Komplett unterm Radar geflogen, ist „The Creator“ plötzlich Ende September bei mir aufgetaucht. Es hat sich merkwürdig angefühlt: keine mir bekannte Franchise, kein mir bekannter Regisseur, keine mir bekannten Schauspieler. Keine Vorankündigungen in den handelsüblichen Blogs oder sozialen Medien. Nur ein sexy Filmplakat und ein aufwändiger produzierter Trailer. Mit anderen Worten: ich wusste nicht, was ich zu erwarten hatte. Die ersten Kritiken waren gemischt. Einige in der 80er-Range, andere in der 40er-Range.
Das obige Filmplakat wird in u.a. in Deutschland verwendet und ist ein unorthodoxes Motiv und Bildsprache für einen Science Fiction-Film. Und leider ist es auch ein Versprechen, dass der Film nicht einlöst.
Das folgende Filmplakat wird u.a. in den USA verwendet und zahlt etwas besser auf den Film ein.
Absichtlich oder unabsichtlich lässt es sich als ein christliches Motiv lesen: das Kreuz-Symbol, ein Symbol der Unterdrücker (hier: das große Raumschiff, von dem der Lichtschein ausgeht).
Dieses Versprechen ist vielleicht sinnbildlich für den Film: irgendwie ja, aber eigentlich dann doch: Nein.
Im Kern ist der Film eine „in yer face“-Variante des Messiahs-Motivs: unterdrücktes Volk. Ein Messiahs erscheint und befreit das Volk von seinen Unterdrückern. Als Bonus ham’wa auch noch Maria und Joseph.
Der Film spielt 2060/2065. Fünf Jahre zuvor hat eine AI der US-Regierung einen Atomschlag auf Los Angeles ausgeführt. Die US-Regierung verbietet darauf hin alle AI, inkl. Roboter/Androiden, und zerstört sie. Roboter werden u.a. in Schrottpressen zerstört – der Film verwendet dabei Bilder, die unangenehm/unangemessen an die Leichenberge deutscher Konzentrationslager erinnern.
In „New Asia“ (Indochina/Südostasien) schließt man sich dem Verbot von AI/Robotern nicht an. Die USA führen deswegen Feldzüge auf dem Territorium von New Asia durch, um AI zu vernichten – das Drehbuch hat folgerichtig etliche bekannte Vietnamkrieg-Motive in den Plot rein geschmissen.
Im Untergrund von New Asia wird eine neue starke AI entwickelt. Das US-Militär versucht den AI-Entwickler „Nirmata“ („The Creator“) zu finden und zu töten. Dazu wird der Agent Joshua Taylor in die Organisation eingeschleust. Eine Militäraktion misslingt, Joshua wird verletzt und verliert seine schwangere Frau, die mutmaßliche Tochter von Nirmata.
Fünf Jahre später tritt das US-Militär wieder an Joshua heran und bittet um seine Hilfe. Bei der folgenden Militäraktion findet Joshua eine junge AI „Alpha O“ und flieht mit „Alphie“ in der Hoffnung über Alphie seine Frau zu finden, die angeblich doch noch lebt.
Der Film reißt immer wieder eine Tür auf und läßt einen in Räume blicken, wo man denkt: „Oh, jetzt wird es interessant“, bevor die Tür schnell wieder zugeschlagen wird und die nächste Action-Sequenz kommt.
Die naheliegenden Diskurse zu Menschheit vs AI, Menscheit vs Roboter, USA vs Asien, finden nicht wirklich statt, sind reine Plot-Devices und hätte auch Cowboys gegen Indianer oder Grüne gegen CDU sein können.
Der Film deutet an einigen Stellen wirklich interessante Dinge an, auf die aber nie wirklich eingegangen wird und die daher nur kosmetischer Natur sind.
Das fängt mit der Umgebung an: es wurde hier auf den handelsüblichen Bladerunner-Klon der regnerischen, neonfarbenen, dunklen Großstadtkulisse verzichtet und stattdessen in die warmen Reisfelder-Terrassen von Indochina und in buddhistische Gebirgslandschaften gegangen.
Was machen Roboter mit einer Dorfgemeinschaft, wenn sie integraler Bestandteil der landwirtschaftlichen Arbeit sind? In anderen Szenen wird das Thema Roboter und Spiritualität gezeigt. Aber eben auch nur gezeigt und nicht wirklich darauf eingegangen. Es ist nur Kulisse.
Das Set-Design ist interessant, aber gleichzeitig auch leer, weil kein Kontext geliefert wird. Mich erinnert es daher an Computerspiele. In der Szene als Joshua Alphie findet, irrt er in einer unterirdischen Forschungsanlage umher und gelangt in einer großen Halle mit einem völlig überdimensionierten Tor – eine aus Spielen bekannte Stilfigur um den Spieler dort hin zu locken. Es fehlt nur noch das Schild „Hier rein!“. Und hinterm Tor ist ein Raum mit einem Kind in einem Sessel, dass Fernsehen guckt. Dafür ein Tor von acht Metern Höhe?
Und so schmeißt der Film die ganze Zeit mit optischen Popcorn um sich, ohne dass der Plot liefern kann.
In den letzten zehn Minuten gerät der Film komplett aus den Fugen und weist etliche Plotlöcher auf, die nochmal den eigentlichen Charakter des Films unterstreichen: es ist ein Actionfilm. Nicht mehr und nicht weniger. Kein Film, der die Weihen eines Vergleichs mit Bladerunner o.ä. verdient hat. Was da teilweise in den Filmkritiken geschrieben wird, findet ich sehr erstaunlich.
Und wenn man ehrlich ist: hätte der Film eine halbwegs realistische Gesichtserkennungssoftware eingepreist, wäre der Film schon nach zehn Minuten zu Ende gewesen und Joshua und Alphie bei der Rasterfahndung gefangen genommen, statt durch Polizeikontrollen, Busbahnhof, Rotlichtviertel und Raumflughafen durch zu spazieren.
Ein Film, der mich frustriert hinterlässt, weil er so tut, als hätte er Ambitionen, aber am Ende nur ein unterhaltsamer, aber dann doch flacher Science-Fiction-Film ist.
von 5 Sternen.