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Buch: Sequoia Nagamatsu, „How High We Go in the Dark“

Ich bin lost, was das Buch mir sagen will.

Es sind zwar 14 Kurzgeschichten. 14 Puzzle-Teile, die zusammenpassen und eine… ja, was eigentlich… eine Story erzählen? Das trifft es irgendwie nicht. Wir erfahren das Was und das Wieso und dazwischen was „Das“ mit Menschen anstellt. Aber dieses „Dazwischen“, dass die eigentliche raison d‘être des Buchs zu sein scheint, sind nicht viel mehr, als nur kurze, bewertungsfreie Beobachtungen, die über das episodenhafte nicht hinaus gehen.

Das Buch beginnt mit der Fahrt eines älteren Forschers zu einer sibirischen Forschungsstation. Dort wurden prähistorische Funde untersucht, die das durch den Klimawandel aufgetaute Tiefland freigegeben hat. Bei der Untersuchung eines toten Mädchens aus der Eiszeit, ist seine Tochter Clara tödlich verunglückt. Und sehr bald zeigt sich, dass bei den Ausgrabungen der Eiszeit-Menschen ein tödlicher Virus freigesetzt wurde.

In den ersten Kurzgeschichten nimmt das Buch Kurs auf die immense Tragödie mit zig Millionen Toten, insbesondere Kinder. Was macht es mit der individuellen Trauer? Wie geht eine Gesellschaft mit dieser schieren Menge an Tod um, Stichwort: organisierte Euthanasie und Beerdigungen als Massenbetrieb.

Im Laufe des Buches wird die Seuche unter Kontrolle gebracht und was bleibt, ist die nicht bewältigte Trauerarbeit der Menschen. Aber mit jeder Kurzgeschichte mehr, wirkt das, was da nicht bewältigt wurde, weniger wie ein Artefakt der Seuche und mehr wie ein Artefakt unserer heutigen Gesellschaft, Artefakt einer zunehmenden Distanzierung und Individualisierung. Die Auflösung von „Familie“. Und so hätte man vermutlich ein Drittel der Kurzgeschichten auch ohne das Setting der Seuche schreiben können.

Und mittendrin eingestreut, fallen einige Kurzgeschichten aus dem Rahmen. So erzählt eine Kurzgeschichte was jemand während seines Komas in der Zwischenwelt erlebt. Eine weitere Kurzgeschichte erzählt von der Reise eines „Generations-Raumschiff“ auf der Suche nach einer zweiten Erde.


Da schwingt bei mir eine gewisse Enttäuschung mit. Eine bloße Nacherzählung der Kapitel beschreibt nicht die Wucht, mit der die ersten Kurzgeschichten einschlagen. Die Zärtlichkeit der Protagonisten geht Hand-in-Hand mit den Schlägen, die der Tod von geliebten Menschen und der Ungeheuerlichkeit einer industrialisierten Euthanasie verursacht. Das Buch zieht eine/n runter. Man schläft schlecht, wacht beschissen auf und muss am nächsten Vormittag noch daran denken, wie der kleine Junge in die Euthanesie-Achterbahn geführt wird.

Aber irgendwann stumpft man als Leser/in ab. Das Buch zeigt über die 14 Kurzgeschichten und 300 Seiten hinweg, zu wenig Dynamik und bietet zu viel same/same. Die Wucht der ersten Geschichten verfliegt und die Auflösung in der letzten Kurzgeschichte, stellt leider einen großen Disconnect zum Beginn des Buches dar.

Ach, hätte ich das Buch doch bloß nach einhundert Seiten weggelegt.

Was am Ende bleibt, ist kein Plot, sondern der tiefe Einschlag, den die ersten fünf, sechs Kurzgeschichten hinterlassen. Das hätte eigentlich schon gereicht.

3 von 5 Sternen.

Nach knapp drei Monaten habe ich letztendlich auf den letzten 50 der ca. 1.700 Seiten der Trilogie aufgegeben. Meine Rezension zum ersten Band ist im Blog. Die Rezension des zweiten Bandes liegt auf irgendeinem Rechner als Draft herum. Und irgendwie habe ich keine Lust die Rezension zu Ende zu schreiben und dann den Aufriss für den dritten Band zu machen. Stattdessen spüle ich die komplette Trilogie in einem Rutsch weg. Und übrigens: Scheiß auf Spoiler. Wer keine Spoiler haben will, sollte sich an dieser Stelle vom Blogeintrag verabschieden.


Der Plot

Der erste Band „Die drei Sonnen“ beschäftigt sich mit dem ersten Kontakt der Erde mit einer außerirdischen Zivilisation, Trisolaris. Trisolaris hat die Radioübertragungen eines chinesischen Forschungsprojektes empfangen und damit die Koordinaten der Erde berechnet. Trisolaris hat eine Eroberungsflotte losgeschickt. Da diese mit einem Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit fliegt, wird sie erst in 400 Jahren eintreffen. Gleichzeitig hat Trisolaris auch sogenannte „Sophonen“ entwickelt, multidimensionale Computer und Kommunikationseinheiten mit künstlicher Intelligenz. Zusammengeklappt auf nur drei Dimensionen, besitzen Sophonen die Größe eines Protons, konnten auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden und sind seit einigen Jahren auf der Erde. Dort sabotierten sie die Grundlagenforschung z.B. von Teilchenbeschleuniger.

Der zweite Band „Der dunkle Wald“ fokussiert sich auf die 400 Jahre Zeit, bis die Angriffsflotte eintrifft. Das Buch mäandert durch unterschiedliche Verteidigungspläne, stets unter Beobachtung der Sophonen. Am Ende erweist sich nur ein Plan als substantiell: der von Luo Ji.

Fermi-Paradoxon und der Dunkle Wald

Wenn etwas Substantielles von dieser Trilogie übrig bleibt, dann sind es die Überlegungen rund um das Fermi-Paradoxon und die daraus resultierende Idee des Dunklen Walds.

Das Fermi-Paradoxon geht davon aus, dass das Universum fucking groß und fucking alt ist. Es ist also fucking wahrscheinlich, dass sich auch woanders intelligentes Leben und Zivilisationen gebildet haben und es ist wahrscheinlich, dass diese bereits sehr viel länger existieren und damit sehr viel fortschrittlicher sind. Aber warum zum fuck, haben wir sie noch nicht bemerkt? Oder was ist mit diesen Zivilisationen passiert?

Liu Cixin trägt mit dem „Dunklen Wald“ einen Erklärungsversuch bei.

Darin wird „Friede“ als anormaler Zustand gesehen. Sei es, weil Zivilisationen sich aus Eigennutz expansiv verhalten (bzw. aufgrund ihres exponentiellen Wachstums expansiv verhalten müssen), sei es, weil das Misstrauen so groß ist, dass man lieber präemptiv zuschlägt. Damit wird aber eine Eskalationsspirale ausgelöst, an deren Ende man irgendwann selber Opfer einer fortschrittlicheren Zivilisation wird, die des eigenen Überlebens willen, präemptiv zuschlägt, die ihrerseits damit die Eskalation weiter dreht und auch wieder Opfer einer fortschrittlicheren Zivilisation wird, etc… pp…

Mit dem „Dunklen Wald“ wird ein anderer Pfad aufgezeigt: sich ruhig zu verhalten und keinen Mucks zu geben. Wie ein Tier in einem dunklen Wald, durch das Jäger wandern und nach Lebenszeichen suchen.


Eine Vorhut der trisolarischen Flotte trifft früher als erwartet ein und zerstört nahezu die komplette irdische Raumflotte. Nur wenige Raumschiffe können fliehen und brechen in andere Sonnensysteme auf, im Glauben, dass die Erde verloren sei.

Parallel entwickelt Luo Ji aus der oben erwähnten „Dunklen Wald“-Theorie eine Abschreckungsstrategie: er droht den Trisolariern mit einer Ausstrahlung der Trisolaris-Koordinaten ins All über Gravitationswellen, sollten sie die Erde angreifen. Trisolaris lenkt ein und bietet Friedensverhandlungen an.

Der dritte Band „Jenseits der Zeit“ schildert die Übergabe des Auslösers für die Gravitationswellen-Ausstrahlung der Koordinaten von Luo Ji zu der chinesischen Wissenschaftlerin Cheng Xin. Diese wird aus mehreren Kandidaten ausgewählt, u.a. weil sie höhere Sympathiewerte besitzt und als berechenbarer gilt. Dies macht sich Trisolaris zu Nutze: kurz nach der Übergabe des Auslösers zerstören sie die Gravitationswellen-Sendeeinrichtung, im Wissen, das Cheng Xin den Auslöser nicht drücken wird, da die Ausstrahlung der Koordinaten auch die Position der Erde an andere Zivilisationen ausstrahlen würde.

Eines der entflohenen irdischen Raumschiffe verfügte jedoch auch über eine Gravitationswellen-Sendeanlage. Als die Nachricht der trisolarischen Invasion eintrifft, werden die Koordinaten Trisolaris’ ausgestrahlt. Trisolaris zieht sich sofort aus dem Sonnensystem zurück, um das eigene System zu unterstützen. Einige Jahre später wird eine der Trisolaris-Sonnen von einem unbekannten Geschoss zerstört und der Planet Trisolaris verbrannt.

Die Erde versucht sich nun auf bevorstehende Angriffe anderer Zivilisationen vorzubereiten. Und wieder verfolgt man mehrere Pläne gleichzeitig. Die Pläne scheitern, weil der Angriff nicht, wie bei Trisolaris beobachtet, über die Zerstörung der Sonne passiert, sondern durch die Konvertierung des Sonnensystems aus dem drei- in den zweidimensionalen Raum (yep, I know).

Und wieder können ein paar Leute fliehen, u.a. Cheng Xin. Im Schlussspurt des dritten Bandes landet man in einem anderen Sonnensystem, nur um dort über außerirdische Artefakte festzustellen, dass sowieso alles für den Popo ist, weil das komplette Universum dem Tod geweiht ist. Die Zivilisationen im Universum sind längst im permanenten Kriegszustand, der die Naturgesetze (Reduzierung der Lichtgeschwindigkeit, der Masse, Raumzeit-Krümmung und der Dimensionen) derart auseinanderreißt, das selbst der Kreislauf des Universums durch „Big Crunch“ und Urknall ein Ende finden werden.


Ich muss sagen, wenn ich den Stoff der 1.500 Seiten derart herunterdampfe, klingt das sogar wie ein interessanter Roman. Die Trilogie ist es leider nicht. In der Goodreads-Rezension zum dritten Band, resümierte ich meinen Eindruck der Trilogie:

Es gibt keine Kohärenz. Es liest sich wie eine Ansammlung von Notizzetteln, von Gedankenexperimenten, die aneinander getackert wurden. Ich glaube, eine Sammlung von Kurzgeschichten wäre für diese drei Bände die angemessenere Erscheinungsweise gewesen.

Der Trilogie fehlt ein Amalgam. Der Plot/die Plots ist/sind es nicht. Die Charaktere, mangels Haptik, Dimensionalität und Entwicklung, auch nicht. Diese Probleme waren bereits im ersten Band zu erkennen und blieben über die gesamte Trilogie bestehen. Stell dir vor, du schreibst eine Trilogie, deren Zeitraum sich über mehrere Jahrhunderte (bzw je nach Zählweise: Jahrtausende & Jahrmillionen) erstreckt und es macht nichts mit den Charakteren. Und diese Blutleere zieht sich durch alles: den Charakteren, dem Ambiente und den Umgebungen. Alles wurde nur aus einer sehr großen Flughöhe betrachtet und blieb damit keimfrei und ohne Haptik.

Ich habe mich bei der Mars-Trilogie vom Kim Stanley Robinson über vieles geärgert. Aber Robinson gelang es beides miteinander zu verknüpfen: die großen Ideen mit den Details und Haptik. Robinsons Trilogie hat sich derart bei mir im Kopf eingebrannt, dass ich sie noch mal lesen möchte. Die Trisolaris-Trilogie liest sich dagegen, als wäre sie selber ein Opfer der Konvertierung aus einem drei- in einen eindimensionalen Raum(?) geworden.

Wenn die Essenz von Liu Cixins-Trilogie die Konzepte von Konflikt, Abschreckung und Fermi-Paradoxon sind, was hätte man da für ein Werk schaffen können … inklusive Diskussionsstoff mit Aktualität bzgl. der Konflikte auf der Erde.

2 von 5 Sternen

„Die Drei Sonnen“ ist der erste Band der „Trisolaris“-Trilogie des chinesischen Autors Liu Cixin. 2006 erschienen, hat das Buch mit seinem Erscheinen in den USA, 2013, der chinesischen Science-Fiction im Westen zum Durchbruch verholfen.

Die Trilogie ist dieser Tage in Deutsch neu aufgelegt worden, was für mich der Anlass war, mal selber nach zu lesen.

Das Buch steigt mit Kapiteln aus der Zeit der Kulturrevolution ein, ehe es einen Sprung in die Jetzt-Zeit macht. Dort arbeitet der Wissenschaftler Wang Miao an Nano-Werkstoffen. Eines Tages wird er zu einem Treffen einer Kommission gebeten, die mit Vertretern etlicher Länder und Behörden besetzt ist. Es hat eine Reihe von merkwürdigen Selbstmorden unter Wissenschaftlern/Wissenschaftlerinnen gegeben. Einige haben verzweifelte Abschiedsbriefe hinterlassen, wo sie den Sinn von Naturgesetzen anzweifeln.

Die Kommission hat eine Gruppierung namens „Friends of Science“ im Verdacht. Wang Miao soll sich in die Gruppierung einschleusen.

Nach der ersten Kontaktaufnahme wird Wang Miao gewarnt, seine Forschungen für Nano-Werkstoffen fortzusetzen. In den darauffolgenden Tagen fängt Wang Miao an, vor seinem geistigen Auge einen von 1.200 Stunden herunter zählenden Countdown zu sehen. Der Countdown ist sogar auf Fotos zu sehen, die er entwickelt. Als Wang sein Labor für Wartungsarbeiten vorübergehend schließt, verschwindet der Countdown.

Wang bemerkt auch, dass im Umfeld der „Friends of Science“ ein VR-Spiel namens „ThreeBody“ gespielt wird, eine Weltsimulation, die binnen Minuten von einem stabilen zu einem chaotischen Zustand wechseln kann. Dies manifestiert sich durch stabile oder chaotische Sonnendurchläufe, mit entsprechenden Temperaturschwankungen.

Nach und Nach durchschaut Wang die Mechanismen im VR-Spiel…

… und an diesem Punkt hat eine spoilerfreie Zusammenfassung vermutlich aufzuhören.


Bekommst du eine knackige 5-minütige Zusammenfassung des Buchs, liest es sich wie ein fantastischer Stoff, mit genügend Futter für eine Serie. Ich musste breit grinsen, als ich einen der Trailer der geplanten chinesischen Film-Adaption sah. Da haben sie aber aus dem Buch wirklich alles heraus gequetscht, was es so in Sachen erhöhter Pulsschlag gab…

Denn leider liest sich das Buch über seine 600 Seiten sehr, sehr viel schlechter. Gemessen an den Preisen und Kritiken, die das Buch bekommen hat, war „Die Drei Sonnen“ eine herbe Enttäuschung.

Der Plot ist unaustariert. So nehmen zum Beispiel die VR-Sequenzen mehr Platz ein, als es ihnen als Plot-Device zustünde. Und leider ist „die Schreibe“ von Liu Cixin so farb- und emotionslos, das es eine Qual ist, sich durch den nächsten Besuch in der VR-Welt zu lesen.

Gegen Ende des Buches folgt eine plötzliche Beschleunigung durch eine Action-Sequenz, nur um dann darauf seitenlange „wissenschaftliche“ Abhandlungen aus dem Mund der Protagonisten sprechen zu lassen, die wie bemühter Bullshit wirken, um Phänomene zu erklären, die im ersten Viertel des Buches auftraten.

Über weite Teilen liest sich das Buch wie der bemühte Versuch sich von Storyetappe zu Storyetappe zu hangeln und nicht wie ein homogener Stoff.

Verschärft wird dies durch „die Schreibe“. Liu Cixins Schreibstil ist hölzern, spröde und gefühlskalt. Die Charaktere haben kein Eigenleben und sind austauschbar. Sie machen in dieser Story, mit vielleicht einer Ausnahme, keine Entwicklung durch. Die Hauptfigur Wang Miao betrinkt sich am Ende des Buches einmal, aber das war es dann auch. Wie auch bei allen anderen Protagonisten, scheinen die dramatischen Entwicklungen komplett an den Charakteren abzutropfen.

Das Setting wirkt wie ein Potemkin’sches Dorf, bei denen die Kulissen je nach Bedarf auf und von der Bühne gerollt werden. Da wird anfangs die Familie von Wang Miao eingeführt (a.k.a. auf die Bühne gerollt) und dann spielt sie keine Rolle mehr (a.k.a. von der Bühne gerollt), obwohl Wang Miao mehrere Tage lang komplett in einer VR-Welt absumpft, sein Forschungslabor für „Wartungsarbeiten“ vorübergehend schließt oder mal ein paar Tage nach Panama reisen muss.

Auch das werte ich als Indiz dafür, wie wenig Liu Cixin seinen Stoff bewusst einsetzt: ausgerechnet die Protagonistin, die aufgrund ihrer Bio am meisten hergibt und der Auslöser der Story ist, die Astrophysikerin Ye Wenjie, bleibt nur in der zweiten Reihe.

Zwei Aspekte des Romans sind positiv hervorzuheben. Die ersten Kapitel zur Kulturrevolution muss man aus der Kritik an der Empathielosigkeit herausnehmen. Sie sind tatsächlich emotional und haben mich die Zeit spüren lassen.

Der zweite interessante Aspekt ist die Verbindung zur aktuellen politischen Situation in China. Dazu kann ich die achtteilige Podcastserie des Economist empfehlen: „The Prince: Searching for Xi Jinping“ — ein Portrait des jetzigen chinesischen Parteichefs. Man kann einige Parallelen zwischen den Roman, seinen Protagonisten und der Philosophie von Xi Jinping erkennen. Böse formuliert: Xi wirkt wie eine Romanfigur von Liu Cixin.

Es wird auch deutlich, warum Liu Cixin so hart mit der Kulturrevolution umgehen kann — denn damit dürfte er auf der gleichen Linie wie Xi stehen, dessen Familie unter den Repressionen der damaligen Zeit litt (inkl. einer Schwester, die Selbstmord beging). Die Kulturrevolution wird als kurzzeitiger Irrtum der Geschichte behandelt und der Gesamtkontext Mao ausgeblendet. Wie heißt es im Podcast an einer Stelle: China kann zurecht stolz auf seinen wirtschaftlichen Aufschwung seit der 80er Jahre sein. Man sollte aber nicht vergessen, dass es die gleiche kommunistische Partei war, die das Land nach 1949 erst in den Ruin trieb.

Davon aber abgesehen, kann ich die nahezu unisono ausgesprochenen Lobeshymnen nicht nachvollziehen.

Ich bleibe ratlos zurück, wie dieses Buch einen derartigen, an Massenhysterie gleichenden Hype auslösen konnte. Ich werde mich auch durch den zweiten Band der Trilogie lesen, aber meine Zündschnur ist deutlich kürzer. Nochmal solche fünfhundert Seiten werde ich mir nicht antun.

2 von 5 Sternen

Ehrlich: ich habe keine Ahnung wie dieses Buch auf meinem eBook-Reader gekommen ist. Okay, ich hatte schon zwei Bücher von Suarez gelesen und anscheinend fand ich die Beschreibung so sexy, dass ich mir das Buch 2018(!) gekauft habe, als es damals 50% herabgesetzt war…

Suarez schreibt Thriller, die ein paar Jahrzehnte in der Zukunft liegen. Das erlaubt ihm, bestimmte Technologien in Richtung zu Extremszenarien weiter zu denken, bleibt aber immer noch nahe an unsere Zeit, um glaubwürdige Szenarien zu bleiben.

Es gibt für die Konzeption von Produkten und Dienstleistungen die Disziplin des Schreibens von spekulativen Szenarien, um daraus Designanforderungen, Forschungsziele u.ä. abzuleiten: „Wie wird das Internet 2040 aussehen“, „Wie werden Nachrichten 2050 konsumiert“, „Wie werden Menschen 2060 ihre Wäsche waschen“.

Was Suarez da auf 535 Seiten abgeliefert hat, wäre vermutlich auf 10 Seiten herunter komprimiert, interessanter gewesen … und angesichts seines offensichtlichen Desinteresse für Charaktere, auch ehrlicher. „Bios“ auf zehn Seiten eingedampft: so geht es mit der Gen-Technologie weiter, so entwickelt sich Südostasien, so leben Menschen in Metropolen, so entwickelt sich der Sklavenhandel etc…

Worum geht es in „Bios“: 2045. Kenneth Durand ist Leiter einer Interpol-Abteilung gegen den illegalen Einsatz von Gentechnologien an Menschen. Er wird gebeten, seine Ressourcen zur Verfolgung des Kopfes eines asiatischen Kartells, Marcus Demang Wyckes, einzusetzen.

Im Gedränge der abendlichen Rush-Hour in Singapur bekommt Durand eine Injektion verpasst und wacht nach fünf Wochen Koma auf: in der Haut des gesuchten Marcus Demang Wyckes. Die Injektion hat etwas gemacht, was als wissenschaftlich unmöglich galt: sie hat am lebendigen Menschen die DNA soweit verändert, dass aus Durand Wyckes wurde und sich nun im Polizeigewahrsam ist. Durand-Wyckes kann fliehen, versucht seine Unschuld zu beweisen und die DNA-Modifikation wieder rückgängig zu machen.

Der Plot hat Löcher, durch die ganze LKWs durch fahren können und ist künstlich aufgebläht. Suarez zeigt ein Desinteresse interessante Charaktere zu schaffen. Die Protagonisten wirken, als hätte Suarez sie sich in einem Rollenspiel zusammengewürfelt. Sie besitzen keinerlei Tiefe. Sie sind eine Aneinanderreihung eingängiger Versatzstücke.

Ebenso wenig Tiefe besitzt die zentrale Frage, die Suarez zwar in den Raum stellt, aber damit nichts weiter macht.

Wenn man sich nicht mehr darauf verlassen konnte, dass die DNA einer Person unveränderlich war, wie konnte man dann jemanden die Schuld an einer Straftat nachweisen?

Die Technologie könnte das Konzept der Identität selbst untergraben. Wer wer ist — [also] persönliche Verantwortlichkeit –, das war bislang die Grundlange allen Rechts

Was hätte wohl ein Philip K. Dick für ein dystopisches Szenario entworfen? „Der Dunkle Schirm“, der u.a. die Auflösung des eigenen Identitätsverständnisses durch Drogenkonsum schildert, zeigt den Unterschied, zwischen Auseinandersetzung mit dieser Frage und billiger Flugzeug-Lektüre. Ähnlich wie bei der Ausarbeitung der Charaktere, wirkt es wie Desinteresse von Suarez, etwas tiefer zu bohren.

Es war wieder eines der Bücher, wo ich nahe dran war, mittendrin abzubrechen. Das einzige was mich hielt, war die Hoffnung auf eine interessante Plotauflösung … aber die gab es nicht. Der Plot wurde so straight, wie befürchtet, aufgelöst. Am Ende bleibt als einziger Pluspunkt, wie Suarez aktuelle Entwicklungen an einigen Stellen interessant weiter gedacht hat. Aber für 535 Seiten ist das zu wenig und ich fühle mich meiner Zeit beraubt.

2 von 5 Sternen.

Comic: „The Rise and Fall of the Trigan Empire”

Als kleiner Bub bin ich in den Ferien öfters bei meiner deutschen Großmutter im Odenwald gewesen. Schräg’ gegenüber gab es einen Zeitschriftenladen, der einige Comics hatte. U.a. ein Comic-Magazin namens „Kobra, das vorzugsweise britische Serien abdruckte. Mir hatte es vor allem die Serie „Das Reich Trigan“ angetan, die so bombastisch daher kam. Zeichnerisch aufwändig, epische Stories und eine verrückte Mixtur aus römisches Reich, Science-Fiction und Fantasy.

Denk ich an Trigan, denk ich an diese Kleinstadt im Odenwald, an die Kopfsteinpflaster-Straßen, das Geläut um 18 Uhr, mit dem gleichzeitig alle Ladengeschäfte schlossen, an den Spielzeugladen, der einer Freundin meiner Großmutter gehörte. An den kleinen Kohleofen im Wohnzimmer, das traditionelle Gläschen Rotkäppchen-Saft zum Abendbrot und „Onkel Otto“ im hessischen Werbefernsehen. An die zentnerschweren Bettdecken, an den Pisstopf unterm Bett (Toiletten gab es nur im Treppenhaus, eine halbe Etage tiefer).

Nach „Kobra“ habe ich „Das Reich Trigan“ nur noch 1-2 weitere Male gesehen.

Einige Jahre später bekam ich mit, dass die Serie als „faschistisch“ bezeichnet wurde. Naja, nun war es in den 70er und 80er Jahre so, dass die Comic-Kultur in Deutschland, und damit der Diskurs, noch reichlich ungesund war. Superhelden-Comics galten als moralisch verderbende Bildergeschichten. Mit den Tom & Jerry im ZDF-Vorabendprogramm entflammte eine Diskussion über zu viel gewaltverherrlichende Fernsehen für Kinder – 40 Jahre später hat keiner mehr ein Problem, wenn um 17 Uhr in CSI fröhlich Leichen obduziert werden … aber ich schweife ab.

Über 40 Jahre später, gab es ein Wiedersehen mit dem Reich Trigan. Bei HumbleBundle konnte wieder ein Bündel von eBooks von Rebellion erworben werden. Wie gut hat sich „Das Reich Trigan“ gehalten? Erlag ich als Achtjähriger irgendeinem Fascho-Zeug?



Zuerst braucht es etwas mehr Kontext: „The Trigan Empire“ ist eine britische Comic-Serie die von 1965 bis 1982 lief. Es handelt sich also um eine fast 60 Jahre alte Science-Fiction-Serie und wie man schon an Isaacs Asimovs Foundation-Trilogie sehen konnte, altert nicht jede Science Fiction gut.

Die Serie wurde anfangs in wöchentlich erscheinenden Comic-Magazinen jeweils mit zwei Seiten abgedruckt. Das erklärt die teilweise arg textlastigen Seiten und die Kurzatmigkeit der Story. Aufsehenerregend waren die aufwändig gestalteten Zeichnungen/Malereien von Don Lawrence.


Die Stories beschreiben Aufstieg und Fall des Kaiserreiches Trigan auf dem Planeten Elekton. Es ist eine recht krude Mixtur aus „Römisches Reich“ meets „Bibel“ meets Fantasy meets Flugzeuge und Strahlenwaffen. Architektur und Kleidung orientiert sich überwiegend am römischen Reich. Kaiser Trigo und seine Sippschaft hüpft mit Sandalen und einem Schwertchen herum, während die Soldaten um ihn herum am Flughafen, die Strahlenpistole im Holster tragen.

Die Serie beginnt als Trigo und seine beiden Brüder das Nomadenvolk der Vorg anführten. Das Volk wird bei einem grundlosen Angriff eines Kampffliegers eines Nachbarvolkes, der Lokan, fast ausgelöscht. Für Trigo ist dies der Auslöser, um das Volk sesshaft und wehrhaft zu machen. Zu Hilfe kommen ihnen dabei Flüchtlinge vom weitaus höher stehenden Volk der Tharvs, die ebenfalls von den Lokan fast ausgelöscht wurden. Es gelingt ihnen die Lokan bei einem Angriff auszutricksen und im Eiltempo eine Zivilisation hochzuziehen.

Die einzelnen Stories sind zwischen 7 und ca. 30 Seiten lang. Es wechseln sich die gleichen 3-4 Grundtypen von Stories ab. „Der Verräter“ (einer der Brüder, einer der Generäle etc…) versucht das Imperium zu stürzen. Das „fremde Böse“ (andere Völker, Außerirdische) versucht das Imperium zu stürzen. Es wird ein neues Volk/neues Gebiet/neuer Planet entdeckt und bei der Entdeckung riskiert eine Person aus dem kaiserlichen Umfeld draufzugehen.

Häufig gibt es irgendwen oder irgendwas, dass die Kontrolle über die Vorgs oder dem kaiserlichen Umfeld übernimmt: Hypnose, außerirdische Stimmen, außerirdische Seelenwanderer, ein Kraut, das Wahnvorstellungen produziert, Trinkwasser, das willenslos macht… etcetera pp…

Aber am Ende gewinnt das „Gute“. Über die knapp 20 Jahre in denen die Serie lief, hat sich das Reich nur wenig gewandelt. Rein äußerlich verbreitete sich im Reich die Architektur des 70er-Jahre Brutalismus, aber bei Trigo und seinem Berater Peric blieben die Vorlieben für römische Klamotten. All die Konflikte hinterließen keine Spuren, außer graue Haare an Trigos Schläfen. Die Popularität von Kaiser Trigo veränderte sich kaum. Das Volk war mit dem Benevolent dictator for life zufrieden.

Das ist alles von einer Naivität, die auf Dauer maximal von Achtjährigen zu ertragen ist. Wo der Vorwurf der Verherrlichung von Faschismus kommt, ist zu sehen: Trigo und Co. sind ein Traum von Arier: blonde Haare, blaue Augen, muskulöser Körper. Seine Gegner hingegen…






In den ersten beiden Bildern sieht man die Hauptfeinde: die Lokan. Die Assoziationen mit „die Gelbe Gefahr“ und Mongolen liegen auf der Hand. Butterworth und Lawrence haben dies schnell etwas zurückgefahren. Die Lokan bekamen später eine grüne Hautfarbe. Aber das klare Freund-/Feind-Schema bleibt an Gesichtern und Mimik ablesbar und wird im Laufe der über 800 Seiten nur 2-3 Mal durchbrochen.

Verstärkt wird dies durch ein Grundthema, das sich durch viele der Stories durchzieht: das Unbekannte, das Ding, das von draußen kommt und immer Ungemach nach sich zieht. Ich kenne Butterworth und Lawrence nicht. Daher finde ich es etwas müßig ihnen Rassismus vorzuwerfen. Aber der Reaktionismus der durch die Seiten wabert, ist selbst als Erwachsener und unter Berücksichtigung, dass es sich um die 60er und 70er Jahre handelt, nur schwer zu ertragen.

Fast folgerichtig ist es, dass auch den 860 Seiten Frauen so gut wie keine Rolle spielen (Asimov lässt grüßen).

Und was sagt der achtjährige Bub in mir? Der hat sich so ein bisschen geschämt, kam aber bei einigen Panels wieder in mir hoch. Es gab Bilder von Lawrence, die haben sich mir im Kopf eingebrannt hatten und den Bub getriggert haben. Es sind die Mimiken, es ist die Formensprache einiger SF-Elemente und es sind die massiven Farben und die Kolorierung, die aus „Das Reich Trigan“ offensichtlich etwas derart einmaliges machen, dass ich nach über 45 Jahren einige Panels wieder erkannt habe.

Lawrence hat Dinge gezeichnet, die man als Achtjähriger nicht für möglich hielt. „Das Reich Trigan“ war die Comic-Entsprechung eines Monumentalfilms. Er hat nicht nur Dinge auf Papier gebracht, sondern den Sujets und Objekten auch eine Haptik gegeben. Sein Einsatz von Farben schaffte es, den Dingen eine Fremdheit zu geben, wie es im Bereich der realistischen Zeichnungen nur einem Richard Corben gelungen ist.

Als Kaiser Trigo entdeckt, dass er drei Söhne bekommen hat
Besuch auf einen fremden Planeten






Aber das alles, ist ein Faszinosum vergangener Zeiten – als die Comics noch nicht am Computer koloriert wurden und als noch nicht alle zehn Minuten ein neuer Marvel-Film veröffentlicht wurde. Was in der heutigen Rezeption hängen bleibt, ist ein maximal einfältiger Stoff, der zu wenig aus der Langzeitbeobachtung eines Kaiserreichs macht. Dazu kommt eine Grundtonalität, die aus der heutigen Perspektive erzreaktionär und abstoßend wirkt. Der Bub in mir, hat sich eine Zeitlang gefreut. Aber das ist etwas zwischen mir und diesen Comics. Dazu braucht es keine 860 Seiten und für alle anderen ist es eh nicht relevant.

1 von 5 Sternen.

Isaac Asimov: „Foundation“-Trilogie

Foundation-Trilogie

Die „Foundation“-Trilogie von Isaac Asimov gilt als eines der großen Werke der Science-Fiction. Durch die neue Serie bei AppleTV ist die Trilogie wieder ins Gespräch bekommen.

Ach, Asimov. Als Jugendlicher habe ich die leicht verdaulichen Roboter-Romane von ihm verschlungen. Doch irgendwann wurde es mir zu fad. Die Romane waren mir zu viel Verpackung für den eigentlichen Kern, das in der Regel ein Gedankenexperiment rund um die drei Asimov’schen Gesetze der Robotik war.

35 Jahre später hatte ich ein Déja Vu.

Der Plot

In ca. 12.000 Jahre ist die Menschheit ein galaktisches Imperium von über 25 Millionen Planeten. Die Trilogie startet mit dem Moment, an dem der Zerfall des galaktischen Imperiums einsetzt – vergleichbar mit dem Fall des römischen Imperiums.

Im ersten Band prognostiziert die Koryphäe der „Psychohistorie“, Hari Seldon diesen Untergang, gefolgt von einer 30.000 Jahre lange Periode der Düsternis. Nach seinen Berechnungen lässt sich diese dunkle Zeit aber durch Gründung einer „Foundation“ auf tausend Jahre verkürzen. Alles Wissen des Imperiums soll durch die „Foundation“ in einer Enzyklopädie des galaktischen Wissens zusammentragen werden.

Seldons „Psychohistorie“ ist eine Wissenschaft, die auf Basis des Verhaltens von Menschenmassen , die Zukunft berechnet. Seldons Plan ist aber nur oberflächlich der Aufbau der Enzyklopädie.

Wenn die NASA heute eine Raumsonde für eine Mission startet, dann fliegt diese Sonde nicht in einer geraden Linien von der Erde zum Ziel. Häufig werden komplexe Flugbahnen um Monde und Planeten herum berechnet, um über die Anziehungskraft der Himmelskörper an Geschwindigkeit zu gewinnen und in die richtige Richtung gelenkt zu werden

Das ist eine gute Metapher für Seldons eigentlichen Plan: die Menschheit wird auf eine von Seldon berechnete, komplizierte historische Bahn gebracht, um die dunkle Zeit zu verkürzen. Aber es ist für den Erfolg von Seldons Plan entscheidend, dass sich die Menschheit so verhält, wie von Seldon berechnet. Dazu darf die Menschheit keine Details von Seldons Plan wissen – sie würde sich sonst „unnatürlich“ verhalten und damit von der von Seldon voraus berechneten historischen Bahn abweichen.

Der Plot der Trilogie springt chronologisch in der Timeline von Episode zu Episode … und hört, zu meiner Überraschung, bereits nach zirka 400 Jahre auf, bevor die düstere Zeit zu Ende ist.

Der Ausdruck „Plot“ ist eigentlich falsch. Vielmehr handelt es sich um eine Aneinanderreihung von Episoden, die von entscheidende Momente im „Bahnverlauf“ der Menschheitsgeschichte dieser dunklen Ära handeln. Es sind kleine Kammerspiele. Handlung wird durch eine schier endlose Abfolge von Dialogen ersetzt.

Hinter dem Plot

Die „Foundation“-Trilogie gehört zu den Frühwerken von Asimov. Die ersten Episoden wurden 1942 geschrieben – also vor fast einem Jahrhundert alt.

Die Trilogie ist leider unsäglich altbacken. Das ist angesichts des Alters der Trilogie verständlich, hat mich aber trotzdem genervt.

Die Trilogie hat weitere Probleme, die weniger mit dem Alter und mehr mit der Person Asimovs zu tun haben.

Auf 880 Seiten kommen sage und schreibe drei bis vier Mädchen bzw. Frauen als Protagonistinnen vor. Dieser Umstand gewinnt vor dem Hintergrund der seit einigen Jahren bekannten Vorwürfe der sexuellen Belästigung durch Asimov, an Fallhöhe.

Die Trilogie ist sehr, sehr fade (engl: „bland“ trifft es IMHO besser) geschrieben. Das lässt sich an den Charakteren festmachen, die austauschbar sind und nur als Sprechapparate für Asimovs Dialoge dienen.

Im Laufe der 880 Seiten hat es kein Moment geschafft, in meinem Kopf Bilder entstehen zu lassen. Ich kann mich nicht erinnern, wann es bei mir im Kopf nach einem Buch zuletzt so blank war.

Dieses Problem zieht sich durch die komplette Trilogie. Der große Storybogen dürfte in einem Exposé spannend zu lesen sein – auf 880 Seiten gestreckt bleibt, bleibt aber nur Leere zurück.

Die Ursachen, warum es auf den Welten so ist, wie es ist, werden nicht klar. Warum zeigen Gesellschaften auch über einen Zeitraum von 400 Jahren, den gleichen mittelalterlichen Habitus? Warum wird nach 400 Jahren unverändert geraucht und ferngesehen, wie es zu Beginn der Trilogie der Fall war? Warum wirken die Menschen wie identische Klons, obwohl sie über etliche zehntausend Jahren an komplett unterschiedlichen Orten und unter unterschiedlichen Bedingungen aufgewachsen sind?

Das ist das was ich dieser Trilogie und Asimov nicht verzeihe. Warum ist eine Trilogie über diesen immensen Zeitraum und dieser immensen geographischen Dimension angelegt, und die Figuren wirken, als wären sie alle auf die gleiche Vorstadt-High School in Phoenix, Arizona gegangen.

Unter der Haube einer vermeintlich epischen Science-Fiction-Trilogie verbirgt sich ein langweiliges Kammerspiel der High-School-Theater-Gruppe von Glendale, bei Phoenix, Arizona.

1 von 5 Sternen

Becky Chambers: „Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten“

Cover des Buches

Die „Wayfarer“ bohrt Wurmlöcher und damit Verbindungswege durch den Weltraum. Der Mars-Mensch Rosemary heuert zu ihrem ersten Weltraum-Job bei der Wayfarer an. Kurz darauf bekommt die Wayfarer ihren bislang lukrativsten Auftrag, als sie Verbindungswege zu einem bislang verfeindeten Reich bohren soll.

Klingt spannend, doch nach knapp 40% ist das Buch immer noch nicht in die Puschen gekommen. Stattdessen hüpft das Buch von Planet zu Planet und stattet Freunden und Bekannten Besuch ab. Wir lernen die Crew ausgiebigst kennen – es wirkt wie ein lang ausgewalzte Beschreibung von Charakteren für einen launigen Rollenspielabend.

Liest man Rezensionen zu diesem Buch durch, wird der Humanismus(sic!), Multikulti und optimistische Grundton gelobt.

Ich hab hingegen nach jenen 40% aufgegeben. Ein Plot ist bislang nicht zu entdecken. Die Charaktere aus den verschiedenen Rassen, haben einige gute Ideen, die aber nicht oder nur plump zur Anwendung kommen. Die Charaktere tragen bislang nichts zur Handlung bei, was das Buch beliebig und belanglos macht.

Aber vielleicht ist es auch nur meine falsche Erwartungshaltung gewesen, die nach den positiven Kritiken einen Plot mit Gravität und gesellschaftlicher Relevanz erwartet hatte, aber stattdessen nur die Weltraumentsprechung eines Road Movies bekam.

Ein weiteres Problem habe ich mit der deutschen Übersetzung. Ich weiß nicht, ob ich der Übersetzerin Karin Will einen Vorwurf mache oder ob es einfach ein grundsätzliches Problem ist, diesen extrem kumpelhaften Ton der Crew ins Deutsche zu übersetzen. Die Dialoge lesen jedenfalls infantil und befördern das Fremdschämen.

Nach meinem erfrischenden Intermezzo mit „And Shall Machines Surrender“, machte auch das Durchlesen der Kurzfassung im Internet keinerlei Bock, das Buch noch mal anzufassen. Damit: DNF.

Im Buch stecken einige Charakterideen, aber zumindest in der ersten Hälfte kein Plot, der diese Charaktere agieren lässt. Dem Buch fehlt bis hierhin die raison d‘être und damit ist für mich das Ende erreicht.

1 von 5 Sternen

Benjanun Sriduangkaew: „And Shall Machines Surrender“

Cover der Novella

Dieses Buch hat mir mehr Spaß gemacht, als es vermutlich angesichts der Schwächen machen sollte. Aber ich wurde in eine neue Welt hineingezogen und im Kopf sind immer wieder Bilder entstanden. Ich spüre eine Lust die Bilder zu zeichnen. Das ist mir schon länger nicht mehr mit einem Buch passiert.

And Shall Machines Surrender“ ist ein Science Fiction-Roman, irgendwo in der Zukunft und irgendwo im Universum und irgendwo in der Menschheit. Die Novelle spielt auf einer Raumstation (nein, stimmt nicht, eigentlich eine „Dyson-Sphäre“) namens Shenzen.

Mit Ankunft der Protagonistin Orfea, einer desertierten Spionin, die sich hier niederlassen will, werden wir langsam in eine Welt eingeführt, in der sich verschiedene AIs zum sogenannten „Mandat“ niedergelassen haben und in Koexistenz mit Menschen zusammenleben.

Die Menschen verehren die AIs wie Götter und streben danach von den AIs als „Haruspex“ auserkoren zu werden. Haruspex gehen über einen längeren Zeitraum eine immer symbiotischere Beziehungen mit einer AI ein, ersetzen Körperteile durch Implantate und leben letztendlich mit zwei Persönlichkeiten.

Im Rahmen des Verfahrens zu ihrer Aufenthaltserlaubnis fängt Orfea an, in einem Krankenhaus zu arbeiten. Sie ist überrascht, als sie am ersten Tag ihre letzte Patientin empfängt: Krissana, ihre einstige Vorgesetzte und Liebhaberin – und Haruspex-Anwärterin.

Das Setup setzt sich in Bewegung, als eine Serie von Haruspex-Anwärter|innen Selbstmord begehen. Plötzlich taucht auch Seung Ngo auf, die einst Pflegemutter der Waise Orfeo war und sich nun als eine der AIs des Mandats entpuppt. Seung Ngo bittet Orfea und Krissana die Gründe der Selbstmord-Serie zu ermitteln.

Im Laufe der Novelle werden Orfea und Krissana mit ihrer Vergangenheit konfrontiert und geraten in einen Machtkampf und Selbstfindungsprozess der AIs.


Es ist der erste Band einer kleinen Serie von Novellen, die im gleichen Umfeld angesiedelt sind: „The Machine Mandate“.


Offiziell stammt die Novelle von der thailändischen Autorin Benjanun Sriduangkaew. Sie ist als Person nicht unumstritten, da sie eine Vergangenheit als Internet-Troll in Foren und Blogs besitzt, inkl. Gewaltandrohungen u.ä..

Es ist unklar, ob Benjanun Sriduangkaew wirklich die Person ist, die sie vorgibt. Es gibt Gerüchte, dass die Radikalität ihrer feministischen, antiamerikanischen und LBGT-Positionen nur aufgesetzt ist und die in Wirklichkeit eine weiße Upper-Class-Hausfrau von der US-Westküste wäre.


Das World-Building im Buch ist sensationell. Nicht zu viel und nicht zu wenig, aber ungewöhnlich und interessant.

Weitaus größere Probleme habe ich mit den Charakteren. Haben die Charaktere in der Novelle alle einen interessanten Startpunkt, so verlieren sie zunehmend an Profil und werden austauschbar – sowohl in Handlung als auch Sprache. Auch die Motivation der Protagonisten wird eine zunehmend wackeligere Brücke.

Ist es die Unerfahrenheit der Autorin? Es fällt auf, dass die Novelle anfangs rund um Orfea verankert wurde, die aber im Laufe der Seiten immer mehr an Bedeutung verliert, während Krissana zur zentralen Figur wird. Das fühlt sich nicht passend zur Exposition an.

Die Novelle geht recht offensiv mit geschlechterneutraler Sprache um. Die massive Verwendung von Pronomen wie „xe“, „xem“ oder „they“ war für mich gewöhnungsbedürftig. Als nicht-super-duper-Englisch-Leser irritierte mich vor allem die Verwendung von „they“. Sind damit mehrere Personen gemeint? Oder geschlechtsneutral nur eine Person? Oder ist es eine Anspielung auf die beiden Persönlichkeiten, die in eine|r Haruspex stecken?

Apropos offensiv: Orfea und Krissana sind zumindest lesbisch und haben ausführlich beschriebenen Sex, der in Maßen auch in Richtung BDSM geht. Ich fand es interessant, einen ersten Einblick in die Denke hinter BDSM zu bekommen. Einen Einblick der eine etwas größere Fallhöhe hat, als das was sonst zum Thema in elektronischen Medien serviert wird.

Bei allen Schwächen und Diskutablen, bleibt am Ende eine Novelle mit einem ungewöhnlichen Setting, die mir Spaß gemacht hat, die originell war und die mich beschäftigt hat.

4 von 5 Sternen.

Oliver Burkeman: „The Antidote“

The Antidote“ ist die Reise des Journalisten Oliver Burkemans auf der Suche nach „Happiness“ – Glück. Der Untertitel sagt wohin die Reise geht: „Happiness for People Who Can’t Stand Positive Thinking“.

Buchcover

Burkemans Startpunkt ist der Widerspruch zwischen dem Wachstum der „Self-Help“-Industrie und den Bücher und Seminaren auf der Suche nach dem Glücklich-Sein – und den offensichtlichen Schwierigkeiten den Status des Glücklich-Seins zu erreichen und stattdessen zum nächsten Schwung an „Self-Help“-Bücher zu greifen.

Und um es eine Stufe weiter zu drehen: … dabei zu „Self-Help“-kritischen Self-Help-Bücher wie die von Oliver Burkeman zu greifen.

Für Burkeman ist „Wie ist ‘Happiness’ zu erreichen?“ die falsche Fragestellung, da die Suche nach „Glücklich-Sein“ und das Scheitern jener Suche, zu Frust und negativer Stimmung führt. Die Kluft zwischen „Glücklich-Sein“ und der Flut an alltäglichen, negativen Erfahrungen wie Unsicherheit, Ungewissheit, das Scheitern und die Traurigkeit, sorgen für noch mehr „Unglücklich-Sein“ in Form von Unsicherheit, Ungewissheit etc… Burkeman sieht hierin den Kern seines Buches: diesen Kreislauf zu durchbrechen, in dem man sich auf Negatives einlässt statt davor wegzurennen.

So führt Burkemans Reise auf der Suche nach mehr Resilienz gegen Negativem zu Stoiker, Buddhisten, Meditation, Bergsteiger, Produktdesignern und mexikanischen Todeskult.

Das Buch ist keine aus einem Guss geschriebene Dokumentation oder Diskurs. Die acht Kapitel leiten mit An- und Abmoderationen ineinander über, fallen aber eher heterogen aus. Während die ersten Kapitel noch halbwegs eng am philosophischen/psychologischen/therapeutischen Diskurs dran bleiben, wirken die Kapitel sechs, sieben und acht wie angeflanscht und klingen mehr nach Reiseberichte nach Kenia, Michigan und Mexiko.

Aber am Ende des Buches sind mir trotzdem zahlreiche Notizen und angestrichene Passagen geblieben. Weil Burkeman von der journalistischen Seite kommt, findet er eine andere, authentischere Sprache als man es sonst von der Self-Help-Ecke kennt. Dafür wären keine 250 Seiten notwendig gewesen. So muss jede|r für sich entscheiden, ob es so etwas braucht. Wenn am Ende des Tages irgendwas kleben bleibt, hat es ja seinen Zweck erreicht – egal ob auf 50 oder 250 Seiten.


Im Epilog stellt sich Burkeman der Frage, ob er denn inzwischen „glücklicher“ sei, mit all den Philosophien, Techniken und Erkenntnissen, die er für das Buch zusammengetragen hat. Burkeman kann diese Frage nicht mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten und spricht vom „guten Reisenden, der keine festen Reisepläne hat und nicht vor hat, seine Reise zu beenden“.

Mit seinem Epilog spiegelt Burkeman auch meine Erfahrung mit diesen Themen und diesem Buch wieder. Egal ob Meditation, Achtsamkeit, MBSR oder ähnliches. Mit der Zeit lernst du, dass es für dich keinen fertigen Masterplan gibt, um deinen inneren Frieden zu finden. Es sind neue Werkzeuge, neue Techniken, die du kennen lernst. Einiges wird für dich passen. Anderes nicht. Einiges wird den Reiz des Neuen haben, aber nach einigen Wochen wieder in Vergessenheit geraten.

Am meisten Eindruck hinterließ bei mir das Kapitel rund um Eckhard Tolle und damit verbunden, der Diskurs um „Ich“, „das Ego“ und die Gedanken. Dies ist keine grundsätzlich neue Idee. Jeder der sich mit Meditation/Achtsamkeit beschäftigt, kennt diese Trennung zwischen dem „Beobachter“, der versucht auf die Atmung zu achten, und diesem anderen Ding, dass immer wieder Gedanken einwirft, die beiseite geschoben werden. Tolle spricht diese Trennung deutlich an.

„You are not your mind.“

Es braucht manchmal so kurze, banale Sätze. Nicht weil sie alles erklären, sondern als eine Art Mantra oder Mnemonic, der dir den kompletten Diskurs wieder ins Gedächtnis ruft.

Ein anderer Satz ist „Hast du jetzt ein Problem?“. Auch dieser Satz steht im Kontext des Kapitels rund um Eckhart Tolle. Er ist für mich eine Art gedankliches Stopp-Schild. Wenn die Gedanken wieder anfangen zu eskalieren und rum zu spinnen, ist es das Stopp-Schild, dass dich wieder zum Hier und Jetzt zurück bringt.


Zu Burkemans „The Antidote“ kann man vermutlich keine objektive Rezension geben. Zu stark wird die eigene Rezeption von der eigenen Position abhängen. Für Menschen, die sich noch nicht mit Meditation oder Depression beschäftigt haben, wird dies vermutlich nur ein weiterer Self-Help-Titel sein. Für andere Menschen, die bereits ihren zehnten _Retreat_ hinter sich gebracht haben, wird Burkemans Buch eher banal sein.

Ich falle in die Kategorie der Suchenden. Ich nehme jede Anregung mit. Auch die von Burkeman. Wieviel sie mir am Ende bringen, weiß ich noch nicht. „Reise“ und so…

4 von 5 Sternen

Martha Wells: „Tagebuch eines Killerbots“


Martha Wells‘ Reihe „The Murderbot Diaries“ hat inzwischen alles an Preisen abgesahnt, was es im SF-Bereich gibt: Hugo Award, Locus Award, Nebula Award. Zwei Jahre später erschien in Deutschland im Heyne-Verlag ein Omnibus, der die vier ersten Bände, die allesamt Novellen von ca. 150 Seiten Länge waren, zusammen bündelt.

Protagonist irgendwo in der fernen Zukunft ist „Murderbot”, bzw deutsch: „Killerbot“, eine „SecUnit“, ein Roboter mit menschlichen Bestandteilen, die von „der Firma“ als Sicherheitskraft an Forschungsexpeditionen vermietet wird, um sie beim Erkunden von fremden Planeten vor Flora und Fauna zu schützen.

Killerbot hat aber das Überwachungsmodul der Firma in seinem Kopf gehackt und agiert daher recht eigenständig und mit zunehmenden „Selbst-Bewusstsein“.

Allerdings entschied sich Wells gegen eine philosophische Diskussion à la Bladerunner, Westworld et al., wieviel Mensch in einen Roboter stecken kann. Stattdessen bog sie an der Ausfahrt „Unterhaltungsliteratur“ ab.

Killerbot begleitet eine Forschungsmission auf einen fremden Planeten und die entgleitet, als ein Großkonzern versucht seine Pfründe zu sichern. Die vier Novellen sind zwar in sich abgeschlossen, bilden aber in Gänze einen Storybogen rund um Killerbot, die Forscher und bösen Großkonzerne.

Es ist unterhaltsam geschrieben, aber es gibt etliche Gründe, die gegen die von Heyne gewählte Erscheinungsweise als 580 Seiten starkes Buch sprechen. Als kleine Häppchen genossen, mag sich Killerbot noch gut lesen. Aber bei den vier Novellas in einem Rutsch, wird es monoton. Dazu wiederholen sich die Spannungsbögen und die typischen Macken von Killerbot. Der Sarkasmus und die Beobachtungen von Killerbot haben nicht die Tiefe, um das dicke Buch zu tragen.

Es gibt einige Aspekte, die das Buch interessant machen. So zum Beispiel die subtile Annäherung von Killerbot an das „Mensch-Sein“ – zuerst aus Tarnung, aber dann auch … aus emotionalen Gründen? Dazu die Beschreibungen der Eigenarten einiger AIs und der Umgang mit den omnipräsenten Medien. Man ahnt, dass Wells einiges mehr an World Building in Reserve hat, als sie leider raus lässt. Doch leider bleibt es bei Gesellschaftsformen nur bei bloßen Andeutungen.

Wenn man mit „Killerbot“ nicht mehr als die Reiseflughöhe „Unterhaltung“ erreichen will, ist der Omnibus von Heyne ganz okay. Größere Ambitionen werden zumindest mit Band 1 nicht befriedigt.

4 von 5 Sternen.

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