Eine Woche übersprungen und jetzt in Kalenderwoche 46 gelandet. Ich kriege dieses neue Bloggen zeitlich noch nicht organisiert. Momentan steht und fällt es mit der Zeit die ich am Sonntag habe – die ist aber derzeit aufgrund der NFL-Spiele am Abend eh limitiert. Und wenn dann noch anderer Sport oder Arbeit dazu kommt…

Things I did.

Meine zwei bis drei Wochen Urlaubsvertretung meiner Frontend-Kollegin beim Kundenprojekt „t5“ ist abgeschlossen. Ich fahre in der kommenden Woche auf zwei Tage zurück, ehe ich selber für ein paar Tage in den Urlaub fahre.

Bei „t5“ sass ich jetzt über zwei Wochen an einer größeren Komponente, deren Entwicklung Spaß gemacht hatte. Mein kleines Highlight war die Verwendung von Array.reduce() um aus einem JSON-Array mit Daten für einen Haufen von Teasern, einen HTML-String zu generieren.

Nicht ganz so geil, waren Reibungsverlusten die zwischen UI, Design, Projektmanagement und Frontendumsetzung auftreten. UI entwickelt seine Wireframes in einem Mac-only Vektorgrafikprogramm namens Sketch. Design erweitert diese Datei um die finalen Designs. Projektmanagement und ein Teil der Frontendumsetzer arbeiten auf Windows-Kisten und verwenden einen inoffiziellen Sketch-Client namens „Lunacy“ und ein anderer Teil (me) hat Sketch. Ich stehe teilweise vor Inkonsistenzen zwischen Wireframes und Designs und frage mich: Absicht oder Bug. Die anderen stehen vor Lunacy und fragen sich: ist das vom Design so gewollt oder ist das wieder ein Konvertierungsproblem von Lunacy? Jeder Stakeholder bekommt so eine sehr eigene Perspektive auf die Vorlage.

Ich wiederhole mich an dem Punkt: es kann nicht sein, dass wir 12 Jahre nach „Erfindung“ von responsiven Webdesign immer noch mit solchen Krücken im Workflow arbeiten – mal so als genereller Vorwurfe an die Softwarelandschaft ausgeschrieben. Das Handoff an die Frontenwicklung besteht ausschließlich aus Grafikdateien. Der/Die Frontendler*in darf händisch abmessen und muss eigenständig ableiten, was für Designregeln in dynamischen Browsern, sich aus den statischen Designs ableiten lassen – für ein Content-Management-System, in das unterschiedlichste Inhalte reingekippt werden und dass auch noch in einem halben Dutzend Sprachen und unterschiedlichen Schriftsystemen.

Es gibt zahlreiche Details, weswegen ich Sketch nicht mag. Die Roadmap, beginnend mit Sketch 60, liest sich nicht schlecht (Stichwort: Web-Oberfläche als Handoff-Dokument, Annotations – wie man es seit geraumer Zeit schon von Adobes XD kennt). Die neue Umsetzung von Komponenten scheint aber die eh schon katastrophale (& nicht vorhandene) Übersichtlichkeit von Sketch verschlechtert zu haben. Die Verrisse in den Kommentaren sind so derbe, dass sich Sketch veranlasst sah, seinen Blogartikel zu aktualisieren und (mal wieder) Besserung zu geloben.

Ich muss mir dringend mal Figma und Invision angucken. Sketch traue ich Fortschritte nicht mehr zu (und ein reiner Mac-Client ist inzwischen auch ein Ausschlusskriterium) und die prohibitive Preispolitik lässt eine Verwendung von Adobe Software nicht zu.


Mittwochs ist immer der Tag des langen Wochenmeetings beim Kunden vor Ort. Vorletzter Woche bin ich nach dem Meeting mit dem Rad in die Stadt gefahren, um ins Savoy-Kino zu gehen. Ich hatte eine Stunde Zeit zum Totschlagen und bin durch die Lange Reihe und dem Lohmühlenpark spazieren gegangen. Ein Jahr „Abgeschiedenheit“ in Langenhorn haben ausgereicht, um die Wahrnehmung eines Stadtteils wie St. Georg zu verändern, wo viel Leben auf den schmalen Bürgersteigen herrscht, viele kleine Läden, Cafés und Restaurants sind und der Straßenverkehr sich durch die schmale Straße quält.

Im Lohmühlenpark habe ich mich hingesetzt, das Krankenhaus St. Georg im Rücken. Die Dunkelheit legte sich über den Park und ich habe versucht den Geräuschen zu lauschen. Der lauten Tür vom Abendgymnasium. Den Generatoren im Krankenhaus. Den Krankenwagen, die an der Alster entlang fuhren. Den Hunden auf der Hundewiese. Die Eindrücke aus der Langen Reihe setzten sich fort: das Einprasseln von optischen und akustischen Sinneseindrücken.


Sinnbild für meine „Entfernung“ aus den zentralen Vierteln Hamburgs (z.B. meinem früheren Wohnort in Eimsbüttel) war an jenem Abend die Fahrt zurück mit dem Rad über „meine“ Niendorfer Strecke. 16,5km vom Hauptbahnhof aus. Auf einer Hauptausfallstraße geht es raus. Zuerst durch das Univiertel. Dann an den Mehrfamilienhäusern Lokstedts vorbei. Auf halber Strecke, am Niendorf Markt geht es runter von der Hauptstraße durch das Wohngebiet parallel zum Flughafengelände, mit viel Grün und den Vorgärten der Einfamilienhäusern. Autos sieht man hier nach neun Uhr abends nicht mehr. Im Herbst fährt man hier durch erste Schwaden von Bodennebel, die so unvermittelt vor den Fahrradscheinwerfer auftauchen, dass man glaubt, man hätte einen Vogel angefahren. Hinter dem Krohnstiegtunnel geht es dann am Bornbach entlang weiter – dann auch ohne Straßenbeleuchtung und endgültig allein.

Diese Strecke auf dem Fahrrad fühlt sich wie eine physikalische Metapher für diesen neuen Wohnort an.

Things I watched.

Zeichnung nach dem Filmplakat
Frei nach dem Filmplakat

Der Film im Savoy war „Parasite“ von Bong Joon-ho. Gewinner des Cannes Filmfestivals und Kandidat für den Oscar.

Ich schwanke ob ich dem Film vier oder fünf von fünf Sternen gebe. Er ist sehr clever gemacht. Er ist cinematographisch aufregend und perfekt – wieviele Stills könnte man als Poster verwenden. Die Schauspieler sind grandios. Der Film ist intensiv. Und der Film ist so voll an Metaphern, dass vermutlich noch unendlich viel an Sekundärliteratur entstehen wird.

Man kann den Film schwer besprechen, ohne dass Dinge spoilert, die man nicht spoilern will oder sollte.

Hinreichend bekannt ist die Prämisse: der Film schildert das Leben zweier Familien. Die Kims, die in der Souterrain-Wohnung eines südkoreanischen Slums leben und die Parks, die im Villenviertel in einem luxuriösen, modernen, architektonischen Meisterwerk wohnen.

Der Sohn der Kims wird durch einen Kumpel als Englisch-Nachhilfelehrer für die Tochter der Parks eingeschleust. Dem Sohn gelingt es, unter falschen Namen, seine Schwester als Kunsttherapeutin für den kleinen Park-Sohn zu vermitteln und kurze Zeit später sind auch Mutter und Vater, jeweils mit falschen Namen, als Hausangestellte drin.

Als man den Film als rabenschwarze Screwball-Komödie wähnt, schleichen sich immer stärker eine andere Tonalitäten ein – ablesbar an Vater Kim, Kim Ki-taek, gespielt von Song Kang-ho, dessen Mimik zu einem Schlüssel im Film wird.

Einige Rezensionen sprechen von Kapitalismuskritik. Das geht IMHO dann doch zu weit. Bong Joon-hoi versteht sich nur als Beobachter. Deutschlandradio Kultur sagte er:

Glauben Sie mir, ich will keine Botschaften vermitteln. Film als Propaganda liegt mir fern. Ich möchte, dass meine Filme nur eins sind: unterhaltsam. Ich will, dass Kino Spaß macht. Das ist mein Antrieb. Aber natürlich bin sehr nah bei meinen Figuren. Ich mag meine Figuren. Und da ich ihre Lebensumstände recht real beschreibe, bekommt der Film etwas Politisches. Mir ist das bewusst. Ich kann dem nicht entkommen, obwohl ich das immer wieder probiere, indem ich explizite politische Bezüge und Dialoge rausstreiche. Das Medium Film ist ja vielleicht immer politisch, auch wenn ich nur unterhalten will.

Tatsächlich hat mich am Ende des Films die Frage beschäftigt, ob mir diese explizite Kritik, die ein Stück weiter auch immer besserwisserisch Lösungsvorschläge erbringt, mir gefehlt hat und es sich Bong Joon-ho ein Stück weit zu einfach gemacht hat. Aber Bong Joon-ho ist mit seiner Verweigerung die Parks als reine Karikaturen anzulegen und dafür auch den Kims negative Facetten zu geben, näher an der Wirklichkeit dran und differenzierter, als ideologisch geprägte Filme.

Geht‘s raus. Schaut euch diesen Film an. Schaut ihn ruhig in der Originalfassung mit englischen Untertiteln an. Die deutsche Synchro wirkte auf mich blass.