irgendwann entscheiden ob er es kaufen will. Der Mindestpreis beträgt 5US$, an Macromedia fliesst eine Provision von 20% (also minimum 1US$). Der Haken: die Abwicklung der finanziellen Transaktion geschieht über Yahoo. Daher der hohe Mindestpreis und daher steht diese Lizenz nur in den USA zur Verfügung!
Capacity License. Diese Lizenz gilt für einen User ein Jahr lang, der damit unbegrenzt viele Central-Module installieren kann. Kosten: 20US$ pro Jahr, pro User. Aber da diese „Capacity License“ nur in Packs zu 20 und 100 Usern verkauft wird, richtet sich dieses Angebot nur an Firmenkunden.
Noncommercial. Diese Lizenz gilt nur für nichtkommerzielle Anwendungen „
[...] deployed in a business environment or is used to generate revenues [...] Educational, non-profit, and government applications also require the use of a commercial license. Use of the Software in connection with any business activity is commercial use.“ (
FAQ) und gilt aktuell auch nur für
bis zu 10.000 User.
„Noncommercial“-Module werden auch nicht im „Application Finder“ gelistet, sondern in einem nicht-vorinstallierten, externen Modul namens „Freeware Finder“, oder alternativ über ein spezielles Logo auf der eigenen Website.
Die Lizenzpolitik wie sie sich derzeit darstellt, sieht so aus: Außerhalb der USA gibt es kein funktionierendes Lizenzmodell abseits von Intranet-Anwendungen. Für etwas anderes macht die „Capacity License“ keinen Sinn.
In den USA stellt sich für den Nicht-Intranet-Entwickler die Frage: ist mein Central-Modul soviel wert, dass der End-User willens ist mindestens 5US$ zu bezahlen? Da muss dann mehr kommen, als ein „Wetter-Applet“
Es gibt von Macromedia bislang, vier Monaten nach Veröffentlichung der ersten Beta, kein Statement was mit „Noncommercial“-Modulen passiert, wenn die Zahl der User 10.000 übersteigt. Erzähl mir keiner, dass Macromedia mit „Central“ eine stringente Vision verfolgen...
Von Implementationen von Central im „Educational-“, „Non-Profit“ und „Gouvermental“-Bereich kommerzielle Lizenzen zu verlangen, ist dann der allerletzte Lizenz-Genickschuß den sich Macromedia geben kann.
3/ Keine sinnvolle Anwendungen. Natürlich kann man Wetter-Applets und Börsenticker machen. Die oben erwähnten Lizenzkosten setzen aber Rahmenbedingungen die solche „Simpel-Module“ schlichtweg als nicht praktikabel erscheinen lassen. Im „Central“-Bereich von Macromedia sind
einige Anwendungsbeispiele für Central-Module zu sehen. Wenn man all die gezeigten Anwendungen abklappert und sich fragt: würde ein Anwender dafür 5US$ zahlen wollen, bleibt nicht mehr viel übrig. Oder hat inzwischen in Sachen „Paid Content“ eine Revolution stattgefunden von der ich nichts mitbekommen habe und die eine Soccer-Mum überzeugt sich ein „Recipe-Finder“ zu kaufen?
Und das ist wieder einer der Knackpunkte an denen man Macromedia mangelnde Vision vorwerfen muss: die inzwischen vorgestellten Lizenzbedingungen sprechen eine andere Zielgruppe an, als die einst im Oktober im WhitePaper portratierte „Lisa“. Wie kann das sein, dass man binnen vier Monaten seine Zielgruppe mal eben von „Consumer“ zu „Business“ umkrempelt? Und wer sagt, dass in vier Monaten nicht schon wieder alles ganz anders aussieht?
Macromedia haut im
DevNet-Bereich für Entwickler einen Artikel nach dem anderen raus. Hier eine „Central“-Komponente, dort ein „Central“-Framework. Warum veröffentlicht dann Macromedia nicht damit produzierte „Central“-Module?
Die Bilanz nach vier Monaten: Macromedia listet drei
Showcases und der „Freeware Finder“ sage und schreibe sechs Anwendungen. Intel soll einen „HotSpot Finder“ haben und AOL eine Integration von IM-Diensten erlauben. Nur dass das alles nicht im „Freeware Finder“ oder „Application Finder“ zu finden war. Mag sein, dass es irgendwo auf deren Website kreucht und fleucht. Aber was verstehe ich bitte am Wort „zentral“ nicht?
So wie sich Central momentan darstellt, ist es strategisch uninteressant für Business-Anwendung und finanziell uninteressant für freie Entwickler.
4/ Macromedia hat keine Timeline. Keiner weiß wann das Produkt genau rauskommt. Keiner kennt den genauen Feature-Umfang. Die Entwickler setzen wohl gerade den Zugriff auf lokale Dateien um. An den Lizenzbedingungen wird ebenso wie an der Lokalisierung noch gearbeitet. Sprich: das „Central“-Projekt lässt sich schwerer an die Wand nageln als Pudding.
Neun Monate nach dem ersten öffentlichen Auftauchen von Central in den Planungen von Macromedia, ist es genauso schlimm geworden, wie das diffuse und mit Geek-Slang versehene Geschwafel hat befürchten lassen. Man hat was geiles, weiß nur nicht wozu. All die Hilflosigkeit spiegelt sich in den entsprechenden Kommentaren zu Einträgen von
Microsofts Jesse Ezell und
Macromedias John Dowdell wieder.
Comments anyone?
Nachtrag: Zwei Dinge die man noch schreiben muss. Wie ich
im November geschrieben habe, ist „Central“ von zentraler strategischer Bedeutung für Macromedia. Nur über Central bekommt Macromedia Zugriff auf die lokalen Daten des Rechners (Dateien etc...) und diesen lokalen Zugriff braucht Macromedia, um Flash als Servertechnologie („FLEX“) in Konkurrenz zu Microsofts Projekten wie XAMl und „Avalon“ bestehen zu lassen. Wenn das nicht klappt, wird Macromedia Zeit seines Lebens nur der kleine Software-Verhökerer bleiben und Flash zu nichts anderen nützlich sein, als irgendwelchen Krempel im Browser abspielen zu lassen.
Für Macromedia ist eine weite Verbreitung von „Central“ wichtig.
Warum aber Entwickler auf den „Central“-Zug aufspringen sollen, ist derzeit nicht ersichtlich. Neben den fehlenden „Central“-Modulen gibt es noch ein anderes Anzeichen für nicht vorhandene Entwickler-Begeisterung: es ist nichts los auf den Websites und in den Foren. Man suche auf
Flashforum.de nach „Central“. Seit Monaten keine Diskussion unter Entwicklern. In den Macromedia-Supportforen tropt alle drei Tage mal eine Frage rein. Andere Websites wirken wie ausgestorben, Blogs seit Wochen ohne Einträge oder Blogs mit null Kommentaren. Es fehlen nur noch die Dornenbüsche die im Wind die Hauptstraße entlangrollen um den verwaisten Eindruck zu komplettieren.