The Antidote“ ist die Reise des Journalisten Oliver Burkemans auf der Suche nach „Happiness“ – Glück. Der Untertitel sagt wohin die Reise geht: „Happiness for People Who Can’t Stand Positive Thinking“.

Buchcover

Burkemans Startpunkt ist der Widerspruch zwischen dem Wachstum der „Self-Help“-Industrie und den Bücher und Seminaren auf der Suche nach dem Glücklich-Sein – und den offensichtlichen Schwierigkeiten den Status des Glücklich-Seins zu erreichen und stattdessen zum nächsten Schwung an „Self-Help“-Bücher zu greifen.

Und um es eine Stufe weiter zu drehen: … dabei zu „Self-Help“-kritischen Self-Help-Bücher wie die von Oliver Burkeman zu greifen.

Für Burkeman ist „Wie ist ‘Happiness’ zu erreichen?“ die falsche Fragestellung, da die Suche nach „Glücklich-Sein“ und das Scheitern jener Suche, zu Frust und negativer Stimmung führt. Die Kluft zwischen „Glücklich-Sein“ und der Flut an alltäglichen, negativen Erfahrungen wie Unsicherheit, Ungewissheit, das Scheitern und die Traurigkeit, sorgen für noch mehr „Unglücklich-Sein“ in Form von Unsicherheit, Ungewissheit etc… Burkeman sieht hierin den Kern seines Buches: diesen Kreislauf zu durchbrechen, in dem man sich auf Negatives einlässt statt davor wegzurennen.

So führt Burkemans Reise auf der Suche nach mehr Resilienz gegen Negativem zu Stoiker, Buddhisten, Meditation, Bergsteiger, Produktdesignern und mexikanischen Todeskult.

Das Buch ist keine aus einem Guss geschriebene Dokumentation oder Diskurs. Die acht Kapitel leiten mit An- und Abmoderationen ineinander über, fallen aber eher heterogen aus. Während die ersten Kapitel noch halbwegs eng am philosophischen/psychologischen/therapeutischen Diskurs dran bleiben, wirken die Kapitel sechs, sieben und acht wie angeflanscht und klingen mehr nach Reiseberichte nach Kenia, Michigan und Mexiko.

Aber am Ende des Buches sind mir trotzdem zahlreiche Notizen und angestrichene Passagen geblieben. Weil Burkeman von der journalistischen Seite kommt, findet er eine andere, authentischere Sprache als man es sonst von der Self-Help-Ecke kennt. Dafür wären keine 250 Seiten notwendig gewesen. So muss jede|r für sich entscheiden, ob es so etwas braucht. Wenn am Ende des Tages irgendwas kleben bleibt, hat es ja seinen Zweck erreicht – egal ob auf 50 oder 250 Seiten.


Im Epilog stellt sich Burkeman der Frage, ob er denn inzwischen „glücklicher“ sei, mit all den Philosophien, Techniken und Erkenntnissen, die er für das Buch zusammengetragen hat. Burkeman kann diese Frage nicht mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten und spricht vom „guten Reisenden, der keine festen Reisepläne hat und nicht vor hat, seine Reise zu beenden“.

Mit seinem Epilog spiegelt Burkeman auch meine Erfahrung mit diesen Themen und diesem Buch wieder. Egal ob Meditation, Achtsamkeit, MBSR oder ähnliches. Mit der Zeit lernst du, dass es für dich keinen fertigen Masterplan gibt, um deinen inneren Frieden zu finden. Es sind neue Werkzeuge, neue Techniken, die du kennen lernst. Einiges wird für dich passen. Anderes nicht. Einiges wird den Reiz des Neuen haben, aber nach einigen Wochen wieder in Vergessenheit geraten.

Am meisten Eindruck hinterließ bei mir das Kapitel rund um Eckhard Tolle und damit verbunden, der Diskurs um „Ich“, „das Ego“ und die Gedanken. Dies ist keine grundsätzlich neue Idee. Jeder der sich mit Meditation/Achtsamkeit beschäftigt, kennt diese Trennung zwischen dem „Beobachter“, der versucht auf die Atmung zu achten, und diesem anderen Ding, dass immer wieder Gedanken einwirft, die beiseite geschoben werden. Tolle spricht diese Trennung deutlich an.

„You are not your mind.“

Es braucht manchmal so kurze, banale Sätze. Nicht weil sie alles erklären, sondern als eine Art Mantra oder Mnemonic, der dir den kompletten Diskurs wieder ins Gedächtnis ruft.

Ein anderer Satz ist „Hast du jetzt ein Problem?“. Auch dieser Satz steht im Kontext des Kapitels rund um Eckhart Tolle. Er ist für mich eine Art gedankliches Stopp-Schild. Wenn die Gedanken wieder anfangen zu eskalieren und rum zu spinnen, ist es das Stopp-Schild, dass dich wieder zum Hier und Jetzt zurück bringt.


Zu Burkemans „The Antidote“ kann man vermutlich keine objektive Rezension geben. Zu stark wird die eigene Rezeption von der eigenen Position abhängen. Für Menschen, die sich noch nicht mit Meditation oder Depression beschäftigt haben, wird dies vermutlich nur ein weiterer Self-Help-Titel sein. Für andere Menschen, die bereits ihren zehnten _Retreat_ hinter sich gebracht haben, wird Burkemans Buch eher banal sein.

Ich falle in die Kategorie der Suchenden. Ich nehme jede Anregung mit. Auch die von Burkeman. Wieviel sie mir am Ende bringen, weiß ich noch nicht. „Reise“ und so…

4 von 5 Sternen